Telefon: +49 911 1335-1335

Vedes

Gespielt wird immer noch

vedes © Thomas Tjiang

Vorstandsvorsitzender Dr. Thomas Märtz mit dem neuen Ladenterminal zur digitalen Regalverlängerung.

Die Vereinigung Deutscher Spielwarenfachhändler – kurz Vedes – besteht seit mehr als 100 Jahren und ist eines der traditionsreichsten Handelsunternehmen der europäischen Spielwarenbranche.

Am 6. März 1904 gründeten 14 deutsche Spielwarenfachhändler die Vedes in Leipzig, um gegen große Konkurrenten wie Warenhäuser, Versandgeschäfte und Großfilialen besser auftreten zu können. Zunächst hatte die Vereinigung ihre Zentrale in Berlin. Da diese aber weit entfernt von den damaligen Spielwarenzentren Thüringen, Erzgebirge und Nürnberg lag, beschloss sie 1926 den vollständigen Umzug nach Nürnberg. Dass die Vedes bis heute besteht und im Jahr 2017 schwarze Zahlen schreibt, ist allerdings nicht selbstverständlich, denn es stand nicht immer gut um sie: Beinahe wäre die Vereinigung Ende der 1990er Jahre vom Markt verschwunden. Die Fachhändler gerieten zu dieser Zeit erheblich unter Druck, da die Konkurrenz aus Discountern und großflächigen Märkten sehr stark wurde. Die Einkaufsgenossenschaft reagierte u. a. mit eigenen Rabatt-Fachmärkten und der Übernahme der Spiel und Freizeit Handels-GmbH & Co. KG. Die Fachmärkte konnten sich nicht etablieren, die Übernahme schrieb Verluste und so geriet man tief in die roten Zahlen. Damals sprach der 1999 berufene Strategie- und Finanzvorstand Dr. Thomas Märtz von einem „heilsamen Schock“ und leitete bei Europas größter Marketing- und Handelsorganisation für Spielwaren einen Restrukturierungskurs ein. Doch weder für die Genossenschaft noch für die Spielwarenhändler waren damit die Probleme überwunden. Einerseits sank angesichts des demografischen Wandels die Zahl spielender Kinder, andererseits wuchs die teils preisaggressiv agierende Internet-Konkurrenz überwiegend branchenfremder Anbieter. Trotz höherem Aufwand für Beratung und Service wurde es daher für viele Fachhändler schwieriger, höhere Preise durchzusetzen. Anfang der 2000er Jahre bündelte Vedes dann das gesamte operative Geschäft der eG in der AG, um in schwierigen Zeiten handlungsfähiger zu bleiben. Das Einkaufsvolumen der gesamten Gruppe wurde dort zusammengelegt, verlustbringende Töchter abgestoßen oder geschlossen, Stellen wurden gestrichen.

Restrukturierung

Märtz, der seit 2004 Vorstandsvorsitzender der Vedes AG ist, hat an vielen Schrauben gedreht, um den Konzern wieder auf Kurs zu bringen. Als der exponierte Stammsitz in der Sigmundstraße zu groß wurde, sollte dort ein Fachhandel für Spielwaren entstehen, der allerdings nie realisiert wurde. Als neuen Standort wählte Märtz schließlich einen Teil des einstigen Grundig-Areals aus, einen Steinwurf vom Nürnberger Messegelände und damit der Spielwarenmesse entfernt. Um Kosten zu senken, verkaufte er die Immobilie wieder, um sie dann nach dem Sale-and-lease-back-Prinzip wieder anzumieten. Dort entstand auch Europas größter Showroom für Spiel, Freizeit und Familie, um Fachhändler für ihr Geschäft zu inspirieren. 2014 übernahm Vedes das operative Großhandelsgeschäft des größeren Konkurrenten Hoffmann Spielwaren in Lotte bei Osnabrück. Dadurch stieg das Unternehmen auch zu einem der führenden Großhandelspartner im europäischen Spielwarenmarkt auf. Konzern-Chef Märtz stieß zudem eine strategische Kooperation mit dem Spielwarenverbund und Mitbewerber „Spiel & Spaß“, einer Tochter der Bielefelder EK/Servicegroup, an. Ziel war es, das größere Einkaufsvolumen in Nürnberg zu bündeln und Vertriebs- und Marketingaktivitäten im Bereich Spielwaren zu konzentrieren. 

