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Was macht eigentlich...?

Steff Reisch

Als Außenläufer war Stefan „Steff“ Reisch in den frühen Sechzigern beim Club für „die Kunst“ zuständig. Der zündende Funke, der tödliche Pass aus bedrängter Situation, das war sein Metier. Heute sucht er nach 45 Jahren im eigenen Zeitungsladen in Erlenstegen einen Kaufinteressenten.

Reischs Toto-Lotto-Tabak-Schreibwaren-Fanutensilien-Laden in der Sulzbacher Straße 175 ist mit 155 Quadratmetern sehr weiträumig – aber es geht eng zu. Unzählige Regale, Zwischenwänden gleich, bilden ein Labyrinth, die Wände gefüllt mit Klebestiften, Schreibheften, Geschenkpapier, rot-schwarzen Mützen und Trikots...

So ähnlich eng muss es früher auf dem Platz gewesen sein, wenn sich Reisch am wohlsten fühlte. Mit einer genialen Körpertäuschung konn-te er ein Rudel Gegner abschütteln, ohne aufzuschauen den Pass in die Spitze schicken, so dass etwa Nationalmannschafts- und Vereinskollege Heinz Strehl nur noch zu vollstrecken brauchte. Mit 18 kam Reisch direkt aus der Jugend in die erste Clubmannschaft – damals Oberliga Süd. Trainer Herbert Widmayer machte den jungen Filigrantechniker sofort zum Stammspieler. 1961 deutscher Meister, 62 Vize und Pokalsieger, 63 im Endspiel – "der Club war damals ein Spitzenverein in Deutschland", erinnert sich der heute 67-jährige.

Seine elegante Spielweise, die lockere Haartolle, modische Kleidung und ein offenes Wesen prädestinierten ihn zum Publikumsliebling. Dabei war Reisch kein reiner Techniker à la Helmut Haller, nicht nur fußballerischer Schöngeist. Ein Leben lang machte die Mischung aus hartem Arbeiter und elegantem Künstler seinen Charme aus.

Reisch ist gebürtiger Ungar, nach dem Krieg verließ die Familie wie die meisten Donauschwaben die Heimat. "Wir waren bitterarm, zwei Kühe, ein paar Schweine, ein kleiner Weinberg. Mein Vater hat sich nebenbei als Landarbeiter verdingt", erinnert sich Reisch noch heute. In Herrieden bei Ansbach ließ man sich nieder. Die harten Jahre scheinen ihm fürs Leben nicht geschadet zu haben. Obwohl er immer ein lustiger Typ war, war Reisch nie leichtlebig. Das verdiente Geld wurde gut angelegt und investiert – und durch nicht gezählte Elf-Stunden-Schichten im Laden seit den frühen Siebzigern vermehrt. Seine Frau Irene brachte die kaufmännische Ausbildung mit und Reisch Hartnäckigkeit und Kommunikationstalent. Seltsam – irgendwie scheint diese Mischung aus strebsamer Arbeiter und künstlerischer Leichtigkeit im Blut zu liegen: Der 1964 geborene Sohn von Steff und Irene studierte erst Maschinenbau, entdeckte dann aber seine Liebe zum Tanzen und besitzt heute in der Schweiz eine gut gehende Tanzschule.

Reischs Verbundenheit mit dem Club ist geblieben, obwohl er ja damals die Karriere in der Schweiz ausklingen ließ. Das kam so: Reisch scheut bis heute nicht ein offenes Wort und als er 1967 bei Club-Trainer Max Merkel sagte, was er dachte, war ruckzuck Schluss mit lustig: Trotz gültigem Zweijahresvertrag verließ er den Heimatklub, ging in die Schweiz (ein Jahr Neuchatel), nach Belgien (zwei Jahre FC Brügge) und nach Basel. Dann kam er heim nach Franken, führte seinen Laden und erwarb südlich von Nürnberg ein Haus mit großem Garten. Einmal wöchentlich treffen sich die Kumpels von einst, Leupold, Wild, Brungs, Nüssing, Kreißel, Volkert, Heini und Heinz Müller und wie sie alle heißen zum Kicken. Und was denkt er über den heutigen Club? "Der Meyer hat das am Anfang fantastisch gemacht, dieser Aufbruch, einmalig. Doch wenn man genau hinsah, hat man schon vor dem Pokalsieg gemerkt, dass ein Knacks da war. Der Wechsel war wohl fällig, aber vom von Heesen bin ich bislang nicht überzeugt. Er hat gar nichts bewegt. Wie er immer so reglos auf der Bank sitzt, nie eingreift, das ist meine Art nicht." Ein leiser Trainer war Reisch gewiss nicht, als er nach der aktiven Zeit etliche Amateurklubs rund um Nürnberg weiter brachte; erst als Spielertrainer-, dann nur noch auf der Bank: "Mein Wesen ist mehr von Temperament geprägt. Ein von Heesen war ich nie."

Steff Reisch ist Steff Reisch geblieben, auch nach Jahrzehnten in seinem Laden in der Äußeren Sulzbacher Straße: Schwarze Hose, schwarzes Sportshirt, schlank, die Haare geföhnt und etwas länger. Gerader Blick und fester Händedruck, offene Worte. Am liebs-ten will er aber heute – je eher desto besser – viel häufiger die chice Stoffhose mit Shorts und Gummistiefeln tauschen, mehr Zeit in seinem riesigen Garten verbringen: "Ich bin jetzt 67 und ich würde sehr gerne den Laden verkaufen, bis Ende des Jahres." Interessenten erreichen ihn unter 0911/59 37 44.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2008, Seite 33

 
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