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Um die Versorgung langfristig und umweltschonend zu sichern, fordern die IHK-Ausschüsse „Industrie|Forschung|Technologie“ und „Energie|Umwelt“ rasches und umfassendes Handeln. Illustration: Petra Herberger

Die Vorgaben der deutschen Energiepolitik konzentrieren sich bisher auf den Klimaschutz und zielen vor allem auf eine Emissionsminderung des wichtigsten Treibhausgases Kohlendioxid (CO2). Aus Sicht der IHK-Organisation besteht darüber hinaus aber auch verstärkter Handlungsbedarf bei der Sicherstellung eines ausreichenden Energieangebots zu wettbewerbsfähigen Preisen, so die beiden IHK-Ausschüsse, deren Mitglieder weit über 100 mittelfränkische Unternehmen repräsentieren.

Klimaschutz effizient gestalten
Die EU hat ihren Mitgliedsstaaten ambitionierte Klimaschutzziele vorgegeben: Für den Zeitraum 1990 bis 2020 müssen die Treibhausgas-Emissionen um mindestens 20 Prozent gesenkt und die Energieeffizienz um 20 Prozent erhöht werden. Gleichzeitig soll der Anteil erneuerbarer Energien von heute 8,5 auf 20 Prozent gesteigert werden. Die Bundesregierung hat ein "Integriertes Energie- und Klimaschutzprogramm" beschlossen, mit dem die CO2-Emissionen im gleichen Zeitraum sogar um 40 Prozent gesenkt werden sollen. Hierzu wird schrittweise ein gesetzliches Maßnahmenbündel auf den Weg gebracht, das in alle Wirtschaftsbereiche eingreift. Die IHK unterstützt ihre Mitgliedsunternehmen in vielfältiger Weise über Informationsveranstaltungen, Energieberatung, Qualifizierung zum Energiemanager IHK sowie eine Erhöhung der Marktransparenz.

Aus Sicht der beiden IHK-Ausschüsse sollte auch beim Klimaschutz auf Effektivität und Effizienz geachtet werden. Hieraus ergeben sich vor allem folgende Forderungen:

Energieeffizienz steigern: Die Steigerung der Energieeffizienz ist im Regelfall der kostengünstigste Weg zur Verringerung von Treibhausgas-Emissionen und Importabhängigkeit. In vielen Fällen können zugleich Kosten gesenkt werden. Um den Effizienzgedanken noch stärker in die Unternehmen zu tragen, sind Anreizsysteme zum eigenverantwortlichen Handeln geeigneter als die zahlreichen reglementierenden Vorgaben, so Robert Späth, Vorsitzender des Energie-Ausschusses.

Erneuerbare Energien nach Effizienzkriterien fördern: Die zunehmende Nutzung erneuerbarer Energien dient dem Klimaschutz und dämpft die deutsche Importabhängigkeit. Um dies mit möglichst geringen Kosten zu erreichen, müssen bei der Förderung der Markteinführung stärker als bisher Effizienzkriterien berücksichtigt werden. Technologien, die ein hohes Potenzial besitzen, aber erst langfristig wirtschaftlich einsetzbar sind, sollten verstärkt über Forschungsprogramme zur Marktreife geführt werden. Zielführende Aktivitäten in der Region seien fortzusetzen, erklärte Dr. Winfried Marquardt, der den Energie-Ausschuss der IHK zusammen mit Robert Späth leitet. Als Beispiel nennt er das "Netzwerk Erneuerbare Energien Westmittelfranken" mit Projekten in den Bereichen Biomasse und Wasserkraft.

Wettbewerbsfähige Energiepreise sichern: Vor zehn Jahren wurde in Deutschland der Energiemarkt geöffnet mit dem Ziel, über einen funktionierenden Wettbewerb günstige Strom- und Gaspreise zu erreichen. Die Bilanz ist durchwachsen. So wird der deutsche Stromerzeugungsmarkt von vier Unternehmen mit einem Marktanteil von über 80 Prozent beherrscht. Im Bereich der Energienetze wurden die Nutzungsentgelte durch die Bundesnetzagentur deutlich gekürzt. In der Kritik stehen derzeit aber die Preise für Ausgleichs- und Regelenergie, die notwendig ist, um die Netze stabil zu halten. Erhebliche Mängel gibt es zudem bei der Umsetzung eines durch Wettbewerb geprägten EU-Binnenmarkts für Strom und Erdgas. Obwohl die N-Ergie als größter regionaler Versorger zu den bundesweit kostengünstigen Anbietern zählt, leidet auch die Wettbewerbsfähigkeit vieler mittelfränkischer Unternehmen unter der endlosen Preisspirale.

Die beiden IHK-Ausschüsse stellen folgende Forderungen an die Politik:

Energienetze wirksam regulieren: Vergleichende Untersuchungen auf europäische Ebene zeigen, dass günstige Netztarife eher durch eine effektive Regulierung als durch eigentumsrechtliche Entflechtungen sichergestellt werden können. Hier sollte die Bundesnetzagentur ihre bislang zielführende Arbeit fortsetzen: Die geplante Anreizregulierung ab dem Jahr 2009 sollte Anreize setzen sowohl für einen effizienten Netzbetrieb als für einen Ausbau der Netzinfrastruktur. Die Bereitstellung von Ausgleichs- und Regelenergie muss effizienter gestaltet werden, beispielsweise durch engere regelzonenübergreifender Zusammenarbeit der Netzbetreiber. Weiter ist die Netzregulierung im Hinblick auf einen funktionierenden EU-Binnenmarkt auszubauen, beispielsweise durch verstärkte Kooperation der nationalen Regulierungsbehörden. Ziel muss sein, die nationalen Netze durch weiteren Ausbau der Kuppelstellen stärker miteinander zu verbinden, um den Stromhandel zu erleichtern und die Zahl der konkurrierenden Anbieter zu erhöhen.

