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Interview mit Günter Gloser

Wie geht es weiter in Tunesien?

Die politischen Verhältnisse in Nordafrika sind alles andere als stabil. WiM fragte Günter Gloser, MdB, Staatsminister im Auswärtigen Amt a.D. und Vorsitzender des Gesprächskreises Nahost der SPD-Bundestagsfraktion, nach den aktuellen Entwicklungen. Er war in verschiedenen politischen Funktionen bereits 17 Mal in Tunesien.

Die politischen Verhältnisse in Nordafrika sind alles andere als stabil. WiM fragte Günter Gloser, MdB, Staatsminister im Auswärtigen Amt a.D. und Vorsitzender des Gesprächskreises Nahost der SPD-Bundestagsfraktion, nach den aktuellen Entwicklungen. Er war in verschiedenen politischen Funktionen bereits 17 Mal in Tunesien.

Sie sind als einer der ersten deutschen Politiker nach der Revolution Anfang Februar wieder nach Tunesien gereist. Welche Eindrücke haben Sie aus den Gesprächen mitgenommen?

Vieles ist nach der Revolution noch im Umbruch. Es fehlen Strukturen, um die Entwicklung in Politik und Wirtschaft voranzubringen. Zwischen den Akteuren wie der Übergangsregierung, den neuen Parteien und unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen herrscht noch großes Misstrauen. Viele befürchten, ehemalige Kader der Staatspartei RCD sowie des Sicherheitsapparates könnten angesichts der Umbruchphase das Rad zurückdrehen. Andere meinen, der mit der Revolution eingeleitete Prozess sei unumkehrbar.

Was sind nun die dringendsten Aufgaben, um stabile Verhältnisse zu schaffen?

Die Handlungsfähigkeit der staatlichen Strukturen ist sicherzustellen. Nur so können die verschiedenen Herausforderungen wie die Vorbereitung freier Wahlen bewältigt werden. Dabei müssen die neuen Parteien und Gewerkschaften sowie die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen eingebunden werden. Das könnte auch ein wichtiges Signal in die Tourismusindustrie aussenden, denn der Tourismus ist eine der Haupteinnahmequellen Tunesiens.

Welche Aufgaben kommen auf Deutschland und die EU zu?

Die EU war bei Ausbruch der Revolution in keiner guten Verfassung. Die vielen warmen Worte helfen nicht. Deutschland wie die EU können bei der Vorbereitung von Wahlen helfen. Der europäische Binnenmarkt muss auch für Produkte aus Tunesien geöffnet werden. Die Verhandlungen zwischen dem nordafrikanischen Land und der EU über einen privilegierten Status müssen zügig abgeschlossen werden. Viele deutsche Unternehmen – auch aus der Region – sind in Tunesien aktiv. Jetzt gilt es, die vorhandenen Arbeitsplätze zu sichern bzw. auszubauen. Und persönlich plädiere ich auch für eine vorübergehende Arbeitsmigration, vor allem für Hochschulabsolventen, das bedeutet, dass Menschen aus Tunesien und Ägypten mit einer guten Ausbildung die Möglichkeit einer befristeten Arbeitsaufnahme in der EU bekommen.

Können Sie eine Prognose für die weitere Entwicklung Tunesiens geben?

Ich hoffe im Interesse der vielen mutigen Tunesier, dass ihnen der politische und gesellschaftliche Wandel, einhergehend mit einer Verbesserung der sozialen Lage, gelingt. Obwohl schwierig, meine ich doch, es kann gelingen. Dies liegt auch in unserem eigenen Interesse. Der tunesische Jasmin darf nicht vertrocknen.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2011, Seite 15

 
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