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Allianz pro Fachkräfte

Kluge Köpfe braucht das Land

Mit der „Allianz pro Fachkräfte“ bündeln 17 Kooperationspartner ihre Aktivitäten gegen den drohenden Fachkräftemangel. Ziel des Bündnisses ist es, Menschen auf nationaler wie internationaler Ebene für die Metropolregion Nürnberg zu gewinnen und den Großraum dauerhaft zu deren Heimat zu machen.

Das Thema Fachkräfte haben wir als Industrie- und Handelskammer schon immer auf der Agenda gehabt“, konstatiert IHK-Volkswirtin Dr. Maike Müller-Klier. Neu ist allerdings die branchenübergreifende Nachfrage nach beruflich hochqualifizierten Fachkräften, die fast überall das bestehende Angebot übersteigen wird. Müller-Klier geht davon aus, dass bereits im nächsten Jahr ein verstärkter Fachkräftemangel in den bayerischen Betrieben festzustellen sein wird. Zu einem vorläufigen Höhepunkt des Fachkräfteengpasses wird es gemäß des Fachkräftemonitors Bayern voraussichtlich im Jahr 2014 kommen, dann könnten allein in Mittelfranken rund 61 000 ausgebildete Fachkräfte fehlen. Der Mangel an akademischen Fachkräften dürfte in drei Jahren bayernweit ca. 25 000 Akademiker betragen, für Mittelfranken könnte der Fehlbestand bei 2 800 Hochschulabsolventen – überwiegend Ingenieure – liegen.

Kräfte bündeln

Diese Aussichten haben mit dafür gesorgt, dass sich zur „Allianz pro Fachkräfte“ ein breites Bündnis gefunden hat. Auf Initiative der IHK Nürnberg für Mittelfranken und der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit kooperieren neben den mittel- und oberfränkischen IHKs, Arbeitsagenturen und Handwerkskammern weiterhin die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (ZAV), das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, der Deutsch-Türkische Unternehmerverein in Mittelfranken (TIAD) sowie der Rat und die Foren der Metropolregion Nürnberg. Die Akteure stimmen fortan ihre Aktivitäten im Bereich Fachkräftesicherung aufeinander ab und bündeln ihre Kraft, um in Zukunft gemeinsam effektiv und nachhaltig Fachkräfte für die Metropolregion zu gewinnen. Ein erstes Projekt will etwa ausländischen Studierenden an Hochschulen der Metropolregion Nürnberg nach dem Studium Karrierechancen in der Region eröffnen. Dazu wird ab nächstem Jahr über Bleibemöglichkeiten informiert und Kontakt zu Unternehmen angebahnt, die international ausgerichtete Akademiker suchen.

Im Fokus stehen sechs Kernthemen, die auch bayernweit von allen IHKs als zentrale Aufgaben identifiziert wurden: Bildungspotenziale ausschöpfen, betriebliche Ausbildung stärken, Fachkräfte durch Weiterbildung entwickeln, Erwerbsquote von Frauen und Älteren erhöhen, Menschen mit Migrationshintergrund besser fördern sowie bedarfsgerechte Zuwanderung von Fachkräften ermöglichen. Die metropolitane Allianz erarbeitet gerade das Paket „Infos und Services für Neubürger“, die sowohl aus dem Ausland als auch aus dem Inland stammen können. Außerdem hilft das Qualifizierungs- und Beratungsprojekt „PersoKom“ kleinen und mittleren Unternehmen beim Aufbau eines zukunftsweisenden Personalmanagementsystems. In der ersten Phase werden die PersoKom-Seminare und Workshops in den Landkreisen Nürnberger Land, Neustadt a.d. Aisch – Bad Windsheim, Fürth, Erlangen-Höchstadt und Weißenburg sowie Gunzenhausen durchgeführt. Sie vermitteln – dank Förderung von Bund und EU kostenlos – im Laufe von 15 Monaten die Grundlagen des Personalmanagements.