Staatliche Belastungen zurückführen: Die staatlich bedingte Preisbelastung bei Strom und Erdgas ist in Deutschland weit höher als in anderen Volkswirtschaften. Dieser Trend wird sich verstärken: Aufgrund der deutschen Ausbauziele für erneuerbare Energien und für Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen werden die entsprechenden Umlagen auf den Strompreis weiter steigen. Die EU-Pläne zur Versteigerung der CO2-Zertifikate ab dem Jahr 2013 dürften für einen zusätzlichen Preisschub sorgen. Zwar hatten die Energieversorger schon bisher kostenfrei erworbene Zertifikate in den Strompreis eingerechnet. Die geplante staatliche Abschöpfung dieser "Windfall-Profits" würde nach Expertenmeinung jedoch durch weitere Preiserhöhungen kompensiert werden. Es ist daher notwendig, die ökologischen und ökonomischen Auswirkungen aller staatlich bedingten Preisaufschläge zu überprüfen und gegebenenfalls Absenkungen vorzunehmen.

Versorgungssicherheit gewährleisten: Die Sicherheit der Versorgung mit Energierohstoffen und die Gewährleistung einer ausreichenden Infrastruktur insbesondere im Stromsektor gewinnen zunehmend an Bedeutung. Bei den Energierohstoffen erscheint die hohe Importabhängigkeit beim Erdöl als Hauptrisikofaktor. Mögliche Lösungsansätze umfassen den Ersatz von Erdöl durch heimische Energieträger – wie beispielsweise Biotreibstoffe – oder den Einsatz von effizienten Stromanwendungen wie beispielsweise Elektrowärmepumpen oder Elektroautos. Einerseits wird durch den vermehrten Einsatz des Energieträgers Strom die Energieeffizienz in der Gesamtbilanz erhöht. Andererseits resultiert hieraus ein seit Jahren wachsender Strombedarf. Da sich dieser Trend fortsetzen wird, rückt die Sicherstellung einer ausreichenden Elektrizitätsinfrastruktur in den Mittelpunkt. Die Deutsche Energieagentur geht aufgrund einer aktuellen Analyse davon aus, dass bereits im Jahr 2012 Kraftwerksengpässe in Deutschland entstehen. Besonders betroffen ist Bayern: Aufgrund des beschlossenen Kernenergieausstiegs müsse der Freistaat eine klimaneutrale Alternative für zwei Drittel seiner Erzeugungskapazitäten schaffen, so Hermann Weiler, Vorsitzender des Industrieausschusses.

Die beiden IHK-Ausschüsse sehen zur Sicherung der Stromversorgung folgende Maßnahmen als vordringlich:

Rahmenbedingungen für neue Kraftwerke verbessern: Um den hohen Kraftwerksersatzbedarf zu decken, müssen investitionsfreundliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Hierzu zählen: Förderung der Akzeptanz für neue Kraftwerksprojekte in der Bevölkerung, zügigere Genehmigungsverfahren, langfristig kalkulierbare Rahmenbedingungen für den CO2-Emissionshandel, Erweiterung der Kraft-Wärme-Kopplungsförderung auf hocheffiziente Anlagen zur industriellen Eigenerzeugung.

Netzinfrastruktur ausbauen: Der Transport des Stroms aus den norddeutschen Erzeugungszentren in die süddeutschen Verbrauchszentren benötigt einen umfangreichen und raschen Ausbau des Höchstspannungsnetzes. Die Bundesregierung ist aufgefordert, das geplante Beschleunigungsgesetz für diesen Bereich zügig auf den Weg zu bringen, um die Planungs- und Genehmigungszeiten zu verkürzen.

Laufzeit für Kernkraftwerke verlängern: Solange die erneuerbaren Energien noch keine ausreichende Alternative im Hinblick auf Kosten und Versorgungsstabilität liefern können, muss eine verlängerte Laufzeit der deutschen Kernkraftwerke ermöglicht werden – unter Gewährleistung höchster Sicherheitsstandards. Die Politik ist dringend aufgerufen, die energiewirtschaftlichen Konsequenzen der Alternativen "Ausstieg bis 2020" und "Laufzeitverlängerung über 2020 hinaus" in der Öffentlichkeit vorbehaltlos darzulegen.

Energieforschung ausbauen / regionale Kompetenz nutzen: Obwohl Deutschland in der Energietechnologie eine führende Rolle spielt, ist der Anteil der Energieforschung am gesamten Forschungsetat mit rund vier Prozent geringer als in anderen Staaten. Es muss daher mehr Geld in die Grundlagenforschung fließen. Das gilt auch für Mittelfranken: Zur "Energieregion Nürnberg" gehören viele Unternehmen, die Produkte zur Erhöhung der Energieeffizienz und zum Einsatz von erneuerbaren Energien auf dem Weltmarkt anbieten. Die beiden Ausschüsse wollen v. a. die Forschungsprojekte realisiert sehen, die die IHK-Vollversammlung im Oktober 2007 im "High-Tech-Zukunftsprogramm zum Ausbau des Hochschul- und Technologiestandorts Region Nürnberg" genannt hatte. Der Freistaat sei aufgefordert, diese Projekte zu forcieren.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2008, Seite 24

 
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