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Widerrufsrecht auf Messen

Gekauft ist gekauft!?

Auf Verbrauchermessen machen Aussteller direkt Geschäfte mit den Besuchern. Können die Verträge widerrufen werden? Von Christian Günther; Illustration: Anton Atzenhofer

Das im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankerte Widerrufsrecht ist ein typisches Verbraucherschutzrecht. Es lässt Ausnahmen vom Grundsatz zu, demzufolge ein wirksam geschlossener Vertrag einzuhalten ist. Es erlaubt Verbrauchern in bestimmten Situationen, entgeltliche Geschäfte mit Unternehmern ohne Angabe von Gründen zu widerrufen. Als Verbraucher gilt, wer das Geschäft nicht zu Zwecken seiner gewerblichen oder selbstständig beruflichen Tätigkeit tätigt.

Ähnlich wie beim Online-Shopping sieht § 312g BGB auch bei Verträgen, die Verbraucher außerhalb von Geschäftsräumen abschließen, ein höheres Maß an Verbraucherschutz vor. Der Grund: Der Verbraucher soll in eher ungewohnter Umgebung davor geschützt werden, übereilt Verträge abzuschließen. Deshalb wird auch bei solchen Verträgen ein Widerrufrecht eingeräumt.

Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind laut § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB Verträge, die von Verbraucher und Unternehmer an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. Der springende Punkt bei der Frage, ob ein Widerruf möglich ist, ist die Definition eines Geschäftsraumes. Würde man ausschließlich auf den typischen stationären Verkaufsraum abstellen, wäre – von Hausmessen einmal abgesehen – ein Widerruf von Messekäufen durchaus möglich. Dass es nicht so einfach ist, erschließt sich jedoch bereits mit einem weiteren Blick ins Gesetz. Unterschieden wird zwischen unbeweglichen Gewerberäumen, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, und beweglichen Gewerberäumen, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt.

Der Messestand, ein beweglicher Geschäftsraum

Die Rechtsprechung vertritt die Ansicht, dass Messestände bewegliche Geschäftsräume darstellen. So verneinte u.a. zuletzt das Landgericht Freiburg den Widerruf eines Vertrages über den Kauf eines Dampfstaubsaugers, der auf der „Grünen Woche“ in Berlin geschlossen worden war. Das Gericht verwies auf die Mitte Juni 2014 erfolgte Neuregelung des Widerrufsrechts, wonach auch Markt- und Messestände als Geschäftsräume zu behandeln sind. Voraussetzung ist nur, dass ein Unternehmer sein Gewerbe darin ständig oder gewöhnlich ausübt.

Für Messegeschäfte entscheidend ist der Begriff „gewöhnlich“ und insbesondere die Frage, ob der Verbraucher dort mit entsprechenden Angeboten rechnen muss. Denn der Zweck des Gesetzes und damit des Widerrufsrechts ist es, Verbraucher vor übereilten Vertragsschlüssen in ungewohnter Umgebung zu schützen. Entscheidend ist auch, ob das Angebot mit dem Thema der Messe bzw. Ausstellung in Zusammenhang stand.

Kein überraschendes Angebot

Für den Verbraucher sei es im konkreten Fall keineswegs überraschend gewesen, dass er mit dem Angebot eines Dampf-Staubsaugers auf der Messe konfrontiert worden sei, so die Richter. Denn der Messestand habe sich in einem Ausstellungsbereich befunden, der deutlich dem Thema „Haustechnik“ zugeordnet war. Zudem konnte das Gericht nicht nachvollziehen, dass sich der Käufer auf der Großmesse „Grüne Woche“, deren vollständiger Besuch drei Tage in Anspruch nimmt, zufällig in die der „Haustechnik“ vorbehaltene Messehalle begeben hat und dort vom Angebot des Dampf-Staubsaugers überrascht wurde.

Dagegen sprachen auch die von der Messegesellschaft angebotenen Pläne mit Messetouren, die den Haustechnik-Bereich eindeutig kennzeichneten. Aus diesem Grund folgte das Landgericht auch nicht der Argumentation des Verbraucherverbands, der sich des Falls als Kläger angenommen hatte. Dieser hatte mit dem Charakter der „Grünen Woche“ als Messe für Ernährung, Landwirtschaft, Gartenbau, Heimtiere und Lebensmittel argumentiert, auf der man nicht mit dem Angebot eines Staubsaugers rechnen müsse.

Auch einem Vergleich zu Verkaufssituationen, bei denen Unternehmer Passanten vor ihren Geschäftsräumen ansprechen, wollten die Richter nicht zulassen. Im Vergleich dazu falle es vorbeilaufenden Messebesuchern, die vor Ständen angesprochen werden, weitaus leichter, in der Anonymität der Masse zu verschwinden und somit Nein zu sagen. Es handle sich bei dem Kauf des Staubsaugers nicht um einen Vertrag, der außerhalb gewöhnlicher Geschäftsräume zustande gekommen sei.

Autor/in: 

Assessor Christian Günther ist Redakteur bei anwalt.de, dem Anwalts- und Rechtsinformationssystem in Nürnberg (redaktion@anwalt.de

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2016, Seite 26

 
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