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Familienbewusste Personalpolitik motiviert die Mitarbeiter

Gute Mitarbeiter zu finden und an das Unternehmen zu binden, ist das Ziel jeder Personalarbeit. Dabei ist es längst nicht mehr die Höhe der Bezahlung, die für Mitarbeiter den entscheidenden Ausschlag gibt, sich bei diesem oder jenem Unternehmen zu bewerben bzw. ihrem Unternehmen treu zu bleiben. Ganz oben auf der Wunschliste der Arbeitnehmer steht heute eine ausgewogene Balance zwischen Beruf und Privatleben. Das Gute daran: Diesem Wunsch können nicht nur große Unternehmen mit relativ geringem Aufwand nachkommen. Denn letztlich ist dies eher eine Frage der Organisation als des Geldes.

Balanceakt Familie und Beruf
Berufliche und private Pläne und Verpflichtungen unter einen Hut zu bringen, vor dieser Aufgabe steht jeder arbeitende Mensch, besonders dann, wenn er Familie hat: Die alleinerziehende Mutter, die es sich gar nicht leisten könnte, auf eine Erwerbstätigkeit zu verzichten, ebenso wie der beruflich stark eingespannte leitende Angestellte, der gerne etwas mehr Zeit für seine Familie hätte.

Allzu oft erweist sich der Balanceakt zwischen Beruf und Privatleben jedoch als schwierig: Kindergartenöffnungszeiten, Schulferien und unvorhergesehene Erkrankungen der Kinder oder ihrer Betreuungspersonen bringen Mitarbeiter mit starr festgelegten Arbeitszeiten immer wieder in die Zwickmühle. Weil Unternehmen häufig in Teilzeitkräfte weniger investieren, sie von Fortbildungsmaßnahmen ausschließen und ihnen den Aufstieg in Führungspositionen versperren, heißt die Alternative auch heute noch oft Karriere oder Familie.

Nicht wenige Mitarbeiter fühlen sich in diesem Konflikt überfordert, sind unzufrieden mit ihren beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten. Eine unerfreuliche Situation auch für das Unternehmen: Denn gestresste und unzufriedene Mitarbeiter sind weniger bereit, sich für ihr Unternehmen zu engagieren und bleiben oft weit hinter ihren Möglichkeiten zurück.

Familienfreundlichkeit zahlt sich aus
Unternehmen, die es ihren Mitarbeitern erleichtern, berufliche und private Pflichten unter einen Hut zu bringen, berichten dagegen von einer höheren Arbeitszufriedenheit und größerer Motivation. Das ergab eine Emnid-Umfrage unter den Teilnehmern des Audits „Beruf und Familie“, einem Angebot der gemeinnützigen Hertie-Stiftung, im Juli 2002. Eine familienbewusste Personalpolitik kann krankheitsbedingte Fehlzeiten reduzieren und trägt zu einer besseren Mitarbeiterbindung bei. Darüber hinaus hilft sie, das vorhandene Mitarbeiterpotenzial voll auszuschöpfen, etwa wenn es darum geht, dem Unternehmen Mitarbeiter mit ihrem spezifischen, oft teuer entwickelten Wissen und Know-how auch über den Erziehungsurlaub hinaus zu erhalten. Werbewirksam eingesetzt kann eine familienbewusste Personalpolitik das Unternehmensimage verbessern und zu mehr Sympathie nicht nur bei Bewerbern und Mitarbeitern, sondern auch bei Kunden beitragen.

Eine Frage der Organisation
Was aber macht eine familienfreundliche Personalpolitik aus? In erster Linie sind es organisatorische Maßnahmen, die Mitarbeiter zu schätzen wissen. Eine flexible Arbeitszeitgestaltung beispielsweise kann Konflikte zwischen beruflichen und privaten Pflichten bereits im Vorfeld abschwächen oder sogar vermeiden.

Auch Thorsten Jungwirth, stellvertretender Pressesprecher der Nürnberger Entrium Direct Bankers AG (vormals: QuelleBank), bei der man die Vorteile einer familienfreundlichen Personalarbeit bereits bei der Gründung im Jahr 1990 erkannt hatte, hält diesen Punkt für wesentlich. Wünschen nach Arbeitszeitveränderung tritt man hier offen, bereitwillig und unbürokratisch entgegen und erfüllt diese schnellstmöglich, wo dies eben geht. Der Bereich der Telearbeit sei zur Zeit der Gründung von Entrium im Jahre 1990 wenig verbreitet gewesen. „Klar war damals allerdings schon, dass nur motivierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen diesen facettenreichen Beruf, der darüber hinaus ein Höchstmaß an Konzentration erfordert, über eine längere Zeit würden ausüben können.“ Aus diesem Grund habe man bei Entrium von Anfang an Wert darauf gelegt, die individuelle Arbeitszeit zusammen mit den Mitarbeitern festzulegen, um deren private Situation bestmöglich mit zu bedenken. „Gerade für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit Kindern ist dies ein immens wichtiger Punkt“, so Jungwirth.

