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Interim-Manager

Gut angelegte Zeit

Illu_WiM_2016_04 © Anton Atzenhofer

Manager auf Zeit kommen zum Einsatz, wenn es Engpässe im Management gibt oder wenn im Betrieb große Sonderprojekte anstehen. Von Karin Gebhardt; Illustration: Anton Atzenhofer

Krisenstimmung in einem großen Industrieunternehmen: Ein Abteilungsleiter, der für wichtige Konstruktionsprojekte verantwortlich ist, muss seine Arbeitszeit aus gesundheitlichen Gründen plötzlich stark reduzieren. Schnell muss ein Ersatzmann gefunden werden, der am besten innerhalb von zwei oder drei Wochen starten kann. Jedoch ist es ein fast aussichtsloses Unterfangen, auf dem Arbeitsmarkt einen passenden Experten für eine begrenzte Zeit zu finden. Einen Ausweg bieten Interim-Manager – also Manager auf Zeit, die von darauf spezialisierten Agenturen vermittelt werden.

Diese Agenturen sind nicht nur beim Ausfall wichtiger Führungskräfte gefragt, sondern auch wenn Sonderprojekte im Betrieb anstehen oder wenn hochspezielles Know-how nötig ist. Diesem Projektgeschäft kommt auf dem Markt für das Interim-Management immer größere Bedeutung zu. Beispiele für Sonderprojekte sind u.a. strategische Unternehmensentwicklung, Erweiterung des Produkt- oder Marktportfolios, Insourcing eines Engineering-Teams, Prozessoptimierung, Neupositionierung von Marken sowie Ausbau oder Umbau von bestimmten Geschäftsbereichen (z.B. Einkauf, Vertrieb, Qualitätsmanagement, betriebliche IT).

Wenn Betriebe aufgrund einer schlechten Marktposition restrukturiert werden müssen, kann ein externer Berater vielfach härter durchgreifen und die Rolle des „Bad Guy“ übernehmen als dies Managern möglich ist, die aus dem Betrieb kommen. Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Interim-Manager wird für das Personalmanagement eines Produktionswerks engagiert, das aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit die Fertigungstiefe reduzieren und Teile der Herstellung zu regionalen und globalen Zulieferern verlagern musste. Der Interim-Manager erarbeitet einen Sanierungs- und Reduzierungsplan, stimmt diesen mit dem Betriebsrat ab und setzt ihn innerhalb von sechs Monaten um. Der Aufbau einer Auffanggesellschaft gehört ebenso zu seinen Aufgaben wie die Unterstützung der ausscheidenden Mitarbeiter bei der beruflichen Neuorientierung (sogenanntes Outplacement), die Entwicklung einer neuen Organisationsstruktur und das Veränderungsmanagement.

Laut Arbeitskreis Interim Management Provider (AIMP) gibt es inzwischen rund 15 000 Manager, die ihr Geld mit Interim-Projekten verdienen. Das sind zumeist sehr erfahrene Führungskräfte, die nach Jahrzehnten im Job aus dem Angestelltenverhältnis ausgeschieden sind – z.B. während der Finanzkrise vor acht Jahren, aufgrund einer Umstrukturierung in ihrem früheren Unternehmen oder weil sie selbstständiger arbeiten wollten. Aufgrund ihrer Erfahrung in unterschiedlichen Beratungsprojekten verbinden sie Fachkompetenz, kommunikative Fähigkeiten und das nötige Einfühlungsvermögen für die besondere Situation, in der sich die zu beratenden Unternehmen befinden. Man schätzt, dass der deutsche Markt für das Interim-Management in den vergangenen Jahren um ca. acht bis zehn Prozent jährlich gewachsen ist und bei den Beratungshonoraren mittlerweile die Marke von zwei Mrd. Euro überschritten wurde. Trotz einer ähnlichen Wachstumsprognose für die nächsten Jahre hinkt Deutschland bei der Beschäftigung von Interim-Managern Ländern wie den USA und Großbritannien noch weit hinterher. Gründe sind laut AIMP-Provider-Umfrage Unkenntnis über das Interim-Angebot sowie falsche Vorstellungen über die Kosten. Manager auf Zeit verlangen in der Regel einen Tagessatz zwischen 800 und 1 200 Euro, abgerechnet werden nur effektiv geleistete Tage, hinzu kommt die Vermittlungsprovision für die Agentur. Sozialabgaben werden aber in der Regel nicht fällig. In manchen Fällen reicht es aus, den Interim-Manager nur für vier Tage pro Woche einzusetzen und damit Kosten zu senken. Das kommt auch vielen Managern entgegen, insbesondere wenn sie eine weite Anreise haben.

