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Gerstacker

Mehr als nur Wintergetränke

Gerstacker Glühwein © Thomas Tjiang

In der Glühwein-Produktion: Geschäftsführerin Stefanie Gerstacker und Ehemann Jörg Toller.

Der Nürnberger Glühweinhersteller produziert nicht nur für die Weihnachtszeit - das Sortiment ist deutlich umfangreicher.

Spätestens wenn es draußen winterlich wird, tritt in Nürnberg ein ungeschriebenes Gesetz in Kraft: Für viele gehören zum vorweihnachtlichen Flair auch Lebkuchen und Glühwein. Der Große unter den Nürnberger Glühweinherstellern ist das Traditionsunternehmen Gerstacker Weinkellerei Likörfabrik GmbH. Um die saisonale Nachfrage bedienen zu können, läuft die Glühweinproduktion bereits im Mai an, denn schon auf dem Nürnberger Herbstmarkt, beim Altstadtfest oder auf der Fürther Michaeliskirchweih sollen Glühweinfreunde auf ihre Kosten kommen.

Friedrich Gerstacker und seine Frau hatten 1945 mit einer kleinen Branntweinfabrik in Fürth den Grundstein gelegt. „Heute sind wir Weltmarktführer“, sagt dessen Enkelin Stefanie Gerstacker selbstbewusst. Sie führt die Geschicke des Familienbetriebs nun seit 2003 in dritter Generation. Das stark saisonal geprägte Geschäft will die Unternehmerin durch zusätzliche Produkte für Frühjahr und Sommer Stück für Stück ausgleichen. Aufgrund der Marktposition versuchen Wettbewerber – gerade in der wachsenden „Glühweinnation Deutschland“ – ihr Marktanteile abzujagen.

Das Kernprodukt, der Nürnberger Glühwein, ist seit 1965 in seiner Rezeptur unverändert. Es wurde damals auf dem Christkindlesmarkt eingeführt und entpuppte sich als ein Kassenschlager. Die geheime Rezeptur wurde auf Basis der Nürnberger Lebkuchen entwickelt. Heute werden hochwertige Rotweine für mindestens 24 Stunden mit der gut gehüteten Gewürzmischung versetzt, die aus mehr als 25 Gewürzen, darunter Anis, Kardamom, Muskatnuss, Gewürznelken, Piment und Zimt besteht. Mittlerweile ist das Glühwein-Sortiment auf zehn Varianten angewachsen. Neben dem Klassiker, dem Nürnberger Christkindlesmarkt-Glühwein, gibt es auch die Geschmacksrichtungen Heidelbeer und Kirsch, einen Glühwein aus Weißwein sowie drei Bio-Varianten. Hinzu kommen als Ergänzung vier alkoholfreie Heißgetränke, etwa der Bio-Kinderpunsch oder der Cranberry-Orangen-Punsch.

Kooperation mit Sterneköchen

Eine Besonderheit ist der Sterne-Glühwein, der zeigt, wie viel Potenzial in dem scheinbar einfachen Produkt steckt: Die beiden Zwei-Sterne-Michelin-Köche des Nürnberger Restaurants Essigbrätlein kreierten aus der spanischen Rotweinrebsorte Tempranillo eine vegane Bio-Premium-Version. Seit der Einführung vor zwei Jahren habe sich dieser Sterne-Glühwein gut am Markt behauptet. Die Produktdifferenzierung ist in der Gerstacker-Unternehmensgruppe Strategie: Als einer der ersten Anbieter bekam sie vor zehn Jahren ihren Bio-Glühwein zertifiziert, ergänzt Jörg Toller, Ehemann von Stefanie Gerstacker. Der mache allerdings noch nicht einmal zehn Prozent des Geschäfts aus. Weiterhin habe man durch die hauseigene Qualität eine Kooperation mit dem Sylter Weinhändler „Sansibar“ eingehen können. Mit dem Fürther Spielzeughersteller Simba-Dickie wurde zudem der alkoholfreie „Safiras Drachen- trunk“ auf den Markt gebracht – ein Fruchtgetränk, auf dem die gleichnamigen Spielzeug-Drachenfiguren abgebildet sind.