Auch ein flexibler Arbeitsort kann viel Stress aus dem Spannungsfeld zwischen Beruf und Familie nehmen. Dabei muss es nicht Telearbeit in ihrer Reinform sein. Oft reicht es schon aus, wenn Mitarbeiter gelegentlich bestimmte Aufgaben auch von zuhause aus erledigen können. Von Vorteil ist es, wenn Arbeitsabläufe und Arbeitsinhalte so gestaltet werden, dass Mitarbeiter sich gegenseitig vertreten können. Im Bedarfsfall kann man sich dann unbürokratisch untereinander absprechen und z.B. Schichten tauschen oder für einen Kollegen einspringen.

Teilzeitarbeit ermöglichen
In bestimmten Lebenssituationen, wenn die Kinder klein sind oder ältere Familienangehörige gepflegt werden müssen, erfordert Familie mehr Zeit und für den Beruf bleibt zwangsläufig weniger übrig. Hier wünschen sich Mitarbeiter bessere Teilzeitmöglichkeiten. Mittlerweile gibt es zwar den Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit. Wirklich familienfreundlich ist Teilzeitarbeit aber nur, wenn sie nicht mit mangelnden Entwicklungs- und Aufstiegschancen einhergeht und auch in anspruchsvollen Positionen möglich ist. Viele Unternehmen sind hier noch zurückhaltend. Dabei macht die höhere Motivation und Leistungsbereitschaft meist einen Teil der verlorenen Arbeitszeit wett. Teilzeitkräfte leisten in der gleichen Zeit oft mehr als ihre vollzeitbeschäftigten Kollegen.

Wiedereinstieg nach der Familienpause
Viele Frauen wünschen sich nach einer Familienpause einen Wiedereinstieg in den Beruf. Unternehmen, die ihre Mitarbeiterinnen dabei unterstützen wollen, sollten sich nicht auf das Angebot der bereits genannten flexiblen Arbeitsbedingungen beschränken, sondern auch während der Elternzeit den Kontakt zu den Mitarbeitern pflegen. Durch Urlaubsvertretungen, Telearbeit oder auch die Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen können sie es ihren Mitarbeitern in Elternzeit erleichtern, den beruflichen Anschluss zu behalten. Damit sichert sich das Unternehmen gleichzeitig das Know-how und die Erfahrung, die diese Mitarbeiter in ihrer oft langjährigen Tätigkeit für das Unternehmen bereits erworben haben.

Familienfreundliche Vergütung
Neben einer flexiblen Arbeitsorganisation, die auf die privaten und familiären Bedürfnisse der Mitarbeiter Rücksicht nimmt, können Unternehmen durch weitere flankierende Maßnahmen Anreize für Mitarbeiter mit Familie schaffen. Löhne können familienfreundlich gestaltet werden, z.B. durch die steuer- und sozialversicherungsfreie Erstattung von Kindergartenbeiträgen oder das Angebot von zinsgünstigen Darlehen. Firmenrabatte oder Vergünstigungen, die der Mitarbeiter auf Grund seiner Unternehmenszugehörigkeit auch bei Drittunternehmen in Anspruch nehmen kann, sind gern gesehen. Entrium beispielsweise bietet seinen Mitarbeitern Vergünstigungen beim Möbelkauf und bei der Buchung von Urlaubsreisen.
Kinderbetreuung, Hausaufgabenbetreuung, Einkaufs- oder Bügelservice können die Mitarbeiter in ihrem Alltag entlasten und berufliche Energien und Kapazitäten freihalten und erweitern. Hier sind Ideen und individuelle Lösungen gefragt. Einen betriebseigenen Kindergarten können sich sicherlich nur die großen Unternehmen leisten. Aber auch und gerade kleine Unternehmen können es ihren Mitarbeitern unter Umständen ermöglichen, den Nachwuchs im Notfall einfach einmal mit zur Arbeit zu bringen, wie dies etwa bei dem Nürnberger Investment-Unternehmen Top Ten Gruppe gestattet ist (vgl. WiM 10/2002, Seite 40).

Beratungsangebote und Fördermöglichkeiten
Wer sich bei der Einführung oder Erweiterung familienfreundlicher Maßnahmen Hilfe holen möchte, ist gut aufgehoben beim Audit Beruf & Familie, einer gemeinnützigen Hertie-Stiftung. Kontakt: Beruf & Familie gemeinnützige GmbH, Lyoner Str. 15, 60528 Frankfurt a.M., Tel. 069/660 756 444, info@beruf-und-famile.de, Ansprechpartner: Stefan J. Becker.