Rückkehr in die Gewinnzone

Nach den strategischen Investitionen der letzten Jahre zeigte sich Märtz mit dem abgelaufenen Geschäftsjahr sehr zufrieden. Der Einzelhandelsumsatz der Vedes-Mitglieder (822 Fachhändler mit rund 1 000 Geschäften) kletterte im größten europäischen Spielzeugmarkt Deutschland um über fünf Prozent auf 556 Mio. Euro. Europaweit fiel das Wachstum etwas geringer aus, der Umsatz wird auf 636 Mio. Euro beziffert. Der Großhandelsumsatz verringerte sich um 2,6 Prozent auf 121 Mio. Euro. Als Beleg für die richtige Strategie nannte Märtz auch die „erfreuliche Ergebnisverbesserung“ – das vorläufige Konzernergebnis vor Steuern liegt bei 1,5 Mio. Euro. Damit konnte in den letzten beiden Jahren eine Ergebnisverbesserung von über sieben Mio. Euro erzielt werden. 2014 hatte der Konzernverlust bei 4,2 Mio. Euro gelegen, 2015 lag das Minus noch bei 1,5 Mio. Euro. Die Beschäftigung blieb dabei relativ stabil: In Nürnberg sind 136 der insgesamt 436 Mitarbeiter beschäftigt.

Digitalisierung vorantreiben

Auf der Agenda hat die Vedes nun noch den Ausbau des Logistikzentrums am Standort Lotte, um dort die Kapazität um mehr als 50 Prozent zu erhöhen. Die schnelle Lieferfähigkeit gepaart mit einer leistungsstarken IT ist die Basis für eine Digitalisierungsoffensive, die demnächst starten soll. Bereits jetzt können sich Fachhändler ihre Ladenmodule entsprechend der Trend- und Verkaufszahlen und je nach Verkauf automatisiert bestücken lassen. Mit diesem neuen Angebot der Vedes können Fachhändler mit begrenzten Ladenflächen quasi auf digitale Weise ihre Regale erweitern. Ein im Geschäft platziertes Terminal ermöglicht den Zugriff auf das verfügbare Gesamtsortiment. Die Einkaufsmanager können dadurch mit wenigen Klicks Direktauslieferungen vom Lager über das Warenwirtschaftssystem auf der Online-Bestellplattform veranlassen – auch über Smartphone und Tablet ist das möglich. Die Verknüpfung von stationärem Geschäft mit dem erweiterten Online-Angebot für den Omnichannel-Vertrieb ist für Märtz der „Königsweg der Zukunft“. Was der Geschäftsführer allerdings nicht anstrebt, ist die vollständige Verlagerung des Spielwarenhandels ins Netz. Vielmehr erwartet er zusätzlichen Umsatz für die Fachhändler im Online-Handel, dessen Anteil derzeit bei rund 15 Prozent liegt – Tendenz stark steigend.

Das digitale Konzept soll dabei helfen, auch diejenigen Stammkunden besser zu binden, die nicht zu den regulären Öffnungszeiten einkaufen wollen. Per Klick in das digitale Regal ihres Fachhändlers können sie sich die Ware direkt nach Hause oder in ihren Stammbetrieb liefern lassen, und das innerhalb von 24 Stunden. Das System ist so ausgereift, dass der Online-Einkäufer immer den jeweils aktuellen (Aktions-)Preis seines Händlers angezeigt bekommt. Das mit ersten Pilotgeschäften erfolgreich getestete Multichannel-Konzept könnte über die Zukunftsfähigkeit des inhabergeführten Spielwarenfachhandels mit entscheiden. Noch zeigen sich die Mitglieder allerdings skeptisch über die Verknüpfung des stationären Handels mit dem Online-Angebot. Daher setzt Märtz zunächst ein bescheidenes Ziel für das erste Jahr an: 100 Ladenbesitzer der über 800 Mitglieder sollen sich dem Online-Angebot öffnen.

Externer Kontakt:

tt.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2017, Seite 78

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick