Telefon: +49 911 1335-1335

Arbeitsrecht

Korrekt mitgeteilt

GettyImages-treety-1141709291 [Konvertiert] © GettyImages/treety

Neue Informationspflichten und Fristen: Zum 1. August 2022 treten wichtige Änderungen im Arbeitsrecht in Kraft.

Die sogenannte „Arbeitsbedingungen-Richtlinie“ der Europäischen Union führt zu Änderungen im deutschen Recht, insbesondere im Arbeitsrecht. Das Europäische Parlament und der Europäische Rat hatten diese „Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union“ (so der offizielle Titel) am 20. Juni 2019 verabschiedet. Die Mitgliedstaaten waren dazu aufgerufen, diese Richtlinie spätestens bis zum 1. August 2022 in nationales Recht umzusetzen. Dem ist der Bundestag nachgekommen, indem er am 23. Juni 2022 in zweiter und dritter Lesung wichtige Gesetzesänderungen, unter anderem im Nachweisgesetz (NachwG), im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) sowie im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) beschlossen hat.

Das Nachweisgesetz regelt unter anderem, wie der Arbeitgeber über wesentliche Konditionen des Arbeitsverhältnisses unterrichten muss. Meistens werden diese schon im Arbeitsvertrag festgehalten. Das geänderte Gesetz sieht ab 1. August 2022 einen breiteren Geltungsbereich sowie einen detaillierteren Katalog an Aufklärungspflichten vor. Außerdem werden die Fristen für die Information des Arbeitnehmers verkürzt und erstmalig auch Vorschriften mit aufgenommen, die bußgeldbewerte Ordnungswidrigkeiten beinhalten.

vorübergehende Aushilfen: Das NachwG wird künftig auch für vorübergehende Aushilfen gelten, die höchstens einen Monat eingestellt werden. Die bisherige Ausnahme für solche kurzen Beschäftigungsverhältnisse ist daher vom Tisch.

Formvorschriften: Es bleibt bei der Pflicht, die Bedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer im Original auszuhändigen.

neue Fristen und Mitteilungspflichten für die Arbeitgeber: Bisher reichte es aus, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Vertragsbedingungen innerhalb eines Monats nach Arbeitsbeginn schriftlich mitgeteilt hat. Nun gibt es drei verschiedene Stufen an Fristen:

Die neuen „Kernbedingungen“ müssen bereits am ersten Tag der Arbeitsleistung schriftlich ausgehändigt werden (Name und Anschrift des Vertragspartners, Zusammensetzung des Arbeitsentgelts, vereinbarte Arbeitszeit). Dabei sind in Zukunft auch die Vergütung der Überstunden anzugeben, die Art der Auszahlung des Gehalts sowie vereinbarte Ruhepausen und -zeiten. Bei Schichtarbeit müssen nun auch das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen dargelegt werden.

Anschließend beginnt eine Sieben-Tage-Frist, bis zu deren Ablauf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer weitere Bedingungen schriftlich nachzuweisen hat. Diese waren teilweise bereits im alten NachwG vorgesehen (z. B. Beginn des Arbeitsverhältnisses, Ort der Tätigkeit und Tätigkeitsbeschreibung). Außerdem müssen jetzt nach der neuen Gesetzeslage innerhalb der sieben Tage folgende Informationen mitgeteilt werden: die Dauer einer vereinbarten Probezeit, bei Arbeit auf Abruf deren „Modalitäten“ sowie im Falle einer Überstundenvereinbarung die Möglichkeiten und Voraussetzungen, die für die Anordnung von Überstunden gelten. Die Bedingungen der alten Fassung wurden zudem konkretisiert: Bei einem befristeten Arbeitsverhältnis muss nicht nur der Arbeitsbeginn, sondern auch das Enddatum angegeben werden. Bei freier Wahl des Arbeitsortes muss auf diese Wahlmöglichkeit hingewiesen werden.

