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Neue Wirtschaftsmächte

Zu den wachstumsstärksten Märkten der Welt zählen Brasilien, Indien, China und Russland (BRIC). Ein IHK-Seminar informierte über wirtschaftliche Aussichten und Absatzchancen.

Dass die Wirtschaftskraft der vier BRIC-Staaten, die bereits jetzt mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren, in etwa 40 Jahren größer sein wird als die der jetzigen sechs großen Industriemächte USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien (G-6) zusammen, ist für viele noch kaum vorstellbar. Doch sind diese auf dem besten Weg dahin. Die in der IHK Akademie Mittelfranken versammelten Experten für die vier Länder bestätigten jedenfalls diesen Trend.

Bei den absoluten Wachstumszahlen liegt China weltweit bereits an der Spitze. An dritter Stelle folge schon Russland, erklärte Wladimir Nikitenko, Vize-Geschäftsführer des Informationszentrums der Deutschen Wirtschaft in Moskau. Zudem habe sein Land bereits 2006 alle seine öffentlichen Schulden gegenüber den Mitgliedsstaaten des sogenannten Pariser Clubs beglichen.

Es ist aber nicht nur so, dass die Wirtschaft in diesen Ländern – zumindest in vielen Branchen – auffallend wächst. Es gibt auch bereits wirtschaftliche Abhängigkeiten. Der Boom führt zum Beispiel dazu, dass die Volkswirtschaften der BRIC-Staaten immer mehr aufeinander angewiesen sind. So profitiert die brasilianische Industrie deutlich von der steigenden Nachfrage aus den großen asiatischen Ländern.

Infolge der besseren Perspektiven haben auch die ausländischen Direktinvestitionen in den BRIC-Ländern kräftig zugelegt. In Russland investierten ausländische Unternehmen 2006 laut Nikitenko 15 Mrd. Dollar. In Brasilien machten ausländische Direktinvestitionen 2007 laut Martin Langewellpott, Bayerischer Repräsentant in Brasilien, gegenüber 2006 einen kräftigen Sprung: Die brasilianische Bank Bradesco habe berichtet, dass sie von 18,8 Mrd. auf 27,8 Mrd. Dollar im vergangenen Jahr gestiegen seien.

Deutsche Unternehmen waren bei dem Investitionswettlauf nicht vorne mit dabei. Vor allem in Brasilien hinken sie anderen ausländischen Wettbewerbern hinterher. In Russland dagegen behauptet Deutschland nach Worten Nikitenkos in der Rangliste der kumulierten ausländischen Direktinvestitionen nach den USA den vierten Platz. Auch in China sind deutsche Investoren kräftig am Werk. Wie Bernd Reitmeier, Vizedelegierter im Delegiertenbüro der Deutschen Wirtschaft in Shanghai, erklärte, gebe es in China bereits 4 300 deutsche Projekte, davon etwa 1 000 allein in der Region Shanghai. Besondere Chancen bestehen nach Reitmeier in der Automobilbranche, insbesondere im Zuliefererbereich – vor allem wegen steigender Einkommen und geringerer Konkurrenz. In Brasilien, meinte Langewellpott, profitiere besonders die Bauwirtschaft vom Boom. Gute Möglichkeiten gebe es aber auch in den Branchen Medizintechnik, Biotechnologie, Sicherheitsbereich sowie hochwertigen Maschinen. Ähnliches gilt nach Aussagen Nikitenkos für Russland. High-Tech sei aber auch in Indien gefragt, stellte Dirk Matter, Geschäftsführer bei der Deutsch-Indischen Handelskammer in Düsseldorf, fest.

Bei Schwellenländern – als solche können die BRIC-Staaten schon noch bezeichnet werden – sollten Risiken immer berücksich­tigt werden. In Brasilien liegt nach Meinung der Länderexperten ähnlich wie in Russland vor allem in drei Bereichen einiges im Argen: Problematische Sicherheitslage, schwerfällige Bürokratie und mangelhafte Infrastruktur zählen zu den Problemen, mit denen sich Geschäftsleute herumschlagen müssen.

„Fit für Chinindia“
Risiken für die Geschäfte entstehen allerdings nicht nur durch problematische Rahmenbedingungen vor Ort, sondern auch durch eigenes Fehlverhalten bei Gesprächen und Verhandlungen. Expertinnen für interkulturelle Beziehungen warteten bei der Veranstaltung in der IHK-Akademie mit Tipps und Tricks auf, wie man Fettnäpfchen vermeiden kann. Anette Hammerschmidt aus München, die in Brasilien aufgewachsen ist, rät grundsätzlich, „zuerst einmal die europäische Hektik abzulegen und sich auf die neue Situation einzuschwingen“. Vertrauen als Person zu gewinnen, sei wichtig.

In China und Indien sollte vor allem darauf geachtet werden, dass flache Hierarchien nicht gelebt und verstanden werden. Da gebe es, erklärte Hanne Seelmann-Holzmann aus Heroldsberg zwischen beiden Ländern kaum Unterschiede. Allgemein ermuntert sie Inves­toren, sich „fit für Chinindia zu machen“, verbunden mit dem Appell: „Immer genügend Zeit für Strategieplanung vorsehen.“ Die Polin Barbara Dudkowski aus Schwandorf erinnerte die rund 70 Seminarteilnehmer daran: „Respekt auf Deutsch heißt etwas anderes als Respekt auf Russisch oder Chinesisch.“ Wesentlich bei Geschäften in osteuropäischen Staaten sei es, sich zu einem Teil der Gruppe zu machen.

Die aktuellen steuerlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für ein geschäftliches Engagement in den BRIC-Staaten erläuterten Experten der Nürnberger Kanzlei Rödl & Partner. Rechtsanwalt Marcus Felsner zum Beispiel stellte fest, dass „Brasilien das wahrscheinlich komplexeste Steuersystem der Welt hat“. Allgemeiner Rat: Bei einer Geschäftsgründung in einem dieser Länder sollte man sich auf einen erfahrenen rechtskundigen Experten verlassen.

Für diejenigen, die das erste Mal den Sprung in eines dieser Länder wagen, könnte sich ein Blick auf die Homepage von Bayern International lohnen (www.bayern-international.de). Eric Zwintz, Vizegeschäftsführer bei dieser Außenhandelsförder-Gesellschaft des Freistaates Bayern, verwies vor allem auf die staatlichen Unterstützungen durch Messebeteiligungen und Delegationsreisen. Bei einer solchen Gelegenheit ist aus einer „Liebe auf den ersten Blick“ für ein bestimmtes Land schon oft ein neues ertragreiches Geschäftsfeld geworden.

Autor/in: 
Stephan Mühlbaur
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2008, Seite 18

 
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