Die rund 15 000 Manager auf Zeit, die zurzeit schätzungsweise in Deutschland aktiv sind, werden vorwiegend in den Bereichen allgemeines Management, Finanzen, Controlling, Engineering und Informationstechnologie sowie als technische Projektleiter für Sonderprojekte und die Einführung neuer Technologien eingesetzt. In den Bereichen Einkauf und Personalwirtschaft nahmen die Einsätze von Interim-Managern im vergangenen Jahr stark zu, auch in Vertrieb und Marketing zeigte sich eine steigende Tendenz. In Deutschland nutzen vor allem die Branchen Automobilindustrie, Maschinenbau, Elektro/Elektronik und Informationstechnologie die Dienste der Manager auf Zeit sowie zunehmend auch die Chemie- und die Pharmaindustrie. Dagegen nehmen die Konsumgüter- und Lebensmittelindustrie sowie der Handel das Interim-Management bislang nur wenig in Anspruch.

Hohe Zufriedenheit

Die Unternehmen berichten von überwiegend positiven Erfahrungen mit temporären Managern: Wie die Helmut-Schmidt-Universität Hamburg im Jahr 2015 in einer Umfrage unter 250 Entscheidern herausfand, sind drei von vier Unternehmen zufrieden bzw. sehr zufrieden mit den Ergebnissen der eingesetzten Interim-Manager – trotz schwieriger und oftmals undankbarer Ausgangspositionen zum Projektstart. Bei den Auftraggebern punkten die Manager auf Zeit vor allem mit folgenden Punkten: kurzfristige und flexible Verfügbarkeit, Fokus auf das spezifische Projekt, Spezial-Know-how, Erfahrung mit Sondersituationen und Fähigkeit, umstrittene Entscheidungen zu treffen und umzusetzen.

Besonders hohe Zufriedenheit mit dem Einsatz entsteht nach Erkenntnissen der Hamburger Professoren, wenn spezielle Agenturen für die Vermittlung von Interim-Managern in die Suche eingeschaltet waren. Laut Umfrage wurde von den Unternehmen folgende Aspekte der Agenturdienstleistungen besonders positiv bewertet: rasche Besetzung der Interim-Position, ausreichend große Auswahl an Kandidaten, persönliche Kenntnis der Kandidaten und begleitende Beratung zur optimalen Gestaltung des Interim-Managements.

Weiter steigender Bedarf

Auch die Unternehmensberatung Roland Berger sieht einen vermehrten Bedarf, besonders für Restrukturierungs-Aufgaben. Laut Roland Berger Restrukturierungsstudie 2015 sei „trotz aktuell vermeintlich stabiler Wirtschaftsentwicklung eine steigende Anzahl der Restrukturierungsfälle in den nächsten zwölf Monaten zu erwarten“. Dies dürfte vor allem in den Branchen Automobil, Energie, Finanzdienstleistungen, Konsumgüter und Logistik der Fall sein. Als Gründe für nötige Umstrukturierungen nennen die Unternehmensberater hauptsächlich Digitalisierung, Konsolidierungsdruck, regulatorische Veränderungen, Fachkräftemangel und Anpassung an Entwicklungen auf Auslandsmärkten.

Eine im Januar 2016 veröffentlichte Studie des Weltwirtschaftsforums in Davos („The Future of Jobs Report“), die für die Jahre 2015 bis 2020 gravierende Veränderungen für die Arbeitswelt unter dem Einfluss von Industrie 4.0 vorhersagt, empfiehlt als eine unmittelbare Maßnahme, Arbeitsmodelle flexibler zu gestalten und häufiger Freelancer und Freiberufler einzusetzen. Ebenso wird empfohlen, die enorme Erfahrung älterer Arbeits- und Führungskräfte besser zu nutzen und auf eine sogenannte „alterslose“ Belegschaft zu setzen. Auch angesichts dieses Szenarios dürften erfahrene Interim-Manager noch gefragter werden.

Der typische Interim-Manager ist heute männlich und über 50 Jahre alt, aber die Frauen holen auf: Laut AIMP hat sich ihr Anteil in diesem Berufsfeld im Jahr 2014 auf 16 Prozent in etwa verdoppelt. Häufig sind Interim-Managerinnen in den Fachrichtungen Personal, Marketing und Unternehmenskommunikation aktiv, aber auch in kaufmännischen Bereichen und im allgemeinen Management stehen erfahrene Managerinnen zur Verfügung.

Externer Kontakt:

Karin Gebhardt ist Partnerin bei der Agentur für Interim Manager AIM in Nürnberg (www.agentur-fuer-interimmanager.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2016, Seite 30

 
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