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Abmahnungen

Die Welle rollt

Abmahnungen sind grundsätzlich sinnvoll, um Auseinandersetzungen vor Gericht zur vermeiden. Aber allzu oft wird die Grenze zur Abzockerei überschritten. Von Oliver Stigler

Privat oder geschäftlich, per E-Mail, per Post oder per Einschreiben: Die Welle der Abmahnungen rollt unaufhörlich und das Internet lässt sie stetig ansteigen. Grundsätzlich ist die Absicht, die der Abmahnung im Wettbewerbsrecht zugrunde liegt, positiv zu sehen: Wettbewerbsverstöße bzw. Schutzrechtsverletzungen werden mit der Androhung angezeigt, gerichtlich dagegen vorzugehen. Durch die sogenannte Unterwerfung des Abgemahnten soll eine Wiederholungsgefahr ausgeräumt und ein Prozess vermieden werden. Die Abmahnung hat hohe praktische Relevanz, denn nach Schätzungen dürften sich 90 bis 95 Prozent aller gerügten Wettbewerbsverstöße im Abmahnverfahren erledigen. Und auch im Gesetz schlägt sich diese Bedeutung nieder: Denn im Zuge der ersten UWG-Reform (UWG 2004) wurde als Sollvorschrift gesetzlich verankert, dass erst abgemahnt werden soll, bevor ein gerichtliches Verfahren eingeleitet wird. Die Abmahnung ist also grundsätzlich durchaus ein effizientes Mittel, um Streitigkeiten außergerichtlich beizulegen. Dies ist auch im Interesse der Schuldner, denen zeitraubende und kostspielige Gerichtsverfahren erspart bleiben.

In der unternehmerischen Praxis wird die Abmahnung noch in den klassischen Fällen der Schutzrechtsverwarnung auftauchen, beispielsweise bei Marken-, Patent- oder Musterverletzungen sowie bei klassischen Wettbewerbsverstößen aus dem Beispielskatalog des § 4 UWG i. V. m. oder der sogenannten schwarzen Liste.

In der Regel erfolgt die Abmahnung, um eigene Interessen zu verteidigen. In der Praxis verabschiedet sich das Abmahnwesen allerdings von diesem Grundsatz: Denn Massenabmahnungen nach dem Grundsatz „einer gegen viele“ haben stark zugenommen. Dabei werden oft Verstöße abgemahnt, bei denen eine wettbewerbsrechtliche Relevanz fraglich ist.

Durch gesetzliche Neuerungen, z.B. im Bereich des Verbraucherschutzes oder aufgrund EU-Regelungen, ändert sich die Rechtslage schnell, sodass der Überblick schwer fällt. Zudem werden durch neue Kommunikations- und Handelsformen neue Tatbestände geschaffen: So machen sich viele Kleingewerbetreibende ohne kaufmännische Kenntnisse, die sich im eBay-Handel engagieren, angreifbar und setzen sich dem Risiko von Abmahnungen aus. Ähnlich verhält es sich bei der Teilnahme an Musiktauschbörsen (File-Sharing), weil häufig das Bewusstsein fehlt, dass dadurch Rechte Dritter verletzt werden.

Missbräuchliche Abmahnungen

Wenn Rechtsverletzungen schnell und effizient durch Unterwerfungs- bzw. Unterlassungserklärungen für die Zukunft abgestellt werden sollen, muss der Abmahnende auch den Aspekt der Kostenerstattung beachten. Dieser wettbewerbsrechtliche Grundsatz der Erstattung von Abmahnkosten ist inzwischen auch gesetzlich geregelt in § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG für unlautere geschäftliche Handlungen und in § 97 a Abs. 1 Satz 2 UrhG für die Urheberechtsfälle.

Durch Abmahnkosten, die oft mit der Forderung eines pauschalen Schadensersatzes verbunden sind, wird eine Abmahnung richtig teuer. Die Streitwerte, die von den Gerichten in Bereichen des gewerblichen Rechtsschutzes zugrunde gelegt werden, führen oft zu Anwaltskosten von bis zu mehreren Tausend Euro. Insofern bleibt beim Betroffenen nicht selten der Eindruck zurück, bei Massenabmahnungen gehe es den Absendern ausschließlich um die Gebühreneinnahmen und nicht um den Schutz ihrer Rechte.

Richtiges Verhalten des Abgemahnten

Es spielt jedoch eine ganz wesentliche Rolle, ob sich der Abgemahnte nach Erhalt einer Abmahnung richtig verhält. Es gilt auf der einen Seite, kostenvermeidend zu reagieren, auf der anderen Seite muss die richtige Weichenstellung für eine Verteidigung gegen die Abmahnung getroffen werden.

Diese Entscheidung ist wichtig und auch kurzfristig zu treffen. Auch wenn der Abgemahnte den Eindruck hat, es handle sich um Abzocke oder Missbrauch, darf er die Abmahnung nicht einfach ignorieren. Denn das kann zu beträchtlichen Folgekosten führen. Ein häufiger Fehler ist es, pauschal und „freihändig“ die Berechtigung der erhaltenen Abmahnung zu beurteilen. Hier ist guter Rat vom Fachmann gefragt: Er kann beurteilen, inwieweit die Abmahnung berechtigt ist oder ob überhaupt eine wettbewerbsrechtliche Relevanz vorliegt. Und er kann auch einschätzen, unter welchen Gesichtspunkten ein Vorgehen gegen die Abmahnung empfehlenswert ist.

Wenn man als Abgemahnter auf eine modifizierte Unterlassungserklärung hinaus will, sollte man die sogenannte Verletzungsform genau definieren und sich bei der Abgabe der Erklärung nur auf diese beziehen. Zudem sollte man sich Aufbrauch- oder Umstellfristen vorbehalten. Eine vorformulierte Unterlassungserklärung sollte keinesfalls ungeprüft unterzeichnet werden, da darin oft unverhältnismäßig hohe Vertragsstrafen festgelegt werden oder ein zu großer Schutzbereich für zukünftige Verletzungen festgelegt wird. Man sollte auch keine uneingeschränkte Unterlassungserklärung abgeben. Denn die kann als Schuldeingeständnis verstanden werden, wodurch die Verteidigung gegen Schadenersatzforderungen stark erschwert würde. Oftmals empfiehlt es sich auch, sich nicht nur mit der erhaltenden Abmahnung zu befassen, sondern auch mit der Person des Abmahnenden.

Vermeiden von Abmahnungen

Kostengünstiger ist jedoch, eine Abmahnung von vorneherein zu vermeiden. Wer einen Internet-Auftritt gestaltet, sollte zunächst unbedingt klären, ob er mit (Domain-)Namen, mit Bildern oder mit der Gestaltung der Seite Rechte Dritter verletzt. Auch über notwendige Pflichtangaben, Informationspflichten oder die richtige Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) muss man sich aufklären lassen. Dabei empfiehlt es sich, einen mit diesem Bereich befassten Anwalt zu konsultieren. Denn eine wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzung bedarf der Kenntnis der einschlägigen Rechtslage. Und es muss geklärt werden, wie man formell richtig reagiert.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2010, Seite 40

 
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