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Schellenberger

Bürsten aus Bechhofen

Schellenberger Bechhofen © Diane Mayer

Spezialwerkzeug: Michael Schellenberg hält eine Waffenreinigungsbürste in der Hand.

Von der Düse bis zum Reagenzglas: Die Spezialbürsten von Schellenberger kommen für besondere Anwendungsgebiete zum Einsatz.

Die Marktgemeinde Bechhofen mit ihren rund 6 220 Einwohnern gilt als Hochburg der Pinsel- und Bürstenproduktion. Eines der Traditionsunternehmen ist die Schellenberger Bürstenfabrik GmbH, die jedes Jahr knapp 50 Mio. Bürsten herstellt. Michael Schellenberger ist seit Anfang des Jahres Geschäftsführer – er hat eine Ausbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann gemacht und noch einen Abschluss als Betriebswirt obendrauf gesattelt. Nun leitet er den Betrieb zusammen mit seinem Vater Wolfgang in der vierten Generation. Seine Mutter Gisela Schellenberger kümmert sich um die Bereiche Controlling und IT.

„Jede Bürste fängt mit einem Draht an“, sagt Schellenberger bei einem Rundgang durch die Produktion. In den vergangenen beiden Jahren flossen eineinhalb Mio. Euro in neue, vollautomatisierte Maschinen. „Ein Roboter ersetzt keinen Mitarbeiter. Die Konsequenz ist, dass wir Beschäftigte besser qualifizieren“, stellt der Geschäftsführer fest. Im vergangenen Jahr habe sich das Unternehmen sehr schwergetan, überhaupt geeignetes Personal zu finden, Ende des Jahres standen sechs Stellen offen. Doch mittlerweile habe sich die Lage wieder entspannt. Neu für die Mitarbeiter sind weiße große Tafeln vor jeder Abteilung: Sie sind Plattformen für die Beschäftigten, um sich miteinander darüber auszutauschen, welche aktuellen Themen gerade auf den Nägeln brennen. „Bevor die Arbeit beginnt, kommt der Blick auf das Board“, erklärt der Geschäftsführer.

Bürsten für Spezialanwendungen

Wenn es um gedrehte Bürsten geht, hat die Bechhofener Firma in Europa die Nase vorn und ist der größte Hersteller in diesem Bereich. Über 12 000 Artikel hat das Unternehmen im Sortiment, immer wieder kommen neue dazu – je nach Kundenwunsch. 30 Mio. der jährlich produzierten Bürsten sind für den medizinischen Bedarf und kommen in Laboren, Praxen oder Krankenhäusern zum Einsatz, beispielsweise bei der Reinigung von Reagenzgläsern oder Kanülen. Im Bereich Mundpflege fertigt der Betrieb mit 70 Mitarbeitern Interdental- und Zahnbürsten. Weitere Produkte sind unter anderem Lockenwickler, Bürsten für die Reinigung von Milchaufschäumer-Düsen in Kaffeevollautomaten, Lötwasserpinsel oder Waffenbürsten. Im kommenden Jahr erweitert Schellenberger sein Produktsortiment mit Eigenmarken. Der Name Ondosan steht dann für den medizinischen Bereich, Tecspin für den technischen Sektor und Solenda für Bürsten, die im Haushalt Verwendung finden. „Mit einer neuen Maschine können wir im medizinischen Bereich einen sensationellen Preis anbieten, der fast den Produkten aus Asien Konkurrenz macht. Aber wir stehen zusätzlich für deutsche Qualität“, erklärt Michael Schellenberger. Ziel sei, mehr medizinische Produkte auf den Markt zu bringen und mehr entsprechende Messen zu besuchen.

Mit seinem Gewerbe kann der Bürstenhersteller schon auf eine lange Geschichte zurückblicken. Im vergangenen Jahr feierte der Betrieb zwei Tage lang seinen 111. Schnapszahlen-Geburtstag. Gegründet wurde das Unternehmen 1907 von dem damals gerade einmal 21 Jahre alten Johann Schellenberger. Er rief den Betrieb in Bechhofen zusammen mit seiner Frau Maria als „medizinisch-pharmazeutische Pinselfabrik“ ins Leben. 1942 verstarb er überraschend und seine Frau führte das Unternehmen mit 200 Beschäftigten weiter. Sohn Erwin kehrte 1945 aus der Kriegsgefangenschaft zurück und stand vor der Trümmern der Fabrik. Zusammen mit seinem Bruder Richard baute er das Unternehmen wieder auf und konzentrierte sich auf die manuelle Fertigung von Pinseln und gedrehten Bürsten.

Lange Bürstenmachertradition

Der gelernte Maschinenbauer Erwin Schellenberger konstruierte nach und nach Maschinen für die Herstellung größerer Mengen. 1966 stand der Neubau einer Produktionshalle an und 1974 kam ein neues vierstöckiges Verwaltungsgebäude dazu.1982 ging der Familienbetrieb an Hans-Jürgen Schellenberger und damit an die dritte Generation über. Sechs Jahre später kam Cousin Wolfgang Schellenberger als Geschäftsführer dazu. 2001 verlegte das Unternehmen die Produktion von der Feuchtwanger Straße ins Gewerbegebiet in der Rudolf-Diesel-Straße, fünf Jahre später zog die Verwaltung nach. Bis dahin pendelten einige Mitarbeiter auf Fahrrädern zwischen den beiden Standorten. 2008 übernahm Wolfgang Schellenberger die alleinige Geschäftsführung, 2013 entstand ein neues Verwaltungsgebäude.

Die Geschichte des Bürstenmacher-Handwerks in Bechhofen geht allerdings noch viel weiter zurück. Um das Jahr 1790 legte Handwerker Johann Caspar Bühler den Grundstein: In das Kirchenbuch von Königshofen, heute ein Ortsteil von Bechhofen, trug er sich als „Schreinermeister und Pinselmacher“ ein. Er gilt als der Gründer des Feinhaarpinselhandwerks in Deutschland. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts gingen die Feinhaarpinsel aus Bechhofen auf den Weltmarkt, Zulieferer siedelten sich an und der Weg zur Pinselmetropole begann. 1985 gründeten einige Pinsel- und Bürstenmacher aus dem Ort – darunter Erwin Schellenberger – den Verein „Deutsches Pinsel- und Bürstenmuseum“. Ursprünglich war das Museum in einer ehemaligen Pinselfabrik untergebracht, zehn Jahre später erfolgte dann der Umzug in die Dinkelsbühler Straße in einen ehemaligen Gasthof aus dem 17. Jahrhundert. Mehr als 2 500 Ausstellungsstücke zeigt das Museum heute.

Autor/in: 

(dm.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2019, Seite 80

 
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