Unternehmen können sich hier ihre Familienfreundlichkeit zertifizieren lassen. Dabei wird zunächst ermittelt, welche familienfreundlichen Maßnahmen im Unternehmen bereits vorhanden sind. Dann werden das Entwicklungspotenzial und konkrete Maßnahmen erarbeitet. Das Unternehmen erhält ein Grundzertifikat. Unternehmen, die diese Maßnahmen dann innerhalb der nächsten drei Jahre umsetzen, erwerben das Zertifikat Beruf & Familie, das sich werbewirksam in Personalrekrutierung und Öffentlichkeitsarbeit einsetzen lässt.

Auch wer konkrete Beratung nicht in Anspruch nehmen will, findet auf den Internetseiten des Audits unter www.beruf-und-familie.de wertvolle Anregungen und Tipps. Betriebe können sich hier, unabhängig von einer Teilnahme am Audit, in eine Datenbank familienfreundlicher Unternehmen eintragen lassen. Auch ein Klick auf die Internetseite der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin e.V., www.e-quality-management.de, lohnt sich. Auch wenn es hier vorrangig um die Gleichstellung der Frau im Berufsleben geht – Familienfreundlichkeit ist auch hier ein zentrales Thema. Unter anderem findet der Besucher auf dieser Seite eine Förderdatenbank mit Fördermöglichkeiten des Bundes und der Länder.

Beispiel aus der Region: adidas-Salomon
Zu den familienfreundlichen Unternehmen der Region Mittelfranken zählt der Sportartikelhersteller adidas-Salomon in Herzogenaurach. Das Unternehmen bietet seinen Mitarbeitern eine ganze Palette familienfreundlicher Maßnahmen an und erhielt erst im Juni 2002 das Grundzertifikat des Audits Beruf Familie. Die Teilnahme am Audit, die durch den Betriebsrat angeregt wurde, hat sich, so Matthias Malessa, Head of Global Human Resources, gelohnt. Bei der Bestandaufnahme der Maßnahmen konnten Stärken und Schwächen analysiert und die Mitarbeiter für das Thema „Work-Life-Balance“ sensibilisiert werden.

Schon heute setzt man bei adidas auf Vertrauensarbeitszeit und verzichtet auf Arbeitszeiterfassung. Mitarbeiter erhalten auf Wunsch – vorausgesetzt die Sicherheit der Daten ist gewährleistet – vom heimischen PC aus Zugriff auf Intranet und Daten des Unternehmens und können so verschiedene Aufgaben auch schon mal von zuhause aus erledigen. Es sei auch kein Problem, im Krisenfall den Nachwuchs ausnahmsweise mit zur Arbeit zu nehmen. Die Kinder könnten nicht nur im engen Büro, sondern auch in den Gängen herumlaufen oder draußen auf der Wiese oder den Sportplätzen spielen. Das störe niemanden.

Unter dem Label „Company Sports“ bietet adidas Ausflüge (z.B. ins Legoland), „Out Door Camps“ und Ski-Wochenenden für die ganze Familie an. Es gibt einen Personalverkauf und zusätzliche Vergünstigungen beim Einkauf in verschiedenen anderen Unternehmen.

Kantine, Fitnessstudio und Tennisplätze stehen nicht nur den Mitarbeitern, sondern auch ihren Angehörigen offen. Gleich bei der Kantine kann man am Kiosk kleinere Besorgungen machen oder sein Wäschebündel zur Reinigung geben. Ein Angebot, das auch die jüngeren Singles im Unternehmen – das Durchschnittsalter der Mitarbeiter liegt weltweit immerhin bei nur 34 Jahren, deutschlandweit sogar darunter – als Entlastung zu schätzen wüssten.

An Weiterbildungsmaßnahmen im Unternehmen können auch Mitarbeiter in Elternzeit teilnehmen. Sie werden über die entsprechenden Angebote routinemäßig informiert und machen von dieser Möglichkeit auch regen Gebrauch.

Angeregt durch das Audit sollen weitere Maßnahmen folgen. Angepeilt ist z.B. der Ausbau von flexibler Teilzeit- und Telearbeit. Fort- und Weiterbildungsangebote sollen örtlich und zeitlich familienbewusst organisiert werden und Mitarbeiter in Elternzeit in einen abteilungsübergreifenden Arbeitsmarktpool aufgenommen werden. Matthias Malessa: „Wir sind auf dem Weg und noch lange nicht angekommen.“
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2003, Seite 20

 
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