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Mehr Business durch Galileo?

Der Startschuss für das europäische Satellitensystem Galileo ist gefallen, bis 2011 soll das Pendant des amerikanischen GPS-Systems funktionstüchtig sein. Doch worin liegen die Vorteile des europäischen Systems?

Navigationssysteme, die mit Hilfe von Satelliten eine sichere und präzise Ortung und Routenführung ermöglichen, sind komplexe Hochtechnologie, aber dennoch gehören sie inzwischen zum geschäftlichen und privaten Alltag. Neben Festeinbauten im Auto spielen mobile Geräte eine immer größere Rolle, sogar die Navigation über Handy ist inzwischen möglich. Die schon realen und die möglichen Einsatzgebiete der Satelliten-Navigation sind überaus vielfältig: Mediziner überwachen vom Krankenhaus oder von der Praxis aus Risikopatienten. Logistikdienstleister bestimmen punktgenau, wo sich die transportierten Güter gerade befinden. Touristen lassen sich je nach Standort Informationen über Sehenswürdigkeiten und gastronomisches Angebot auf das Handy schicken.

Aber wozu eigentlich ein weiteres Satellitensystem, wo es doch bereits GPS gibt und viele Anwendungen damit schon Realität geworden sind? Ausschlaggebend für die Europäer, eine eigene Technologie zu entwickeln, waren strategische Gründe. Denn das US-amerikanische GPS-System war zunächst für militärische Zwecke entwickelt worden, auch heute wird die Technologie teils militärisch, teils zivil genutzt. Vielfach wird befürchtet, dass die Amerikaner im Kriegs- und Krisenfall das System ganz oder teilweise für die zivile Nutzung sperren, um ihre Truppen nicht zu gefährden. Durch die europäische Verantwortlichkeit ist bei Galileo nun sichergestellt, dass nicht aus militärischen Gründen Signale verändert werden und damit nur ungenaue Standortpositionen ermittelt werden können. Damit beispielsweise in der Medizin überhaupt Anwendungen zugelassen werden, ist die sichere Verfügbarkeit unabdingbar, sie kann mit Galileo vertraglich zugesichert werden.

Ein weiterer Vorteil: Die Präzision der Ortung wird wesentlich gesteigert, wenn die Signale von GPS- und Galileo-Satelliten gleichzeitig empfangen werden. Jeweils etwa 30 Satelliten umkreisen für das GPS-System die Erde, für Galileo sollen nochmal so viele hinzukommen. Je mehr Satelliten empfangbar sind, desto größer die Genauigkeit, denn aus den unterschiedlichen Laufzeiten der Satellitensignale berechnen die Empfänger die Position.

Wichtige Beiträge aus Mittelfranken
Laut EU sollen allein durch Galileo in Europa mehr als 140 000 Arbeitsplätze entstehen, wovon ein wesentlicher Anteil in Bayern beheimatet sein wird. Das Hauptkontrollzentrum wird im oberbayerischen Oberpfaffenhofen angesiedelt, das schon seit Jahren bundesweit als Kompetenzzentrum für die Satelliten-Navigation gilt und wo auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR, www.dlr.de) mit dem Raumfahrtkontrollzentrum vertreten ist. Einen bedeutenden Beitrag leisten nicht zuletzt Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus Mittelfranken: Das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS (www.iis.fraunhofer.de) in der Nürnberger Forschungsfabrik arbeitet an der notwendigen Empfangstechnik. Aber auch viele Firmen entwickeln als Anbieter oder Anwender Produkte und Dienstleistungen.

Die „Galileo-Roadshow“ des Bayerischen Wirtschaftsministeriums, die vor kurzem in Nürnberg Station machte und die vom Fraunhofer IIS und von der IHK mit organisiert wurde, präsentierte technologische Beiträge aus Mittelfranken. Weitere Kooperationspartner waren u.a. das Technologie- und Innovationsnetz Mittelfranken, die DLR, das Anwendungszentrum Oberpfaffenhofen sowie EADS und Siemens. Galileo ist das nach dem Airbus größte Gemeinschaftsprojekt der EU und der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) und bietet nach Worten von Dr.-Ing. Martin Haunschild, Moderator Luftfahrt, Raumfahrt, Satellitennavigation in Bayern, enorme Geschäftspotenziale besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMU).

Einer dieser Innovatoren ist die Nürnberger Posion Systems, die sich auf präzise Positionierungssysteme spezialisiert hat und derzeit aus dem Fraunhofer-Institut IIS ausgegründet wird. Geschäftsführer Dieter Wiedmann erklärte, dass der Bedarf an genauen Daten für Echtzeitpositionierung vor allem in Geodäsie, Bauwirtschaft, Ver- und Entsorgung, Verkehrsinfrastruktur sowie Land- und Forstwirtschaft wächst. „Es gibt jedoch bisher nur wenige Unternehmen, die vom Ankommen des Satellitensignals in Referenzstationen bis zur Anwendung alles integrieren“, so Wiedmann. Der Grund: Die Einzelkomponenten sind zu teuer und die Schnittstellenproblematik nicht befriedigend gelöst. Um Abhilfe zu schaffen, entwickelt Posion Systems eine Technologieplattform und stellt Service und Support für Positionierungssysteme aus einer Hand bereit.

Zu den Pionieren für Navigationssysteme in Fahrzeugen und auf Smartphones („intelligente“ Handys) gehört die Erlanger 3Soft GmbH (www.3soft.de), die bei ihren Entwicklungen die Aspekte Benutzerfreundlichkeit und Flexibilität in den Vordergrund stellt. Deshalb bietet das Unternehmen sowohl Lösungen an, bei denen die Kartendaten auf einem Speichermedium im Fahrzeug („on board“) abgelegt sind, als auch Systeme, die von einem externen Server via Mobilfunk mit aktuellen Verkehrsinformationen versorgt werden. Diese Navigationssysteme eignen sich gleichermaßen für den Festeinbau in Fahrzeugen und für den mobilen Einsatz auf Smartphones und mobilen Computern (PDAs), so Dr. Stephan Reitzner, Leiter Navigationssysteme bei 3Soft.

Robert Setz, Geschäftsführer der Nürnberger Dr. Hein GmbH (www.dr-hein.com), stellte mögliche Anwendungen vor, mit denen Risikopatienten während der Rehabilitation begleitet werden können. Parameter wie Herzfrequenz oder Blutdruck werden schon jetzt über bestehende Mobilfunknetze übertragen. Die Satellitennavigation könnte zusätzlich den genauen Standort des Patienten bestimmen, so dass die Leitzentralen bei Notfällen sofort informiert werden und reagieren können.

Ein wichtiger Schritt für die Entwicklung von Galileo wird im Herbst dieses Jahres in Berchtesgaden gemacht: Dort wird die Testumgebung „Gate“ verfügbar sein, die im Auftrag der DLR aufgebaut wird und europaweit einmalig ist. Auf einer Fläche von 65 Quadratkilometern werden die Galileo-Signale so simuliert, als würden sie von umlaufenden Satelliten ausgestrahlt. Dort können Hersteller ihre Navigationsgeräte, Geoinformationssysteme oder andere Systeme und Dienste bereits unter realen Bedingungen testen.

IHK-Anwenderforum
Angesichts der bevorstehenden Einführung von Galileo wollen IHK und Fraunhofer IIS eine Plattform für regionale Unternehmen schaffen. In diesem Frühjahr soll ein Anwenderforum gegründet werden, um Informationen und Entwicklungen rund um die Satelliten-Navigation auszutauschen. Bisher gibt es solche Treffs nur im Raum München.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2006, Seite 8

 
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