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Arbeitnehmer haben jetzt Anspruch auf eine Gehaltsumwandlung

Das wichtigste Element der jüngst verabschiedeten Rentenreform ist die Weichenstellung hin zu weniger Umlage und mehr Kapitaldeckung in der Altersvorsorge. Geringere gesetzliche Renten sollen ausgeglichen werden entweder durch eine stärkere private oder aber durch die betriebliche Altersvorsorge. Die betriebliche Altersvorsorge wird dabei ab 1. Januar 2002 aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen einen neuen Schub erhalten: Denn von diesem Tag an haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Gehaltsumwandlung zugunsten einer betrieblichen Altersvorsorge.
Unternehmen sind zwar nicht verpflichtet, einen finanziellen Beitrag für die betriebliche Altersvorsorge zu leisten, sie müssen aber ihren Mitarbeitern ein betriebliches Angebot zur Altersvorsorge vorlegen können. Insbesondere für viele kleine und mittlere Unternehmen wird das zu einer neuen Situation und zur erstmaligen Befassung mit dem Thema der betrieblichen Altersvorsorge führen.

Die wesentlichen Änderungen:
1. Recht auf Entgeltumwandlung
Arbeitnehmer haben ab diesem Jahr einen gesetzlichen Anspruch auf Entgeltumwandlung in Höhe von maximal vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung, d.h. ab 2002 2.160 Euro pro Jahr (alte Bundesländer). Ansprüche auf eine Altersvorsorge aus Entgeltumwandlung sind im Unterschied zur arbeitgeberfinanzierten Vorsorgeleistung sofort unverfallbar – da sie ja aus Arbeitnehmereinkommen finanziert werden.

2. Tarifvorbehalt bei Entgeltumwandlung
Das Recht auf Entgeltumwandlung steht dabei unter einem so genannten Tarifvorbehalt. Dieser besagt, dass tariflich vereinbarte Lohnbestandteile nur für eine Umwandlung genutzt werden können, wenn dies durch den Tarifvertrag vorgesehen oder zugelassen ist. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass ein Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Entgeltumwandlung in jedem Fall geltend machen kann, wenn er nicht tarifgebunden ist oder aber es sich im Fall der Tarifbindung um übertarifliche Lohn- und Gehaltsbestandteile handelt. Es ist aber zu erwarten, dass auch in den Tarifverträgen schon bald zumindest einfache Öffnungsklauseln verankert werden, um diese Entgeltumwandlung zu ermöglichen. Um zugleich Missverständnisse zu vermeiden, die mit dem Begriff des „Tarifvorrangs“ verknüpft sind, sei auf Folgendes hingewiesen: Der Tarifvorrang bedeutet nicht, dass tarifvertragliche Regelungen die Mitarbeiter an die betriebliche Altersversorgung binden. Es bleibt ihnen vielmehr in jedem Fall unbenommen, die staatliche steuerliche Förderung für die private Altersvorsorge anstatt für die betriebliche Altersvorsorge zu nutzen.

3. Entscheidung über Vorsorgeform bei Unternehmen
Tarifverträge werden voraussichtlich Angebote zur betrieblichen Altersvorsorge enthalten und in diesem Sinne auch eine Service-Funktion vor allem für kleine und mittlere Betriebe wahrnehmen, da diese sich dann nicht in jedem Einzelfall um eine betriebliche Lösung bemühen müssen. Generell kann ein Unternehmen seinen Arbeitnehmern aber auch ein individuelles Angebot aus dem Bouquet an Vorsorgeformen machen: Das reicht von Kapital- und Rentenversicherungsprodukten über Investmentfonds, Direktversicherungen, Pensionskassen bis hin zu den neuen Pensionsfonds. Bietet das Unternehmen den Mitarbeitern eine der genannten Varianten für die Entgeltumwandlung an, so hat der Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit, eine andere Variante zu verlangen. Wenn der Arbeitnehmer mit dem konkreten Angebot seines Arbeitgebers nicht einverstanden ist, kann er stattdessen ausweichen auf die Förderung der privaten Altersvorsorge im Rahmen des Einkommensteuergesetzes. Falls keine andere Form seitens des Betriebs angeboten wird, hat der Arbeitnehmer nach der neuen gesetzlichen Regelung einen Anspruch auf Abschluss eines Direktversicherungsvertrages. Auch in diesem Fall bleibt die Wahl des konkreten Versicherungsunternehmens aber Sache des Unternehmens.