„Die Unternehmen müssen die Warnsignale wahrnehmen“, mahnt Müller-Klier. Im Jahr 2014 dürften allein in Mittelfranken etwa 15 000 Bürofach- und Bürohilfskräfte, 7 400 Fachkräfte in den Gesundheitsberufen, 5 100 Maschinisten und Techniker, 4 400 Rechnungskaufleute und kaufmännische IT-Berufe sowie 2 900 Reinigungsfachkräfte fehlen. Für das mittelfränkische Handwerk kommt die druckfrische Studie „Qualifizierungsbedarf und Fachkräftemangel im Handwerk“ zu einer bedenklichen Bestandsaufnahme. Aus der Befragung von 6 000 Betrieben geht hervor, dass bereits heute mehr als die Hälfte aller Firmen Probleme hat, offene Stellen zu besetzen. „Wie jedes gute Unternehmen eine solide Finanz- und Sachkapitalplanung macht“, so die Bilanz von Handwerkskammerpräsident Heinrich Mosler, „müssen jetzt auch Investitionen in das Humankapital geplant werden.“

Rekrutierung wird schwieriger

So hat sich etwa beim Nürnberger Gebäudedienstleister Dorfner, mit immerhin 8 900 Beschäftigten, die schon immer nicht ganz leichte Rekrutierung neuer Fachkräfte weiter verschärft. „Wir spüren bereits, dass es schwieriger wird“, berichtet Dorfner-Geschäftsführer für Kommunikation, Klaus Schardt. Den Fachkräftemangel an der Wurzel zu packen und einfach mehr auszubilden, sei angesichts des teils negativen Branchenimages der Gebäudereiniger ein steiniger Weg. Auch im Bereich der Gemeinschaftsverpflegung sei es „zunehmend schwieriger, qualifizierte Azubis zu finden, die die Ausbildung motiviert bis zum Ende absolvieren“, obwohl laut Schardt Vergütung und Karrierechancen stimmen. Anscheinend mögen es Azubis lieber klassisch: Bei angehenden Bürokaufleuten hat die Dorfner-Gruppe keine Schwierigkeiten.

Man sollte sich aber nicht in Sicherheit wiegen. Auf dem Ausbildungsmarkt, aus dem Unternehmen lange aus dem Vollen schöpfen konnten, scheint sich der Umkehrtrend schon abzuzeichnen. Die aktuell offene Ausbildungsliste ist lang. Gesucht sind etwa Maschinen- und Anlagenführer, Industrieelek-triker, Industriemechaniker, Berufskraftfahrer, Gastberufe, Verkäufer, Einzelhandelskaufleute, Anlagenmechaniker, IT-Systemelektroniker oder auch Fachinformatiker für Systemintegration. Die Unternehmen, die die Augen nach Nachwuchs offenhalten, verteilen sich fast gleichmäßig zwischen Stadt und Land im gesamten Großraum.

Kreative Ideen gefragt

Als „besonders bedenklich“ schätzt Beatrix Wegner, Vereinsvorstand der Interessenvertretung von im Güterverkehrszentrum (GVZ) Hafen Nürnberg ansässigen Unternehmen, den Fachkräfte- und Azubimangel ein. „Der aktuelle Bedarf ist so hoch, dass man die Zahl der Berufskraftfahrer verdoppeln und sofort unterbringen könnte.“ So gehen allein in dieser Sparte in den nächsten Jahren rund 30 Prozent des Fahrpersonals in den Ruhestand, der Anteil der Fahrer unter 25 Jahren liegt gerade Mal bei zwei Prozent des Personalbestandes.

Ein Gegenrezept von Wegner ist es, „die Komplexität der Berufsbilder in Speditionen und Logistik“ im direkten Schülerkontakt aufzufächern. Vorbild ist der „IHK-Tag der Logistik – Speeddating“, bei dem sich Schüler und Logistikfirmen in dreiminütigen Gesprächen kennen gelernt haben. Außerdem wird die Möglichkeit eines Fachkräftepools im Hafen geprüft, auf das die Unternehmen dann in Spitzenlastzeiten zurückgreifen können.

Die Antwort des Nürnberger Softwarehauses Datev ist die Profilierung der Arbeitgebermarke als strategisches Ziel, für das gerade eine bundesweite Multimedia-Kampagne gestartet wurde. Datev Mitarbeiter treten in Videos, Anzeigen und Broschüren als Botschafter ihres Unternehmens auf, um weitere Fachkräfte und Softwareingenieure zu gewinnen und nach Nürnberg zu holen. Ein Ansatz, der auch der Überzeugung von Mosler entspricht, egal ob es um neue Azubis oder neue Fachkräfte geht: „Die Mitarbeiter sind die Werbeträger Nummer eins.“

Autor/in: 
Thomas Tjiang
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2011, Seite 12

 
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