Nach Auffassung von fast 70 Prozent der mittelfränkischen Unternehmen haben sich in den letzten Jahren die
Deutsch- und Mathematikkenntnisse der Lehrstellen-Bewerber spürbar verschlechtert. Das soziale Verhalten wurde
nur mit „befriedigend bis ausreichend“ bewertet. Dies ergab eine Umfrage der IHK Nürnberg für
Mittelfranken zum Leistungsstand der Schulabgänger, an der sich 214 mittelfränkische Betriebe beteiligten.
Zwar hat die Länderergänzungsstudie Pisa-E den bayerischen Schulen eine Spitzenstellung bescheinigt. Doch auch
in Bayern sind, wie die Umfrage zeigt, Defizite in der Berufsreife der Ausbildungsbewerber feststellbar.
Den vor kurzem vom DGB vorgetragenen Forderungen, die Ausbildungsbetriebe müssten die Bildungsdefizite aus
eigener Anstrengung ausgleichen, erteilte IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Dieter Riesterer eine klare Absage.
Dirigistische Gewerkschaftsforderungen an die Unternehmen, Ausbildungsplätze regional umzuverteilen (z.B. von
Süd- nach Nordbayern), seien praxisfern und trügen nicht ansatzweise zur Lösung des Problems bei.
Auch könne die Berufsreife nicht erst in den Unternehmen hergestellt werden. Die Bemühungen um
zufriedenstellende Basis-Qualifikationen müssten vielmehr schon in Kindergarten und Grundschule beginnen und sich
über alle Schularten erstrecken. Die IHK verwies auf den Offenen Brief, den der Präsident des Deutschen
Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, vor wenigen Tagen an Bundeskanzler Schröder sowie
an die Ministerpräsidenten und Kultusminister der Länder gerichtet hatte. Braun hatte darin darauf hingewiesen,
dass nicht nur Mängel in den Schulen, sondern auch der niedrige gesellschaftliche Stellenwert von Bildung, das
schlechte Lehrerbild und Integrationsprobleme von Zuwanderern Schuld an der Bildungsmisere trügen.
In der Region Nürnberg gibt es bereits vielfältige Aktivitäten von Wirtschaft und IHK, um die Kooperation von
Schulen und Unternehmen sowie die Lehrerfortbildung zu forcieren. Als Beispiele nannte die IHK Schulpatenschaften
von Unternehmen, IHK-Veranstaltungen zur Pisa-Studie und zu neuen Lehrmethoden (v.a. mit Neuen Medien), den
Aktionskreis „Berufliche Bildung junger Ausländer“ (ABA), Projekttage an Hauptschulen, Projekte der
Lehrerbildung sowie die Förderung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts (u.a. durch den
Förderkreis Ingenieurstudium).
Zwischenbilanz bei den Lehrstellen
Mangelnde Qualifikation der Bewerber und fehlendes Interesse an einer Reihe von Ausbildungsberufen werden nach
Erwartung der IHK auch in diesem Jahr dazu beitragen, dass eine Vielzahl von angebotenen Lehrstellen in der
Region Nürnberg unbesetzt bleibt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Zahl der neuen, bei der IHK
eingetragenen Lehrstellen gegenüber dem Rekordjahr 2001 rückläufig ist.
Im Juli 2002 verringerte sich die Zahl der neu abgeschlossenen Lehrverträge gegenüber dem gleichen
Vorjahresmonat um 6,8 Prozent auf 5 173. Trotz dieses Rückgangs wird immer noch das hohe Niveau des Jahres 2000
übertroffen. Von einer allgemeinen Ausbildungszurückhaltung der Unternehmen kann deshalb nach Worten Riesterers
keine Rede sein. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage könnten jedoch zahlreiche Unternehmen ihre
Ausbildung nicht in gewohntem Umfang aufrechterhalten.
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