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Keine wie die andere

Elf Ballungsräume führen in Deutschland den Titel "Europäische Metropolregion". Trotz vieler Unterschiede eint sie mehr als der gemeinsame Name.

Als die deutsche Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) im Jahr 1995 das Konzept der "Europäischen Metropolregionen in Deutschland" beschloss, reagierte sie auf die Herausforderungen, mit denen sich die Bundesrepublik nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Vollendung des europäischen Binnenmarkts konfrontiert sah. Der Begriff "Metropolregion" an sich war nicht neu – neu war der konkrete Europabezug. Denn die Leitidee hinter diesem Konzept lautet, nicht nur Deutschland und seine Regionen, sondern auch Europa fit zu machen für den globalen Wettbewerb und zugleich die europäische Einheit zu beschleunigen. Gut zehn Jahre später, im Sommer 2006, legte die MKRO die neuen "Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland" vor. Die "Europäischen Metropolregionen" spielen darin eine hervorgehobene Rolle – aus dem Konzept ist politische Realität geworden.

Metropolregionen statt Metropole
Heute spannt sich ein Netz von elf "Europäischen Metropolregionen" über nahezu das gesamte Bundesgebiet. 1995 hatte die Ministerkonferenz zunächst sechs Standorte von internationaler Bedeutung mit dem neuen Titel ausgezeichnet: Berlin-Brandenburg, Hamburg, München, Rhein-Ruhr, Frankfurt/Rhein-Main und Stuttgart. Bis 2005 kamen fünf weitere hinzu: erst Halle-Leipzig/Sachsendreieck, dann Bremen-Oldenburg, Hannover-Braunschweig-Göttingen, Nürnberg und Rhein-Neckar. Sie mussten sich, anders als die ersten sechs, ihren neuen Status teils hart erkämpfen, überzeugten aber schließlich durch ihre "metropolitanen" Eigenschaften: ihre wirtschaftliche Stärke, ihre Innovationskraft und ihre gute Einbindung in transnationale Verkehrsnetze. Nur wer diese Eigenschaften erfüllt – im wissenschaftlichen Diskurs "Entscheidungs- und Kontrollfunktion", "Innovations- und Wettbewerbsfunktion", "Gateway"- und "Symbol-Funktion" genannt –, wird von der MKRO zur "Europäischen Metropolregion in Deutschland" ernannt. Allerdings sind diese Funktionen unterschiedlich stark ausgeprägt: So sticht Berlin als Regierungssitz hervor, Frankfurt als internationales Finanzzentrum und Hamburg als herausragender Verkehrsknotenpunkt. Eine dominierende Metropole, die sämtliche Funktionen auf Spitzenniveau vereint, gibt es in Deutschland nicht. Und das unterscheidet Deutschland von stark zentralistisch geprägten Staaten wie Frankreich und England. Aus Sicht der Europapolitik ein Vorteil. Schließlich fordern – und fördern – die aktuellen EU-Strategien ein europaweites Netz starker Zentren, die arbeitsteilig miteinander kooperieren. Eine "Europäische Metropolregion" hat jedoch nicht automatisch Anspruch auf nationale oder europäische Fördermittel. Dass der Titel so begehrt ist, hat vielmehr mit seiner besonderen Wirkung zu tun – nach innen als integrativer Motor und nach außen als anerkanntes Gütesiegel.

Vielfalt unter gleichem Namen
Ein Blick auf die Strukturdaten der elf Metropolregionen zeigt, dass sie sich bereits in ihrer Bevölkerungszahl, Wirtschaftskraft und Wachstumsrate stark voneinander unterscheiden. Dabei spielen Aspekte wie die geografische Lage und etablierte Gewerbezweige eine wichtige Rolle. So präsentiert sich die Metropolregion Bremen-Oldenburg als maritime Zukunftsregion und der Großraum Nürnberg als traditionsreiches Tor nach Osteuropa, Stuttgart steht für Automobilbau und München für Lebensqualität.

Ganz verschieden sind auch Art und Umfang der regionalen Kooperationen sowie die internen Strukturen – formale Vorgaben von staatlicher Seite gibt es hierfür nicht: Was eine Region daraus macht, eine Metropolregion zu sein, und auch, wie sie es macht, bleibt ihr selbst überlassen. Manche Metropolregionen setzten das Konzept von Anfang an sehr aktiv um, etwa Hamburg und Stuttgart. Andere, wie München, besannen sich erst später auf die Vorzüge der übergreifenden Zusammenarbeit, und wieder andere formieren sich mittlerweile neu, so die Metropolregion Ruhr. Was die organisatorischen Formen der "metropolitanen Governance" betrifft, werden derzeit verschiedene Modelle erprobt – von der auf Landesebene eingeführten gesetzlichen Verpflichtung der Zusammenarbeit wie in Stuttgart, über die Bildung von Gesellschaften wie der "Metropolregion Rhein-Neckar GmbH" bis zur Konsensgemeinschaft mit Rat und Foren bzw. Arbeitsgruppen, die sich zum Beispiel in den Metropolregionen Hamburg und Nürnberg bestens bewährt. Und das hat Schule gemacht: Seit 2007 organisiert sich auch die Metropolregion München nach diesem demokratischen Modell freiwilliger Zusammenarbeit, in dem Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft die Geschicke der Metropolregion leiten.

Was die deutschen Metropolregionen trotz der Unterschiede eint, ist ihr gemeinsames Ziel, das weit über die regionalen und nationalen Grenzen hinausreicht: ein zukunftsweisendes Deutschland in einem starken Europa zu schaffen.

Die elf "Europäischen Metropolregionen in Deutschland"

Tabelle Metropolregionen in Deutschland

Im Jahr 2001 wurde der "Initiativkreis Europäische Metropolregionen in Deutschland (IKM)" gegründet, dem mittlerweile alle elf Metropolregionen angehören. Der IKM fördert die Zusammenarbeit der deutschen Metropolregionen und vertritt ihre Interessen nach außen. Sprecherregion ist derzeit die Metropolregion Stuttgart. Mehr zum IKM finden Sie unter: www.deutsche-metropolregionen.org.

Tipp: Die Broschüre "Initiativkreis Europäische Metropolregionen in Deutschland", Werkstatt: Praxis Heft 52, hrsg. v. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Bonn 2007, informiert ausführlich über die Arbeit des IKM und die elf deutschen Metropolregionen. Sie ist kostenfrei über das BBR zu beziehen (www.bbr.bund.de).

Autor/in: 
Dr. Janette Witt
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2008, Seite 16

 
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