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Nürnberg – Weltstadt im März

Grafik IHK/Forte Design Group 

Montagabend, 10. März – Ulrich Wickert moderiert gewohnt tugendhaft die Tagesthemen. Telekom gibt Rekord bekannt: größter Verlust der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Wickert fragt einen, der sich mit so etwas auskennt: Live-Schalte ins Studio Franken zu Professor Wolfgang Gerke.

Toll, alles guckt auf Nürnberg. Gute Sendezeit, chancenreiches Thema. Auch die Fliege des Lehrstuhlinhabers für Bank und Börse unserer Universität sitzt perfekt. Ein langes Interview, Gerke brilliert. Und immer Nürnberg im Bild. Endlich mal Über-Regional-Marketing, dessen Wirkung nicht an den Toren Forchheims verpufft, ... hätte das sein können. Hätte, ja hätte da nicht der Kulissenschieber im hiesigen Studio des Bayerischen Rundfunks eine Fachwerktafel hinter unseren Kompetenz emittierenden Professor gehalten. Optischer Eindruck: 300-Seelen-Dorf. Ja, wir wissen, es war ein Stück Kaiserburg, aber für den Berliner, Hamburger und Frankfurter nicht zu erkennen, geschweige denn als Symbol mondialer Noris zu deuten. Fachwerk, vor allem Fachwerk – ein 300-Seelen-Dorf hat das auch mit Türmchen. Geruhsame Nacht.

Wo sitzt Beckstein?
Eine Woche später – der Irak-Krieg hat gerade begonnen. Im ARD/ZDF-Morgenmagazin am 18. März um 6.30 Uhr vom Studio Franken zugeschaltet: Günther Beckstein. Wieder wichtiges Thema, wieder fragt man einen Nürnberger. Diesmal tolles Hintergrundbild. Richtig großstädtisch, viele Dächer, die Nürnberger Skyline blitzt in der Sonne. Na also, diesmal kein optischer Kollateralschaden fürs Image. Sagt die Moderatorin: „Sicherheit in Deutschland, dazu sind wir jetzt verbunden mit Günther Beckstein...in München“. München, Allmächd, wenn‘s München wär, würde man mindestens sieben Pinakotheken sehen, je nach Perspektive auch mehr. Es ist aber Nürnberg. Wahrscheinlich hat die Moderatorin gedacht, Nürnberg bekanntlich ein 300-Seelen-Fachwerkdorf, kann es allein vom Bild her nicht sein, und intuitiv den Teleprompter overruled.

Maly und die schwedische Prinzessin
Auszubaden hat das Ganze Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly. In der Tageszeitung „Die Welt“ bekommt er in der Rubrik „Kopfnoten“ eine glatte Fünf, weil er den Kriegsausbruch bedauert hat. In der Provinz, so formuliert das Kürzel mka journalistisch mondän, solle man sich lieber um halsstarrige Gaststättenpächter und Anwohnergemeinschaften kümmern, statt sich zum Weltfrieden zu äußern. Hm, merkwürdiger Sinneswandel des Blattes, für das wir kürzlich die „WELT-Stadt Nürnberg“ waren, als es sich noch einen Bayern-Teil leisten konnte und den norisweit verkaufen wollte. Immerhin befindet sich Ulrich Maly in bester Gesellschaft, denn das schwedische Königshaus bekommt ebenso von mka‘s Tintenstrahl eine hingerumst. Grund: Prinzessin Victoria hatte sich erlaubt, ihren Besuch in Nordamerika abzusagen. Schweden gehört bekanntlich wie Deutschland zum alten Europa, das notorisch-nostalgisch das Völkerrecht achtet und den Irak-Krieg ablehnt. Auch Günter Grass hat es das WELT-Zeugnis verhagelt, weil er den USA-Trip der Oppositionsführerin im Deutschen Bundestag kommentiert hat mit „Frau Merkel, diese Petzliese“. Wie er nur darauf kommt, Frau Merkel heißt doch gar nicht Liese? Dann erwischt es in derselben Rubrik auch noch Renate Schmidt. Schon wieder Nürnberg. Kopfnuss für pazifistische Rhetorik der Bundesfamilienministerin. Die minensuchenden Delfine am Golf hingegen erhalten von mka die Note Eins. Wir ahnen langsam, worum es in dieser Rubrik eigentlich geht. Wie sagte einst Kurt Tucholsky in „Weltbild nach intensiver Zeitungslektüre“: „Wir leben in einer merkwürdigen Zeitung – !“.

„Im Zeichen des Fußballs“
Dann naht das Länderspiel gegen Litauen. Trainingsbilder aus dem Frankenstadion. Der Fernsehkommentator, verbal im Off, spricht von Herzogenaurach. Egal, damit bleibts wenigstens in Mittelfranken. Und wir sind ja schon froh, dass er nicht München gesagt hat. Samstagabend schließlich das Spiel. „Nürnberg im Zeichen der Burg und im Zeichen des Fußballs“ heißt es zum Anpfiff im ZDF. Luftaufnahmen vom Stadion und unserer Kaiserburg in geradezu mondialer Qualität. Aber ein Fußballspiel dauert 90 Minuten, Ergebnis bekannt. Und so bilanziert Bela Rethy am Ende des Tages „Trübe Botschaft aus dem Frankenland“. Irgendwie war der März publizistisch nicht unser Monat.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2003, Seite 27

 
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