Die übrigen Vertragsbedingungen müssen innerhalb eines Monats nach Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgehändigt werden. Dies betrifft folgende Angaben, die schon nach der alten Fassung vorgesehen waren: Urlaubsdauer, Kündigungsfrist und Hinweis auf Tarifverträge sowie auf Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Neu kommen jetzt folgende Angaben hinzu: Anspruch auf Fortbildungen, die vom Arbeitgeber bereitgestellt werden, und die Kontaktdaten des Versorgungsträgers, falls eine betriebliche Altersversorge vereinbart wird. Die Angabe der Kündigungsfrist allein genügt nicht mehr. Neu wird sein, dass zusätzlich das einzuhaltende Verfahren (mindestens das Erfordernis der Schriftform) und die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage dargelegt werden müssen.

Sind während eines laufenden Arbeitsverhältnisses Änderungen der Arbeitsbedingungen geplant, müssen diese künftig am Tag, an dem diese wirksam werden, mitgeteilt werden. Die Monatsfrist findet keine Anwendung mehr. Auf die verschiedenen dargestellten Fristen wird im Gesetz nicht explizit verwiesen, sodass für jegliche geänderte Bedingungen – gemäß dem Wortlaut des Gesetzes – der erste Geltungstag maßgeblich ist.

Auslandstätigkeiten: Bei einem Arbeitnehmer, der länger als vier Wochen (bisher einen Monat) im Ausland arbeitet, sind nach wie vor besondere Vorschriften und auch neue Mitteilungspflichten zu beachten. Die Niederschrift bei solchen Auslandseinsätzen muss dem Arbeitnehmer wie bisher vor seiner Abreise ausgehändigt werden. Wenn der Auslandseinsatz unmittelbar zu Beginn des Arbeitsverhältnisses stattfinden soll, kann dies dazu führen, dass sich die genannten Nachweisfristen verkürzen.

Arbeitsverhältnisse, die vor dem 1. August 2022 abgeschlossen wurden: Die Änderungen gelten zwar nur für neue Arbeitsverhältnisse ab dem 1. August 2022. Wenn aber ein Arbeitnehmer, der bereits vor diesem Zeitpunkt in einem Arbeitsverhältnis stand, dies verlangt, muss ihm die Niederschrift mit den genannten neuen Mitteilungspflichten bis zum siebten Tag nach seiner Aufforderung vorgelegt werden.

Geldbuße droht: Von besonderer Bedeutung für die betriebliche Praxis ist, dass Verstöße gegen das NachwG strafbewehrt sein werden. Es droht eine Geldbuße von bis zu 2 000 Euro, wenn überhaupt keine Aushändigung bzw. Mitteilung erfolgt oder wenn diese nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig passiert.

Regelungen zur Probezeit: Im Hinblick auf die Aufnahme der Probezeitdauer in das NachwG ist auch eine Änderung im Teilzeit- und Befristungsgesetz relevant: Bei befristeten Arbeitsverhältnissen darf nämlich die Probezeit nicht mehr – wie üblich – starr maximal sechs Monate betragen. Sie muss ab 1. August 2022 im Verhältnis zu der Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen. Demnach muss im Einzelfall geprüft werden, welche Dauer der Probezeit noch angemessen ist. Diese muss entsprechend vereinbart und dem Arbeitnehmer mitgeteilt werden.

Arbeit auf Abruf: Bei Arbeit auf Abruf ist der Arbeitgeber laut TzBfG künftig verpflichtet, den Zeitrahmen, bestimmt durch Referenzstunden und Referenztage, festzulegen, in dem auf seine Aufforderung hin Arbeit stattfinden kann. Wird kein Zeitrahmen festgelegt oder soll Arbeit außerhalb des Zeitrahmens erfolgen, kann die Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer verweigert werden.

neue Regelungen für Leiharbeiter: Die Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht bringt auch Änderungen für Leiharbeiter mit sich, die dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zu entnehmen sind. So gilt für den Verleiher ab dem 1. August 2022 eine bußgeldbewerte zusätzliche Informationspflicht. Er muss dem Leiharbeiter die Firma und Anschrift des Entleihers in Textform (also auch per E-Mail möglich) mitteilen.

Eine neue Pflicht gibt es gemäß AÜG ab 1. August 2022 auch für die Entleiher: Einem Leiharbeiter, den er seit mindestens sechs Monaten im Zuge der Arbeitnehmerüberlassung beschäftigt und der ihm in Textform den Wunsch nach dem Abschluss eines Arbeitsvertrages angezeigt hat, muss er innerhalb eines Monats eine begründete Antwort in Textform zukommen lassen.

