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Wie kann der Mittelstand das Rating als Chance nutzen?

WiM: Der deutsche Mittelstand hat auf das Basel II-Abkommen sehr kritisch reagiert. Was genau steckt dahinter?

Dr. Bernd Rödl Basel II regelt die Eigenkapitalhinterlegung von Bankkrediten neu. Bisher mussten Kredite durch die Banken pauschal mit acht Prozent Eigenkapital hinterlegt werden. Künftig ist dies von der Bonität des Kreditnehmers abhängig. Die Bonität wird in dem so genannten Rating, also der Bewertung des Unternehmens durch die Bank oder eine externe Agentur, festgestellt. Diese Regelung gilt in allen G 10-Staaten und schafft so gleiche Wettbewerbsstandards für die internationale Kreditwirtschaft.

Es handelt sich also zunächst um eine interne Reform der Kreditwirtschaft?

Ja, und diese war auch aus Sicht der Banken bitter nötig. Wir haben bei der SchmidtBank gesehen, wie schnell eine traditionsreiche, eingesessene Bank an den Rand der Zahlungsfähigkeit geraten kann. Basel II ist dazu da, die Risikovorsorge der Banken auf eine neue, solide Grundlage zu stellen.

Zum Nachteil des deutschen Mittelstands?

Die Banken geben ihre Probleme direkt an die Kreditnehmer weiter. So wird das Eigenkapitalproblem der Banken zum Fremdkapitalproblem des Mittelstands. Es ist ja bekannt, dass wir in Deutschland ein Verhältnis von 20 zu 80 zwischen Eigen- und Fremdkapital haben. In den USA ist das Verhältnis umgekehrt. Basel II wird ein weiterer Katalysator sein, der dieses Verhältnis verändern wird. Dies muss kein Nachteil für den Mittelstand werden. Im Gegenteil, ich sehe im Rating eine große Chance.

Rating als Chance? Wie begründen Sie das?

Zunächst einmal wird endlich die Kreditvergabe in Europa transparent. Unternehmen werden künftig nach allgemein gültigen, nachvollziehbaren und einsehbaren Kriterien bewertet. Wer mit seinem Rating nicht einverstanden ist, kann etwas dagegen tun. Bisher war der Unternehmer viel zu stark vom Wohlwollen des Kundenberaters seiner Bank abhängig. Zweitens besteht durchaus die Chance, als wachstumsstarkes, innovatives Unternehmen günstigere Kredite zu erhalten als früher. Und drittens kann ein gutes Rating auch als Werbung gegenüber Kunden, Geschäftspartnern und Mitarbeitern eingesetzt werden. Schon jetzt hat sich Rating beispielsweise in der Versicherungsbranche zu einem wichtigen Auswahlkriterium entwickelt.

Wie kann ein Unternehmer den Rating-Prozess angehen?
Jedes Unternehmen muss sich auf sein Rating möglichst gut vorbereiten. Ich rate dazu, als erstes Einsicht in das bankeninterne Rating der Hausbank einzufordern und dieses genau zu prüfen. Dann kommt die weit wichtigere und anspruchsvollere Aufgabe: Es muss genau analysiert werden, wo die Potenziale für die Verbesserung des Ratings liegen. Wir nennen das „Fitness-Check“. Alle Bereiche von den Finanzen über die Risikovorsorge und das Controlling bis hin zur Zukunftsfähigkeit von Produkten müssen durchleuchtet werden. Auf dieser Grundlage müssen dann entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung umgesetzt werden, es folgt also - wie wir das nennen - das „Fitness“-Programm.
Hört sich an nach „Mittelstand trainiert für Olympia“?

Exakt. Der Mittelstand muss und er wird besser werden! Wo die Probleme liegen, ist allseits bekannt. Nehmen wir nur das Problem der Unternehmensnachfolge. Ein eigentümergeführtes Unternehmen kann es sich nicht leisten, diese Frage nach hinten rauszuschieben. Im Kern geht es darum, einen Businessplan für jedes Unternehmen zu entwickeln. Und dieser muss so formuliert und gestaltet sein, dass er die Investoren überzeugt. Es ist also notwendig, die Perspektive des Kreditgebers und Analysten einzunehmen. Dies ist für einen großen Teil des Mittelstands ein weithin unbekanntes Terrain, das es zu erobern gilt.
Bundeskanzler Schröder setzt sich gerade dafür ein, Basel II zu verhindern. Kann abgewartet werden?

Ich warne entschieden davor, sich auf diesen Äußerungen auszuruhen. Basel II ist eine Regelung der internationalen Kreditwirtschaft, auf die nationale Regierungen nur marginalen Einfluss haben werden. Basel II tritt 2005 - allenfalls mit kleinen Änderungen - in Kraft. Und für das Rating sind die Bilanzen der zurückliegenden drei Jahre relevant. Davon unabhängig nutzen die großen Geschäftsbanken bereits jetzt Basel II-konforme Rating-Systeme. Dies bekommen immer mehr Unternehmen schmerzhaft zu spüren. Das heißt im Klartext: Die Vorbereitung auf das Rating hätte schon längst beginnen müssen.

Wie ist Rödl & Partner von Basel II und Rating betroffen?

Wir haben ein Kompetenzcenter Rating aufgebaut, das sich darauf spezialisiert hat, Unternehmen auf das Rating vorzubereiten. Alle unsere Mitarbeiter wurden intensiv zum Thema Rating geschult. Als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sehen wir uns in der Pflicht, unsere Mandanten in Fragen der Finanzierung zu unterstützen. Das haben wir schon immer getan - mit dem Rating werden aber jetzt die Voraussetzungen wesentlich klarer. Im Bereich der so genannten New Economy haben wir schon viel Erfahrung in diesem Bereich sammeln können. Dort geht es ständig um die Finanzierung, von Business Plänen über Venture Capital bis hin zum Börsengang oder Unternehmensverkauf. Mit dem Rating wird die in meinen Augen ohnehin nur scheinbare Kluft zwischen Old und New Economy endgültig geschlossen.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2002, Seite 16

 
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