Auch wenn beim Glühwein der Grundstoff Wein als Naturprodukt natürlichen Schwankungen unterliegt, Geschmack und Farbdichte müssen immer gleich sein. Entsprechend sorgfältig werden die Rohstoffe eingekauft, um den Qualitätsstandards Rechnung zu tragen. Mit dieser Strategie und der entsprechenden Lieferfähigkeit haben sich die Gerstacker-Produkte auch in den Regalen von Großhandel, Supermärkten und Discountern etabliert. Außerdem werden Restaurants, Hotels und Weihnachtsmärkte im In- und Ausland beliefert. Man wachse mit den Kunden, stellt die Firmenchefin fest.

Geschützter „Nürnberger Glühwein“

Ähnlich wie bei der Nürnberger Bratwurst oder dem Nürnberger Lebkuchen handelt es sich beim Nürnberger Glühwein ebenfalls um eine geografische Herkunftsangabe. Um Trittbrettfahrern auf Kosten der eigenen Markenpolitik das Leben schwer zu machen, hat das Familienunternehmen als eines der Gründungsmitglieder den Schutzverband Nürnberger Glühwein e. V. ins Leben gerufen. Entsprechend hat sich Gerstacker auch für den Thüringer Glühwein mit dem Schutzverband Thüringer Glühwein e. V. engagiert. Im thüringischen Crossen entstand 1995 ein weiteres Werk, wo nicht nur Wintergetränke produziert werden, sondern Sommer- und Herbstgetränke die Sortenvielfalt steigern.

Das gesamte Sortiment umfasst rund 500 verkaufsfähige Artikel. Um das saisonale Übergewicht abzufedern, finden sich u. a. auch Beerenweine, Fruchtseccos, Cocktails, Sahnecocktails, Weinschorlen und Cidre im Programm. Auch Trendgetränke wie Hugo oder Sprizz gehören dazu. Manchmal wird zu einem Jahr getüftelt, um von der Idee eines Produktes zur tatsächlichen Rezeptur mit Rohstoffen und Verarbeitung zu kommen, eventuell mit einer besonderen Flasche. Bei den Billini-Cocktails mit Fruchtmark war es durchaus kompliziert, um nach der Verarbeitung ein in Farbe und Konsistenz stabiles Getränk zu kreieren. Ziel der Gerstacker-Geschäftsführerin ist ein saisonal ausgewogenes Sommer- und Wintergeschäft von rund „50 zu 50“.

In den hochwertigen Bereich gehört auch die Kooperation mit der Medici-Dynastie aus Italien. Besondere Weine in exklusiven Flaschen mit Namen und königlichem Wappen der Medicis haben national und international großen Zuspruch gefunden. Die adelige Familie stellte in ihrer 700-jährigen Geschichte immerhin drei Päpste, Könige und Königinnen.

Technologien und Verfahren teils geheim

Ein Blick in die Halle mit den mächtigen Edelstahltanks ist gestattet, ebenso der Blick in das Labor für die Qualitätssicherung. In der Produktion sind Betriebsfremde nicht so gern gesehen. Gearbeitet wird dort zwar auf Basis handwerklicher Traditionen, die Verfahren und Technologien sind aber oftmals eigenentwickelt und damit teilweise geheim. Hier entstehe der Wettbewerbsvorteil, der auch die Zukunft des Familienunternehmens sichern soll.

In Nürnberg wurde 2007 das heutige Produktions- und Verwaltungsgebäude im Hafengebiet bezogen, doch weil die Kapazitäten kaum mehr ausreichen, soll im nächsten Jahr auf dem gegenüberliegenden Grundstück ein zusätzliches Lager entstehen. „Wir wachsen mit zehn bis 20 Prozent pro Jahr“, berichtet Gerstacker. Am Standort Nürnberg arbeiten fast 80 Mitarbeiter, im thüringischen Crossen sind es noch einmal fast 40. Außerdem werden neun Azubis, u. a. zu Lebensmitteltechnikern, Industriemechanikern sowie Maschinen- und Anlageführern ausgebildet.

Zur Firmengruppe gehören neben der Gerstacker Weinkellerei Likörfabrik auch die St. Lorenz Weinkellerei, die Weico Weinkellerei und die Nürnberger-Wein-Kellerei. Den Umsatz setzt Gerstacker in fränkischer Zurückhaltung im oberen zweistelligen Millionenbereich an. Der Exportanteil liegt bei gut 25 Prozent, wobei Europa der größte Absatzmarkt ist, gefolgt von den USA, die von der Ostküste bis zur Westküste beliefert werden. Weitere Abnehmer finden sich in Russland, Südkorea, Japan und im südamerikanischen Ecuador.

Autor/in: 

tt.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2018, Seite 70

 
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