4. Neue steuer- und sozialversicherungsrechtliche Rahmenbedingungen
Die Förderung der Entgeltumwandlung in der betrieblichen Altersvorsorge sieht im Regelfall so aus, dass ab 2002 bis zu vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze steuerfrei sein können, soweit sie für die betriebliche Altersversorgung eingesetzt werden. Steuerfrei bedeutet in diesem Fällen immer Steuerfreiheit in der Ansparphase, nicht aber in der Auszahlungsphase im Alter. Hinzu kommt als Vorteil bei der Entgeltumwandlung, dass bis 2008 in begrenztem Umfang eine Sozialabgabenfreiheit gegeben ist – und zwar sowohl für die Direktversicherung als auch für die Pensionskasse und den Pensionsfonds. Nach 2009 besteht diese Sozialabgabenfreiheit für Aufwendungen aus Entgeltumwandlungen nicht mehr. Es bleibt aber dabei, dass auch nach 2009 Aufwendungen des Arbeitgebers für die betriebliche Altersvorsorge steuer- und beitragsfrei erfolgen können – und zwar in unbegrenzter Höhe durch Rückstellungen im Rahmen einer Direktzusage oder Zuwendungen in eine Unterstützungskasse.

5. Förderung auch über Einkommensteuerrecht
Der Arbeitnehmer kann für seine aus Entgeltumwandlung finanzierte Altersvorsorge auch die steuerliche Förderung (nach § 10a Einkommensteuergesetz) über Sonderausgabenabzug und Zulage wählen, die ansonsten für die private Altersvorsorge vorgesehen ist. Diese Möglichkeit ist jedoch beschränkt auf die Pensionskasse, die Direktversicherung und den Pensionsfonds. Diese neue steuerliche Förderung kann aber immer nur alternativ entweder für einen privat abgeschlossenen Vorsorgevertrag oder für eine betriebliche Altersvorsorge in Anspruch genommen werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass im Rahmen der Förderung über das Einkommensteuergesetz im Jahr 2002 zunächst nur Altersvorsorgeaufwendungen bis zu einem Prozent der Beitragsbemessungsgrenze geltend gemacht werden können; dieser Satz steigt erst langsam bis 2008 auf vier Prozent an. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der höchstmögliche Sonderausgabenabzug nach 2008 im Unterschied zur speziellen Förderung der betrieblichen Altersvorsorge nominal konstant bleibt. Die steuerliche Förderung über das Einkommensteuergesetz dürfte damit für Arbeitnehmer nur in solchen Fällen attraktiver sein, wo aufgrund von Familienstand und Kinderzahl Anspruch auf eine vergleichsweise hohe Zulage besteht.

6. Neue Formen der betrieblichen Altersversorgung
Neben den bereits bestehenden Durchführungswegen (Direktzusage, Unterstützungskasse, Direktversicherung, Pensionskasse) wird zum 1. Januar 2002 mit den Pensionsfonds ein fünfter Durchführungsweg zur Verfügung stehen. Dieser ähnelt am ehesten der Pensionskasse. Der Pensionsfonds eröffnet aber neue Möglichkeiten insbesondere im Hinblick auf ein an internationalen Maßstäben orientiertes Anlagemanagement. Während für Direktversicherungen und Pensionskassen strenge quantitative Anlegegrundsätze bestehen, werden die Pensionsfonds höhere Aktienquoten vorsehen können.

7. Neue Beitragszusage mit Mindestleistung
Gleichzeitig besteht in Zukunft die Möglichkeit, für eben diese Pensionsfonds, aber auch für Direktversicherungen und Pensionskassen, eine Beitragszusage mit Mindestleistung vorzusehen. Im Unterschied zu den Zusagen bisheriger Art, den so genannten Leistungszusagen, garantieren die Altersvorsorgeeinrichtungen in diesen Fällen nur, dass zum Auszahlungszeitpunkt die nominal eingezahlten Beiträge zur Verfügung stehen. Solche Versorgungszusagen sind möglich im Rahmen der Entgeltumwandlung, sie sind aber insbesondere aber auch ein Angebot für Fälle, in denen den Mitarbeitern unter Nutzung der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Möglichkeiten eine unternehmensfinanzierte Vorsorge angeboten werden soll. Die Beitragszusage mit Mindestleistung ist in diesen Fällen ein geeignetes Instrument, um finanzielle Unwägbarkeiten zu vermeiden. Insbesondere gibt es naturgemäß keine gesetzliche Pflicht zur Anpassung, d.h. Erhöhung der ausgezahlten Leistungen - wie sie bei jeglicher Form einer Leistungszusage besteht.
Die Neuregelungen zur betrieblichen Altersvorsorge enthalten nach Auffassung der IHK-Organisation Chancen und Risiken. Zum einen kommt durch die Komplexität der steuerlichen und beitragsrechtlichen Förderung in vielen Fällen ein zusätzlicher Aufwand auf kleine und mittlere Betriebe zu. Zum anderen bieten die neuen Regelungen Möglichkeiten, eine betriebliche Altersvorsorge einzuführen, die für Unternehmen und Mitarbeiter gleichermaßen interessant sein kann.
Gerade für kleine und mittlere Betriebe empfiehlt sich dabei die Zusammenarbeit mit externen Service-Anbietern. Das können zum einen Arbeitgeberverbände sein, die im Rahmen von Tarifverträgen Standardlösungen anbieten. Das sind zum anderen Banken, Investmentfonds und Versicherungen, die maßgeschneiderte Lösungen für diesen neustrukturierten Markt der betrieblichen Altersvorsorge entwickeln.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2002, Seite 8

 
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