Bedeutung für die Praxis und Kritik

Der Katalog an Arbeitsbedingungen, die dem Arbeitnehmer dargelegt werden müssen, wurde also ausgeweitet. Die Arbeitgeber sollten also sämtliche Arbeitsverträge überprüfen und die neuen Arbeitsbedingungen in den Verträgen bei Neueinstellungen ergänzen. Zwar müssen für Verträge, die vor dem 1. August 2022 in Kraft getreten sind, nur nach Aufforderung des Arbeitnehmers die neu hinzu gekommenen Arbeitsbedingungen ausgehändigt werden. Jedoch ist die Sieben-Tages-Frist sehr knapp bemessen. Es ist deshalb empfehlenswert, die Verträge im Vorfeld zu kontrollieren und entsprechende Ergänzungen vorzubereiten oder die Mitteilungen gleich auszuhändigen, um das Risiko eines Bußgeldes zu minimieren bzw. auszuschließen.

Wahrscheinlich werden die Arbeitgeber von den verschiedenen Fristen nur im Notfall Gebrauch machen. Aus praktischen Gründen werden sie den Arbeitnehmern wohl in der Regel alle Arbeitsbedingungen, die das neue NachwG vorsieht, bereits im Rahmen der ersten Frist aushändigen. Die weiteren Fristen werden in der Praxis vermutlich lediglich genutzt, wenn bestimmte Arbeitsbedingungen bei Vertragsschluss noch nicht bekannt sind. Der Arbeitgeber muss bedenken, dass er im Falle eines Arbeitsprozesses die Darlegungs- und Beweislast trägt, dass er den Arbeitnehmer zutreffend unterrichtet hat. Sollte er diesen Beweis nicht erbringen können, könnten ihm gegenüber Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden.

Im Gesetzgebungsverfahren hatten Verbände der Wirtschaft gemahnt, der Gesetzgeber dürfe kleine und mittlere Betriebe nicht benachteiligen und müsse diese bei der Umsetzung unterstützen. Das Gesetz unterscheidet jedoch nicht zwischen verschiedenen Betriebsgrößen. Dies stößt vielfach auf Unverständnis, denn der Gesetzgeber geht in seiner Prognose von der unwahrscheinlichen Vorstellung aus, dass lediglich zehn Prozent der Unternehmen ihre Musterverträge anpassen müssen. Vom Umstellungsaufwand dürften deshalb kleinere Betriebe besonders betroffen sein. Zwar sind viele der neuen Bedingungen – wie z. B. die Probezeit – schon jetzt in den meisten Arbeitsverträgen verankert und auch die Vorschriften für atypische Arbeitsverträge (Arbeit auf Abruf und ähnliche) betreffen nur einen geringen Teil der Arbeitsverträge, jedoch wird wohl in den allerwenigsten Verträgen der notwendige Hinweis auf die Frist für die Kündigungsschutzklage zu finden sein.

Letztlich wäre eine höhere Flexibilität beim NachwG wünschenswert gewesen. Ebenso wäre die Zwei-Fristen-Regelung der EU-Richtlinie ausreichend gewesen, um Arbeitsbedingungen, die später bekannt werden, nachholen zu können. Der deutsche Gesetzgeber hat stattdessen der praxisfernen Drei-Fristen-Regelung den Vorzug gegeben. Außerdem bleibt es bedauerlicherweise bei der schriftlichen Mitteilungspflicht. Eine Mitteilung auch in Textform (also z. B. per E-Mail) hätte die Handhabe erleichtert, stattdessen blieb die Schriftform (also Aushändigung des Originals). Die Arbeitgeber sollten sich also möglichst umgehend auf die neuen und komplexen Regelungen vorbereiten.

Autor/in: 

Thomas Lausenmeyer ist Rechtsanwalt und Associate Partner bei der Rechtsanwalts-, Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rödl & Partner in Nürnberg (thomas.lausenmeyer@roedl.com, www.roedl.com).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2022, Seite 14

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick