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Zentralasien

Geschäfte an der Seidenstraße

Die zunehmende Industrialisierung und die Expo 2017 in Astana eröffnen deutschen Unternehmen gute Möglichkeiten in Zentralasien. Sie müssen sich allerdings auf staatliche Regulierung und andere Investitionshemmnisse einstellen.

Für deutsche Mittelständler liegt Zentralasien oftmals jenseits des Wahrnehmungshorizonts. Öl, Gas, Seidenstraße, autokratische Präsidenten – viel mehr wissen nur wenige über diese Region, die rund 4 000 Kilometer von Deutschland entfernt zwischen Russland, Kaspischem Meer und China liegt. Doch Jörg Hetsch, Delegierter der Deutschen Wirtschaft für Zentralasien, ist überzeugt: „Die Länder Zentralasiens werden unterschätzt. Gerade für deutsche Unternehmen haben sich hier in den vergangenen Jahren viele Marktchancen ergeben.“ Die Delegation der Deutschen Wirtschaft für Zentralasien ist seit 1994 Mitglied des Netzwerks der deutschen Auslandshandelskammern (AHK) und seit 2008 für fünf Länder zuständig ist. Das Büro im kasachischen Almaty betreut die einstigen Sowjetrepubliken Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Kirgistan und Tadschikistan – Märkte mit insgesamt rund 64 Mio. Einwohnern.

Kasachstan ist dabei deutscher Exportpartner Nummer Eins in der Region. 2012 hat das Land Maschinen, Anlagen und Fahrzeuge aus Deutschland im Wert von 1,1 Mrd. Euro gekauft, eine Steigerung von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Außenhandelsumsatz Deutschlands mit Zentralasien betrug fast sieben Mrd. Euro. Der Rückgang um vier Prozent gegenüber 2011 geht vor allem auf geringere Ölimporte zurück, da Deutschland seine Energiequellen diversifiziert. Die meisten deutschen Unternehmen, die in Zentralasien engagiert sind, erschließen diesen Markt von Kasachstan aus. So hat beispielsweise der deutsche Baustoffproduzent Knauf dort im Jahr 2001 sein erstes Werk eröffnet und expandierte dann auch in die Nachbarländer. „Das hiesige Wirtschaftswachstum erfordert geradezu die Produktion und den Vertrieb in dieser Region“, so Dmitri Propp, Direktor für Marketing der Knauf-Gruppe in Zentralasien.

Reich an Rohstoffen

Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan sind die ressourcenreichen Länder der Region – mit Vorkommen an Erdöl, Erdgas, Uran, Eisenerz, Gold, Zink oder seltenen Erden. Doch wie die rohstoffärmeren Nachbarn Tadschikistan und Kirgistan haben diese Länder bis heute wirtschaftliche Defizite. Eine freie Marktwirtschaft gibt es nicht, staatliche Regulierung ist der Normalfall. Attraktive Investitionsbedingungen zu schaffen, fällt den Regierungen schwer. Ein langfristig funktionierender Mittelstand existiert in den Ländern kaum, die Infrastruktur ist unterentwickelt, das Ausbildungsniveau niedrig.

Trotzdem sind derzeit rund 380 deutsche Unternehmen in der Region tätig – und wollen bleiben. Erlan Iskakov, stellvertretender Geschäftsführer von Metro Cash & Carry in Kasachstan, ist überzeugt. „Im Zuge des Wirtschaftswachstums entwickelt sich eine immer kaufkräftigere Mittelschicht.“ Metro betreibt mittlerweile acht Märkte in Kasachstan. Gute Entwicklungschancen bestehen derzeit auch im Bausektor, im Maschinen- und Anlagenbau und in der petrochemischen Industrie. Kasachstan und Turkmenistan gehen zunehmend dazu über, die Rohstoffe selbst zu verarbeiten – ein dringend notwendiger Schritt, um sich von der einseitigen Rohstoffabhängigkeit zu lösen und die Wirtschaft zu diversifizieren. Im gesamten Sektor der verarbeitenden Industrie ist daher in den nächsten Jahren großer Bedarf an Consulting- und ingenieurtechnischen Leistungen zu erwarten.

Entwicklungspotenzial haben darüber hinaus chemische Industrie, Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie, Energieversorgung und kommunale Wasserwirtschaft. Gefragt sind Maschinen, Anlagen und Ausrüstungen für die verarbeitende Industrie, pharmazeutische Produkte, Medizintechnik, elektrotechnische Anlagen für die Energieversorgung sowie Haus- und Versorgungstechnik.

Expo 2017 in Astana

Besonderes Augenmerk liegt in Kasachstan derzeit auf der Erhöhung der Energieeffizienz, sowohl in der Industrie als auch im Wohnungsbau. Die kasachische Hauptstadt Astana wird im Jahr 2017 die Expo unter dem Motto „Energie der Zukunft“ ausrichten. Geplant ist, das Expo-Gelände unter Einsatz hochmoderner Energieeffizienz-Lösungen zu bauen und damit beispielhafte Lösungen im eigenen Land zu präsentieren. Insgesamt hofft Kasachstan, dass die Expo eine Katalysator-Wirkung für die Wirtschaftsentwicklung des eigenen Landes und der Region haben wird.

Auch für deutsche Unternehmen, deren Know-how in Kasachstan sehr hohes Ansehen genießt, dürften sich durch die Expo neue Kooperationsmöglichkeiten eröffnen, hofft David Weisenborn, Managing Partner bei KVL Bauconsult in Kasachstan. Seiner Meinung nach sind noch viel zu wenig deutsche Baufirmen vor Ort, was jedoch auch an den falschen Preisvorstellungen der lokalen Partner liege: „Häufig schwindet während der Entwicklung eines Projektes die Bereitschaft, den Mehrwert und die Nachhaltigkeit deutscher Planungs- und Bauqualität auch zu entlohnen, sodass am Ende meist doch die lokale oder asiatische Konkurrenz den Zuschlag erhält.“

Allerdings sieht Weisenborn, dass sich die kasachische Führung der weltweiten Aufmerksamkeit zur Expo bewusst sei. „So stehen die Chancen wahrscheinlich nicht schlecht, dass international anerkannte Spielregeln bei der gesamten Planung und Durchführung der Expo 2017 angewendet werden.“ Es bestehe die Chance, dass die bisherige kurzfristige Profitorientierung allmählich einem langfristigeren und damit nachhaltigeren Ansatz weichen könnte.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2013, Seite 14

 
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