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IHK-Organisation erreicht Zugeständnisse an den Mittelstand

IHK-Forderungen
Die IHK-Organisation hat sich mit verschiedenen Stellungnahmen von Beginn an dafür eingesetzt, dass die Baseler Richtlinie mittelstandsfreundlich gestaltet werden muss. Noch im zweiten Konsultationspapier, das der Ausschuss im Januar 2001 vorlegte, war dies nicht hinreichend gegeben. Viele mittelständische Unternehmen befürchten seither durch Basel II eine pauschale
Verschlechterung ihrer Finanzierungsbedingungen, der sie schutzlos ausgeliefert sind. Hinzu kommt, dass seit einiger Zeit der verschärfte Wettbewerb auf den Finanzmärkten die Kreditinstitute zu einer stärkeren Margenorientierung treibt. Medienberichte über den drohenden „Credit crunch“ im Mittelstand interpretierten diese Entwicklung stets als Vorwegnahme der Baseler Pläne. Viele Mittelständler sahen sich folglich als Verlierer der Baseler Beschlüsse, ohne dass diese bereits in Kraft getreten waren.

Eine Reihe von Nachteilen beseitigt
Die breite Verunsicherung machte es aber auch den Regierungen von Bund und Ländern leicht, eigene Versäumnisse in der Mittelstandspolitik hinter dem Schreckgespenst Basel II zu verstecken. Nun scheint es, als ob diese Tarnung auffliegen wird. Denn der Baseler Ausschuss hat den berechtigten Belangen kleiner und mittlerer Unternehmen in Deutschland Rechnung getragen. Der im Ausschuss erzielte Kompromiss sieht unter anderem folgende Regelungen vor:

  • Firmen-Kleinkredite unter einer Mio. Euro können nun gebündelt und mit einer geringeren Eigenkapitalsumme unterlegt werden. Je nach der Wahl des Ratingansatzes und der Bonität des Portfolios werden Kapitalanforderungen für Banken von 0,4 bis 6,2 Prozent erwartet – und damit deutlich weniger als die bisher pauschal veranschlagten acht Prozent. Auf diese Weise kann die Kreditversorgung wesentlicher Teile (die deutsche Verhandlungsdelegation spricht von bis zu 95 Prozent) der mittelständischen Wirtschaft gesichert und der Bürokratieaufwand der Kreditinstitute im Zusammenhang mit Basel II verringert werden.
  • Bei größeren Firmenkrediten können die Institute für Unternehmen mit bis zu 50 Mio. Euro Jahresumsatz in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße prozentuale Abschläge von der Gewichtung des Kreditrisikos vornehmen. Je kleiner das Unternehmen, umso größer ist der Abschlag. Mit verminderter Risikogewichtung nimmt auch die Höhe des vom Kreditinstitut zu unterlegenden Eigenkapitals ab: Schätzungen gehen von einer Ersparnis von 10 bis 20 Prozent gegenüber Krediten an Großunternehmen mit gleicher Ausfallwahrscheinlichkeit aus.
  • Die nationale Finanzaufsichtsbehörde kann beschließen, Kredite an Unternehmen mit einem Jahresumsatz und einer Bilanzsumme von unter 500 Mio. Euro von Zuschlägen zur Eigenkapitalunterlegung freizustellen. Die deutsche Finanzaufsicht hat bereits angekündigt, von diesem Recht Gebrauch zu machen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hatte unangemessene Zuschläge zu längerfristigen Krediten in seinen Stellungnahmen abgelehnt, da der deutsche Mittelstand traditionell langfristig finanziert ist.
  • Der Kreis der Kreditsicherheiten ist ausgeweitet worden. So sollen jetzt zum Beispiel auch Aktien, Investmentfondsanteile und Lebensversicherungen risikomindernd anerkannt werden.

Das dritte Konsultationspapier soll nach Durchführung einer weiteren Belastungsstudie am 1. Mai 2003 vorgelegt werden. Die Veröffentlichung des Baseler Akkords ist für den 31. Oktober 2003 geplant. Erst zu diesem Zeitpunkt stehen die endgültigen Regelungen fest. Am 31. Dezember 2006 soll Basel II in Kraft treten.

Die Übereinkunft stellt einen gewaltigen Schritt nach vorne dar: Sofern die Kreditinstitute die Entlastungen an ihre Kreditnehmer über günstigere Konditionen weitergeben, kann Basel II für viele Unternehmen nun sogar vorteilhaft sein. Demgegenüber dürften Unternehmen mit einer schlechten Bonität für Kredite jenseits einer Mio. Euro zumeist höhere Zinsen als bisher bezahlen. Daran ändern auch die jüngsten Verhandlungsergebnisse nichts. Insofern beschleunigt Basel II auch weiterhin den bereits stattfindenden Strukturwandel im Bereich der Unternehmensfinanzierung.

Die Verhandlungserfolge in Basel können nicht darüber hinwegtäuschen: Deutschland spielt im internationalen Konzert insbesondere bei den Finanzierungsbedingungen des Mittelstandes bei weitem noch nicht die erste Geige. Die durchschnittliche Ausstattung der mittelständischen Unternehmen mit Eigenkapital, die ein entscheidendes Kriterium bei der Bonitätseinstufung darstellt, ist hierzulande mit knapp 18 Prozent viel zu gering. Zum Vergleich: In den Niederlanden weisen kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) im Mittel etwa 35 Prozent, in Frankreich 34 Prozent, in Spanien 41 Prozent und in den USA sogar 45 Prozent Eigenkapital auf. Diese Diskrepanz wird sich – insbesondere unter Basel-II-Bedingungen – im internationalen Wettbewerb als gravierender Nachteil für deutsche Unternehmen erweisen.

Daher muss die Politik endlich beherzt zur Tat schreiten. Die Verbreiterung der Eigenkapitalbasis darf nicht länger durch falsche Entscheidungen der Wirtschaftspolitik behindert werden. Der DIHK fordert daher die Bundesregierung auf, durch einen konsequenten Sparkurs endlich mehr Spielraum für Steuersenkungen zu schaffen und darüber hinaus die gesetzlichen Barrieren für die Umsetzung innovativer Finanzierungskonzepte (Stichwort: Mittelstandsfonds) zu beseitigen. Es bleibt also noch viel zu tun, damit es nicht nur bei der Vertreibung des Schreckgespenstes „Basel II“ bleibt, sondern sich echte Erleichterungen bei den Finanzierungsbedingungen des deutschen Mittelstandes einstellen.

Autor/in: 
Dr. Matthias Schoder, DIHK
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2002, Seite 23

 
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