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Nürnberg als Vorreiter

Vor 500 Jahren wurde durch kaiserlichen Erlass das Amt des Handelsrichters geschaffen. Von Dieter Kunzler

Der Erfinder der Handelsgerichtsbarkeit, Kaiser Maximilian I, legte 1508 in seinem Edikt zur Konstituierung des Nürnberger Bankoamtes als erstem deutschen Kaufmannsgericht fest, "...dass überhaupt niemand geschickter ist, die obgemeldeten Gebrechen der Kaufleut und Kaufmannshändel zu entscheiden als die verständigen Kaufleut". Der ebenso hochgebildete wie pragmatische Habsburger, der u.a. auch die Entwicklung einer deutschen Schriftsprache initiierte und für sein Herrscherhaus die legendäre Erkenntnis durchsetzte, dass Heirat der Expansion des Reiches dienlicher sei als Krieg, begründete damit ein seitdem erfolgreiches System der Handelsgerichtsbarkeit. Der Kaiser hatte sich damit auf länger schon erfolgreiche Praktiken oberitalienischer Stadtstaaten als Vorbild gestützt. Das am 17. März 1508 erlassene Edikt zur Konstituierung des Nürnberger Bankoamtes hat in mehreren europäischen Ländern bis zum heutigen Tag Gültigkeit. In Frankreich (ausgenommen Elsass, Lothringen, Mosel) bestehen die Richterbanken ausschließlich aus ehrenamtlichen Handelsrichtern.

Der ehrenamtliche Handelsrichter ist nicht wie z.B. ein Schöffe oder ein Geschworener Laie, sondern ein – beispielsweise in Bayern von den Präsidenten der Landgerichte für fünf Jahre berufener – Fachrichter, der in seiner beruflichen Kompetenz den rechtsgelehrten Berufsrichter unterstützt. Beider Zusammenwirken befähigt den jeweiligen Senat bzw. die Kammern für Handelssachen zu praxisnahen Entscheidungen ohne ausufernde Gutachterkosten und Berufungen. Die nationalen Verbände der Handelsrichter arbeiten international in der "Union Européene des Magistrats statuant en matière commerciale" (UEMC) eng zusammen.

Berufung oder Wahl
Handelsrichter nehmen unter den ehrenamtlichen Richtern, wie sie z.B. in der Straf-, Finanz-, Verwaltungs-, Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit tätig sind, eine herausgehobene Stellung ein. Im Gegensatz zu diesen ehrenamtlichen Richtern, Geschworenen oder Schöffen sind sie keine Laien-, sondern Fachrichter. Wie wird man ehrenamtlicher, oder, wie in der Schweiz genannt, nebenberuflicher Handelsrichter? In Deutschland kann gemäß Gerichtsverfassungsgesetz Handelsrichter werden, wer mindestens 30 Jahre alt ist, selbstständiger Kaufmann, Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer einer juristischen Person oder wer eine vergleichbare, gleichwertige Tätigkeit als Prokurist ausübt und in das Handels- bzw. Genossenschaftsregister (hauptberuflich) eingetragen ist. Nur solche Personen können auf Vorschlag der IHK durch die Landgerichtspräsidenten (in anderen Bundesländern durch das Justizministerium) ernannt bzw. wiederernannt werden.

Wichtige Weichen in Nürnberg gestellt
In Nürnberg war 1508 mit dem Bankoamt nicht nur das erste deutsche Kaufmannsgericht nach dem kaiserlichen Edikt zu finden. Als sich im Lauf der Geschichte der französische Einfluss auf das Handelsrecht verstärkte und Napoleons Gesetzbuch "Code de commerce" auch in Belgien, Holland, Luxemburg, Polen und einigen Gebieten Deutschlands eingeführt und zeitweise angewendet wurde, entstand 1804 in der Noris erstmals ein Handelsgericht, besetzt mit einem Berufs- und zwei Fachrichtern. Hamburg folgte im Jahr 1815. Diese Besetzung nannte man "Deutsches System", weil die französischen Handelsgerichte bis zum heutigen Tag ausschließlich mit Kaufleuten besetzt sind.

Handelsrichter in Mittelfranken
In der Region Nürnberg sind derzeit 52 Handelsrichter tätig, 46 beim Landgericht Nürnberg-Fürth und sechs beim Landgericht Ansbach. Auch 500 Jahre nach der Einführung ist das Amt des Handelsrichters sehr attraktiv: Die nächste Handelsrichterstelle in Mittelfranken ist zwar erst im Jahr 2010 neu zu besetzen, doch schon jetzt gibt es für dieses Amt eine Vorschlagsliste.

Die mittelfränkischen Handelsrichter feierten das 500-jährige Jubiläum der Handelsgerichtsbarkeit mit einem Empfang in der IHK. Den Festvortrag hielt der Nürnberger Stadtrechtsdirektor Dr. Hartmut Frommer, der die enge Beziehung der Stadt zur Kaufmannschaft hervorhob und den Bogen bis zur Strafgerichtsbarkeit spannte. Beim anschließenden rechtsgeschichtlichen Stadtrundgang besichtigten die Handelsrichter die Lochgefängnisse unter dem Rathaus und das neu eröffnete ehemalige Henkerhaus.

Externer Kontakt: Dieter Kunzler ist Vizepräsident des Bundesverbandes der Richter in Handelssachen und Generalsekretär der UEMC (D.Kunzler@handelsrichter.de)
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2008, Seite 37

 
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