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Fragen an Jai Motwane

Welche Rechte hat der Mittelstand?

Beim Freihandelsabkommen TTIP ist umstritten, ob die Rechte von Mittelstand, Mitarbeitern und Verbrauchern angemessen geschützt werden.

Kein anderes Freihandelsabkommen hat jemals soviel Aufmerksamkeit erzeugt wie TTIP. Wie nehmen Sie die Gespräche mit den unterschiedlichen Interessensgruppen wahr?

Die Einbeziehung der Öffentlichkeit ist ein wesentlicher Bestandteil bei der Entwicklung der US-Handelspolitik. Für unsere Verhandlungen holen wir fortlaufend die Meinungen zahlreicher Interessengruppen ein. In den USA haben wir zum Beispiel Beratungsgremien, die unser Verhandlungsteam in allen Aspekten unserer Handels- und Investitionspolitik beraten. Diese Gremien sind bei uns gesetzlich verankert und bestehen aus rund 700 Bürgern, die die Interessen von Gewerkschaften, Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden, von bundesstaatlichen und kommunalen Regierungen sowie von Exporteuren und Arbeitgebern in ganz Amerika vertreten. Speziell bei TTIP haben wir unsere Verhandlungen in jeder Runde für einen halben Tag unterbrochen, um Interessenvertretern und ganz generell der amerikanischen und europäischen Öffentlichkeit die Gelegenheit zu geben, direkt mit den Verhandlungsführern zu sprechen. Das sind nur ein paar Beispiele, wie wir außerhalb der Verhandlungsräume mit unterschiedlichen Gruppen im Dialog stehen.

Kleine und mittlere Unternehmen sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Ist die internationale Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit auch auf sie ausgerichtet?

Kleine und mittlere Unternehmen haben oft nicht die Ressourcen oder die Expertise, um zu ermitteln, welche Rechtsmittel sie in einem Auslandsmarkt ergreifen oder wie sie im Falle unrechtmäßigen staatlichen Handels Regressansprüche geltend machen können. Eines der Hauptziele der vertraglich vereinbarten Staat-Investor-Schiedsgerichtsbarkeit (ISDS) ist es deshalb, allen Investoren – egal welcher Größe – Zugang zu einem neutralen Mechanismus zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten  zu verschaffen. Investitionsschutzregelungen in Handelsabkommen geben auch den kleinen und mittleren Unternehmen die Gewissheit, dass sie auf Auslandsmärkten in den Grundzügen der Rechtsstaatlichkeit geschützt sind. Sie müssen also beispielsweise Zugang zu Gerichten und bei Enteignung entschädigt werden. Im Fall der Fälle müssen sie auf einen raschen, gerechten und transparenten Mechanismus zur Beilegung von Streitigkeiten über diese Schutzmaßnahmen zurückgreifen können. Und in der Tat nutzen die kleinen und mittleren Unternehmen die Investor-Staats-Schiedsgerichtsbarkeit sehr häufig. Nach einer OECD-Studie aus dem Jahr 2012 wurde weniger als ein Drittel der Investor-Staat-Fälle von großen, multinationalen Konzernen vorgebracht.

Die USA selbst wurden das erste Mal Mitte der 90er Jahre vor einem internationalen Schiedsgericht verklagt. Welche Auswirkungen hatte das auf die amerikanische Handels- und Investitionspolitik?

Gegen die USA wurden seit den späten 90er Jahren mehr als ein Dutzend Investor-Staat-Schiedsverfahren angestrengt. Als Staat sind wir aber auch der größte Empfänger von Auslandsinvestitionen weltweit. Beides zusammen macht deutlich, dass die USA bei den Verhandlungen eines Investitionsschutzabkommens nicht nur die Perspektive einer Regierung einnimmt, die ihre Investoren im Ausland schützen möchte, sondern auch die Perspektive einer Regierung, die sich gegen Investorenklagen verteidigen muss. Die Absicherung der Regulierungshoheit von Regierungen in Bereichen öffentlichen Interesses – sei es zum Schutz der Verbraucher, der Mitarbeiter, der Umwelt oder der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit – ist daher eine tragende Säule unserer Handels- und Investitionspolitik. Wir haben die Lehren aus den letzten 15 Jahren gezogen, in denen wir internationale Schiedsprozesse geführt haben und haben unsere Abkommenspraxis auf diese Ziele ausgerichtet: Regeln und Standards klarer, aber auch das Schiedsverfahren effizienter und transparenter zu machen.

Ungenaue Rechtsbegriffe in bestehenden Bilateralen Investitionsschutzabkommen (BITs) sorgen für Unsicherheit bei Investoren und Staaten. Außerdem beeinträchtigen sie eine einheitliche Rechtsprechung in Schiedsverfahren. Was sind mögliche Reformansätze?

Die Vereinigten Staaten waren die Ersten, als es darum ging, die Regelungen zum Investitionsschutz und zur Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit zu reformieren und zu verbessern. Amerika verhandelt diese Regelungen auf der Grundlage eines öffentlich zugänglichen Mustervertrags, der bei verschiedenen Gelegenheiten überprüft und überarbeitet wurde. Die letzte Überarbeitung des US-Mustervertrags wurde 2012 nach einem dreijährigen Prüfverfahren vorgenommen, in das auch die Öffentlichkeit in aufwändigen Befragungen einbezogen wurde. Der US-Modellvertrag beinhaltet Neuerungen, die in den BITs der EU-Länder in der Regel nicht vorkommen. Dazu gehören Auslegungsvorschriften für grundlegende Rechtsbegriffe, Bestimmungen, wonach schikanöse Investor-Staat-Klagen bereits im Vorfeld verhindert und unbegründete Klagen rasch abgewiesen werden können. Enthalten sind auch Vorschriften, die die Einsehbarkeit von Investor-Staat-Schiedsstreitigkeiten für die Öffentlichkeit gewährleisten. Diese Ansätze sind bei TTIP von zentraler Bedeutung für die amerikanische Verhandlungsposition. 

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2014, Seite 33

 
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