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Wohin steuert Europa?

Seit Jahresbeginn 2007 ist Deutschland für sechs Monate EU-Ratsvorsitzender. Was will die Bundesregierung in dieser Zeit anpacken und was kann sie erreichen? WiM sprach mit Günter Gloser, Nürnberger MdB und seit November 2005 Staatsminister für Europa und Beauftragter für die deutsch-französischen Beziehungen.

? WiM: Welche Ziele haben Sie für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft?
Gloser: In der globalisierten Welt von heute sehen wir uns Herausforderungen gegenüber, deren Bewältigung jeden europäischen Nationalstaat auf sich alleine gestellt überfordern würde. Dies steckt im Motto unserer Präsidentschaft: „Europa gelingt gemeinsam“. Nur wenn die Europäer bei den großen Aufgaben zusammenarbeiten, werden wir den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts wirklich begegnen können. Als Ratsvorsitz möchten wir dazu beitragen, Europa – und damit auch Deutschland – zukunftsfähig zu machen für das 21. Jahrhundert. Und wir müssen unsere Präsidentschaft dazu nutzen, den Bürgerinnen und Bürgern noch klarer zu zeigen, welche positiven Auswirkungen die Zusammenarbeit in der EU für unseren Alltag hat – zum Beispiel was die Sicherheit der Bürger angeht oder nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung.

? Was kann man denn in wirtschaftlicher Hinsicht erwarten?
Wirtschaftliche Fragen werden die ersten Monate unserer Präsidentschaft beherrschen: Von Januar bis zum Europäischen Rat am 8./9. März 2007 werden die Themen Energie, Klimaschutz und die europäische Strategie für Wachstum und Beschäftigung im Mittelpunkt stehen. Ziel sind konkrete Ergebnisse, die von den Bürgern als praktische Fortschritte wahrgenommen werden können. Dabei geht es vor allem um die weitere Vollendung des Binnenmarktes, um bessere Rechtssetzung und Bürokratieabbau sowie die Stärkung von Forschung und Bildung. Nur als innovative Wissensgesellschaft kann Europa in der ersten Liga mitspielen.

Europa muss seine wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wertvorstellungen in den Globalisierungsprozess einbringen. Ein sozial flankierter Binnenmarkt ist das Herzstück der EU. Er sorgt für Wachstum und Beschäftigung. Wichtig ist, die notwendige Flexibilität mit sozialer Sicherheit zu verbinden. Die Energiepolitik wird ein besonderer Schwerpunkt unserer Präsidentschaft sein. Nicht zum ersten Mal hat uns zu Jahresbeginn die Krise um eine Pipeline aus Russland gezeigt, wie verletzlich unsere Versorgungssituation ist. Darüber hinaus ist klar: Die fossilen Energieträger sind nicht nur endlich, sie sind Ursache des Klimawandels. Wenn wir das gemeinsame Ziel erreichen wollen, einen Anstieg der Temperatur um mehr als zwei Grad Celsius zu verhindern, müssen wir die Nutzung fossiler Energie eingrenzen. Der Frühjahrsgipfel soll einen europäischen „Aktionsplan Energie“ beschließen. Ziel ist mehr Effizienz im Umgang mit Energie und stärkere Nutzung erneuerbarer Energien. Ferner soll ein Energiedialog zwischen den Lieferstaaten und den großen Verbrauchern angestrebt werden. Ziel des Aktionsplans – darauf haben wir uns verständigt – ist die Gewährleistung einer sicheren, umweltverträglichen und wettbewerbsfähigen Energieversorgung Europas.

? Nutzt der deutsche Vorsitz auch der Metropolregion Nürnberg?
Die Metropolregion wird im Rahmen der EU-Präsidentschaft Ort mehrerer Konferenzen sein. So findet im neuen Kongresszentrum Nürnberg u.a. das EU-ASEAN-Außenministertreffen am 14. und 15. März statt. Aber auch verschiedene Impulse wie bessere Rechtsetzung oder Anstöße für Forschungsprojekte können positive Folgen für die Metropolregion haben.

? Wird das EU-Recht weiter die letzte Gurkenkrümmung normieren oder dürfen die Unternehmen auf Bürokratieabbau hoffen?
Ein Schwerpunkt der deutschen Präsidentschaft ist der Bürokratieabbau. Einiges wurde bereits erreicht: Jedem geplanten Gesetz liegt eine Folgenabschätzung bei, die zuerst prüft, ob die EU überhaupt gefragt ist, so dass unnötige Rechtsetzungsvorschläge gar nicht erst eingebracht werden. Auch das bestehende EU-Recht muss einfacher werden, Verwaltungsaufwand muss reduziert werden. Wir streben an, dass der Rat ein Ziel für die Reduzierung von Informationspflichten aus EU-Recht festschreibt. Vorschläge zur Rechtsvereinfachung müssen zügig umgesetzt werden. Dafür brauchen wir öffentliche Unterstützung, wie wir sie durch den DIHK bereits erfahren. Deutschland wird sich weiter für Bürokratiekostenabbau und verbesserte integrierte Folgenabschätzung der europäischen Rechtsetzung einsetzen und hierzu Vorschläge unterbreiten.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2007, Seite 14

 
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