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Kein Wetter in Nürnberg?

Mit dem Wetter ist das so eine Sache: Wie es auch ist, es passt fast nie – daher kann man sich auch so trefflich mit jedermann übers Wetter unterhalten. Doch woher stammen unsere Informationen? Blick nach oben oder aus dem Fenster, klar! Zu einem großen Teil beziehen wir als allseits informierte Medienmenschen unser Wissen über das Wetter aber aus den Wetterkarten in Zeitung und Fernsehen. Reden wir also über Wetterkarten – dann reden wir auch über Geographie: in der Schule aufgepasst?

Betrachtet man aufmerksam die Wetterkarten in den verschiedenen Medien, dann beschleicht einen manchmal so ein Gefühl, als seien die kleinen Pünktchen für die Städte wie zufällig über die Landkarte verstreut worden. Städte unterschiedlicher Größe, Funktion und Bedeutung sind auf manchen Karten da, auf wieder anderen nicht: Manchmal hat Nordrhein-Westfalen nur eine Stadt (Köln), dann mal wieder zwei (Köln und Düsseldorf), auch drei tauchen auf (mit Essen dazu) und schließlich gibt es auch die Vor-Wiedervereinigungs-Version: nur mit Bonn.

Vielleicht ist es ja gar nicht so zufällig? Vielleicht steckt gerade hinter dem Weglassen mancher Städte ein System nach dem Motto: bist du drin, bist du wer! Oder sollten Medien-Philosophen recht haben, die behaupten, es gäbe gar keine Realität außerhalb der Medien-Realität? Was nicht auf der Karte ist, ist auch nicht da?

Tatsache ist jedenfalls, dass Massenmedien eine Sichtweise der Welt präsentieren und damit Denken und Wahrnehmung vieler Menschen bestimmen. Wie steht es um die Wahrnehmung deutscher Städte durch Medien-Macher fragen wir uns und nehmen dabei die Wetterkarten genauer unter die Lupe. Wie sieht es da mit Bayern aus? Da findet sich etwa im „Handelsblatt“ München prominent eingereiht bei London, Mailand und Madrid – dafür aber nur als Tabelle. Auf der Europa-Wetterkarte der „Nürnberger Zeitung“ hat Deutschland zum Ausgleich nur zwei Städte: Berlin und – na was wohl? Nürnberg! Die „Nürnberger Nachrichten“ kennen noch Frankfurt und Hamburg. Außerdem endet hier der regionale Wetterhorizont an der Grenze des Verbreitungsgebiets. Die NZ ist großzügiger und gesteht auch noch den Ober- und Unterfranken ein Wetter zu. Dafür gibt sich die „Süddeutsche Zeitung“, die bekanntlich in München erscheint, etwas kleinmütig und lässt für eben diesen deutschen Süden nur zwei Städte gelten: München und Stuttgart. Immerhin kommt Nürnberg im Bayernteil vor. Ganz anders „Die Welt“, die Nürnberg zur Weltstadt macht und damit sozusagen in diese Welt zurückholt, wohingegen München hinter Wolken in Österreich verschwindet (siehe Karte). Die „FAZ“, die sich in ihrem Titel auch „Zeitung für Deutschland“ nennt, untermauert dieses mit Nürnberg auf der Karte auch glaubhaft. Bei der Financial Times Deutschland war Nürnberg in der ersten Jahreshälfte 2002 noch meteorologisch präsent, das Blatt hat sich aber inzwischen von der detaillierten Wetterberichterstattung verabschiedet und verzeichnet nur noch die Wetterlage in Europa.

Was ist eigentlich ausschlaggebend für eine Platzierung auf der Wetterkarte, etwa die Nähe zum Erscheinungsort der jeweiligen Zeitung? Komisch nur, dass in der Nürnberger „Abendzeitung“ Nürnberg nur im unscheinbaren Bergwetter-Panorama auftaucht – was ist da los, „Spezi“? Dafür vergisst uns die „Bild-Zeitung“ nicht!

Wer ist eigentlich für die Wetterkartengeografie verantwortlich? Wir gehen der Sache nach und wenden uns an den Deutschen Wetterdienst in Offenbach. Dort gibt es, obwohl Anstalt des öffentlichen Rechts, einen „Geschäftsbereich Medien“, in dem die verschiedensten meteorologischen Dienstleistungen und Produkte: sprich Wetterkarten für Massenmedien angeboten werden. Um die Printmedien in zeitgemäßer Form beliefern zu können, habe der Deutsche Wetterdienst, so die Auskunft, seit 1994 begonnen, ein neues System der Wetterpräsentation in Zeitungen zu entwickeln. Dabei stehe folgendes im Vordergrund: Die Wetterinformationen sollen bereits in standardisierter, druckfertiger Form vorliegen und in die Redaktionssysteme überspielt werden können und gleichzeitig dem Wunsch nach individuellem Wetterlayout und Kartendesign der Zeitungen entsprechen. Mit anderen Worten, die Redaktionen können sich ihre Wetterkarte „nach Maß“ fertigen lassen und bestimmen selbst, welchen Ort sie auf der Karte haben wollen. Unser Anfangsverdacht hat sich bestätigt: Es sind also doch die Medienmacher, die die Wettergeographie bestimmen und damit über das „Sein oder Nicht-Sein“ so mancher Stadt.

Hier nun unser ultimativ-subjektives Wetterkarten-Ranking: Bei der Wirtschaftspresse gibt es kein Wetter in Nürnberg. Bei überregionalen Tageszeitungen „Die Welt“ mit leichtem Vorsprung vor „FAZ“ und „SZ“. Bei Boulevardzeitungen können wir die „AZ“ nur für das Euro-Wetter empfehlen, meteorologische Lokalpatrioten lesen „Bild“. Und bei unseren Regionalzeitungen gefällt uns die Karte der „NZ“ wegen größerem Weitblick und Übersichtlichkeit besser als die „NN“.

Für alle die, die trotzdem lieber fernsehen, sei für ARD und ZDF lobend angemerkt, dass der berühmte Wetterflug über die computeranimierte Karte verdächtig oft über Süddeutschland führt – es mag am besseren Wetter liegen – und dann meist auch Franken berücksichtigt. Mit etwas Glück taucht dann Nürnbergs Kaiserburg en miniature auf und des Franken Herz lacht – auch bei schlechtem Wetter.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2002, Seite 32

 
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