Telefon: +49 911 1335-1335

Ohne sie geht nichts

Zahlreiche Unternehmen aus Mittelfranken setzen bewusst auf die Erfahrung und die Kenntnisse von Mitarbeitern über 50.

 Spätestens ab 2015 wird das Angebot an Arbeitskräften in Deutschland wegen der demografischen Entwicklung stark abnehmen. Gleichzeitig steigt das Durchschnittsalter der Beschäftigten an. Darauf weist die Deutsche Bank Research in der Analyse „Die demografische Herausforderung“ hin.

Gefragt sind also Strategien, um die Lernfähigkeit von älteren Mitarbeitern und deren Arbeitsfähigkeit bis zur Rente zu erhalten. Noch jedoch hat die Mehrheit der Unternehmen die Brisanz der Problematik nicht erfasst. „Das Thema brennt den Betriebsinhabern nicht gerade unter den Nägeln“, erklärt Bernd Dworschak vom Projekt „Demografischer Wandel“, das beim Fraunhofer-Institut angesiedelt ist. Er und seine Kollegen versuchen seit Jahren, Führungskräfte für das Problem alternder Belegschaften zu sensibilisieren.

„Ältere Arbeitnehmer sind nicht grau, dauernd krank und schon halb senil“, betont Heinz Uepping, Vorstandschef des Personalberatungsunternehmens Incon AG. Nach seinen Erfahrungen sehen allerdings viele Personalverantwortliche noch immer nicht das Potenzial, das gerade die Mitarbeiter jenseits der 50 mitbringen. Unternehmen, die voller Stolz ein niedriges Durchschnittsalter ihrer Belegschaft verkünden, befinden sich nach Meinung von Experten auf dem falschen Weg in die Zukunft. Zwar bestehe, so eine Studie von Deutsche Bank Research, weitgehend Einigkeit darüber, dass jüngere Mitarbeiter über bessere körperliche Leistungsfähigkeit und „fluide Intelligenz“ (Umstellungsfähigkeit, Wendigkeit) verfügen. Doch zeichnen sich ältere Mitarbeiter durch Lebens- und Berufserfahrung, Gelassenheit, Verantwortungsbewusstsein, Übersicht und „kristallisierte Intelligenz“ (Urteils- und Entscheidungsfähigkeit) aus. Fazit von Deutsche Bank Research: „Da in den meisten Fällen zur Durchführung erfolgreicher Projekte alle diese Eigenschaften wichtig sind, müssen Unternehmen auf eine ausgewogene Altersstruktur achten und Teamarbeit über die Generationen hinweg fördern.“

Nach Meinung von Susanne Hansen, Personalberaterin und Autorin des Buches „Karriere ab 45“, sind ältere Mitarbeiter in vielen Branchen besonders wichtig: „Sie besitzen ein fundiertes, jobbezogenes Wissen über Branche, Unternehmen, Kunden, Markt und Wettbewerb. Sie denken, urteilen und entscheiden auf einer breiten Basis erfolgreicher Handlungsmodelle, sind routiniert in Konflikt- und Krisensituationen, und sie verfügen über eine hohe Urteilsfähigkeit und gute Risikoabwägung.“

Weiterbildung anpassen
„Das Potenzial älterer Arbeitnehmer muss stärker genutzt werden“, sagt Professor Peter Knauth, Leiter der Abteilung Arbeitswissenschaft am Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion der Universität Karlsruhe. Seiner Einschätzung nach sind die Unternehmen oft selbst verantwortlich, wenn sich Mitarbeiter über 50 nicht allzu häufig bei Weiterbildungsseminaren einfinden. „Ich kenne keine Fortbildungsmaßnahme, bei der die Inhalte didaktisch so aufbereitet werden, dass sie auch für ältere Arbeitnehmer von größerem Nutzen sind“, so Knauth.

Langsam setzt auch bei den Arbeitgebern ein Umdenken ein. Als der Bund der Selbständigen im April 2006 seine Mitglieder über Chancen und Risiken des demografischen Wandels befragte, sahen immerhin 34 Prozent der 560 befragten bayerischen Unternehmen in Mitarbeitern ab 55 Jahren eine Chance, nur 14 Prozent ein Problem. Gute Noten erhielten ältere Arbeitnehmer bei den Fragen nach Zuverlässigkeit, Arbeitsmoral, Wissen und Qualitätsanspruch.

„Unternehmen mit Weitblick“ in Mittelfranken
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales will mit der Initiative „Perspektive 50plus – Beschäftigungspakte für Ältere in den Regionen“ das Thema noch bewusster machen. Ein Instrument ist der Wettbewerb „Unternehmen mit Weitblick“, bei dem auch drei Unternehmen aus Mittelfranken ausgezeichnet wurden. Insgesamt wurden im Dezember vergangenen Jahres 62 Firmen von Bundesarbeitsminister Franz Müntefering geehrt:

„Das Alter spielt keine Rolle, mir ist wichtig, dass jemand zum Betrieb und ins Team passt“, sagt Axel Heussinger, Geschäftsführer der Heussinger GmbH, Nürnberg. „Das Alter zum Argument und Ausschlusskriterium zu machen, das ist doch unsinnig und politisch völlig unkorrekt.“ Heussinger weiß, wovon er spricht – der Firmenchef des kleinen Unternehmens im Kunststoff-Formenbau ist selbst 59 Jahre alt. Das Durchschnittsalter seiner 17 Mitarbeiter beträgt 47 Jahre. Und nach seiner Meinung ergänzen sich die Fähigkeiten Älterer mit den technischen Kenntnissen der Jüngeren, so dass die vielschichtigen Anforderungen in der Kunststoffverarbeitung bestens erfüllt werden.

Zu den ausgezeichneten Unternehmen gehört auch die Richard Köstner AG in Neustadt/Aisch, bei der 230 Personen arbeiten, von denen mehr als 15 Prozent älter als 50 Jahre sind. Bei dem Unternehmen mit Standorten in Diespeck, Ansbach, Plauen, Erlangen, Nürnberg und Bamberg bekommen Einkäufer alle Artikel rund um Haus und Garten – vom Abflussrohr bis zur Zimmertür. Vorstandschef Dr. Norbert Teltschik: „Wir profitieren von den Erfahrungen der älteren und den Ideen der jüngeren Generation. Auch unsere Kunden möchten oft erfahrene Ansprechpartner.“ Selbst zu den Mitarbeitern im Ruhestand unterhält das Unternehmen regen Kontakt. Kaufmännischer Leiter Stefan Glock, berichtet: „Wir haben mehrere ehemalige leitende Angestellte, die nach ihrem offiziellen Ausscheiden aus dem Betrieb mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung angehende Führungskräfte unterstützen und auch an den Betriebsfeiern teilnehmen. Ihr Know-how schätzen wir sehr, es ist uns eine große Hilfe.“

Aus Erlangen wurde die Hans Pausch GmbH & Co. ausgezeichnet, bei der rund ein Drittel der Mitarbeiter über 47 Jahre alt ist. Das Unternehmen wurde 1930 gegründet und fertigt Geräte für die Medizintechnik. Mehr als 300 Mitarbeiter arbeiten am Erlanger Stammsitz sowie in den USA und in Ungarn.

Autor/in: 
hpw.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2007, Seite 24

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick