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Japan

Wie geht es weiter?

Die Dreifach-Katastrophe aus Erdbeben, Tsunami und Atom-Desaster zieht die Wirtschaft stark in Mitleidenschaft.

Japan macht die schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg durch, darüber sind sich alle einig. Zum menschlichen Leid kommen die wirtschaftlichen Schäden, deren Höhe noch nicht ansatzweise kalkuliert werden kann. In den Teilen des Landes, die nicht direkt von der Katastrophe betroffen sind, kommt es zu Produktionsausfällen und Lieferengpässen. Die Versorgung mit Strom und Energie ist infolge der Atomstörfälle rationiert und auch Transportwege sind beeinträchtigt.

Zwar trägt die vom Tsunami am heftigsten verwüstete Region im Nordosten Japans nach Kenntnis des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) nur rund drei Prozent zur Wirtschaftsleistung des Landes bei. Doch auch der Großraum Tokio ist betroffen – vor allem aufgrund von Stromunterbrechungen, einem dadurch reduzierten Bahnverkehr, aber auch angesichts der Ungewissheit über das Ausmaß der möglichen lokalen Strahlenbelastung.

Situation ist kritisch

Bis auf Weiteres rechnet der DIHK mit erheblichen Einschränkungen des wirtschaftlichen Lebens und mit Produktionsausfällen. Unternehmen in Japan werden dazu angehalten, den Energie- und Stromverbrauch auf ein Mindestmaß zu senken, um einen „Blackout“ zu verhindern. Japans Regierung hat die Strom- und Energieversorgung im gesamten Land rationiert und mehrstündige Stromsperren angeordnet. Benzin wird ebenfalls nur sehr eingeschränkt zur Verfügung gestellt und Wasser und Lebensmittel werden allmählich knapp. Auch öffentliche Transportsysteme wie Bahn- und Flugverkehr sind beeinträchtigt.

Abzusehen ist eine Verteuerung des Yen, da japanische Unternehmen Gelder aus dem Ausland abziehen, um möglichst schnell am heimischen Standort handlungsfähig zu sein. Allerdings werden dadurch die japanische Exporte verteuert.

Deutsche Mitarbeiter dürfen gehen

Deutsche Firmen in Japan sind bislang relativ unbeschadet von dieser Katastrophe, doch bleibt die Sicherheitslage weiterhin unklar. Laut Aussage der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in Japan haben es fast alle deutschen Unternehmen ihren Mitarbeitern freigestellt, den Großraum Tokio zu verlassen. Familien und Kinder wurden in den meisten Fällen ins Ausland gebracht. Manager haben sich in West-Japan in Sicherheit gebracht und halten – soweit es geht – von dort den Betrieb aufrecht, berichtet die AHK, deren Büro in Tokio zum Redaktionsschluss dieser WiM ebenfalls noch geschlossen war.

Der Wiederaufbau der verwüsteten Regionen wird vermutlich Jahre dauern und eine gewaltige Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen nach sich ziehen. Dies könnte die japanische Wirtschaft mittelfristig wieder ankurbeln, so die AHK, die sich dabei auf die Erfahrungen von der letzten großen Erdbebenkatastrophe 1995 in Kobe bezieht. Erste Schätzungen gehen von einem mindestens ähnlich hohen Schadenswert aus.

Japans Bedeutung für die Weltwirtschaft

Japan war bis 2009 über 40 Jahre lang nach den USA die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, erst 2010 wurde das Land von China auf den dritten Platz verdrängt. Die stark exportorientierte japanische Volkswirtschaft trägt ca. 8,5 Prozent zum Welt-Bruttoinlandsprodukt bei und hat einen Anteil von 4,4 Prozent am Welthandel.

Nach wie vor ist Japan eines der wichtigsten Industrieländer der Welt, führend insbesondere in den Bereichen High-Tech, Innovation sowie Forschung und Entwicklung. Als Trendsetter und Innovationsmotor ist Japan unverändert ein maßgeblicher Global Player – mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf von über 40 000 US-Dollar und einem Markt mit rund 127 Mio. Menschen. Sorge bereitet seit Jahren die hohe Staatsverschuldung, die inzwischen über 220 Prozent des BIP erreicht hat. Allerdings sind die Besitzer der Staatsschuldentitel größtenteils Inländer, in erster Linie Pensionsfonds. Zugleich besitzt Japan Devisenreserven von über einer Billion Euro – weltweit die zweithöchsten nach China.

Deutsch-japanische Wirtschaftsbeziehungen

Bis 2002 war Japan der wichtigste Wirtschaftspartner Deutschlands in Asien, dann wurde es von China auf Platz zwei verdrängt. Umgekehrt ist Deutschland für Japan der wichtigste Handelspartner in Europa. Insgesamt hat die Bedeutung des japanischen Marktes für die deutsche Wirtschaft in den letzten Jahren aber abgenommen. Mit Exporten von rund 13 Mrd. Euro gingen 2010 lediglich ca. 1,4 Prozent der deutschen Gesamtausfuhren nach Japan. Aus Japan wurden Waren im Wert von 22 Mrd. Euro importiert, die damit ca. 2,7 Prozent der deutschen Gesamtimporte ausmachen. Traditionell weist der bilaterale Handel ein Defizit für Deutschland aus. Die deutschen Direktinvestitionen in Japan liegen bei ca. 8,9 Mrd. Euro, während die japanischen Direktinvestitionen in Deutschland mit ca. 14,4 Mrd. Euro beachtlich sind.

Die Liste der wichtigsten deutschen Exportgüter für Japan wird angeführt von chemischen Erzeugnissen, Maschinen sowie Automobilen und Kfz-Teilen. Umgekehrt importiert Deutschland aus Japan vor allem elektronische Erzeugnisse, Maschinen und ebenfalls Fahrzeuge und Fahrzeugteile. Die deutsche und japanische Wirtschaft sind in vielen Bereichen Wettbewerber, da sie in ähnlichen Sektoren stark sind – wie etwa in den Branchen Automobil, Maschinenbau, Chemie, Elektrotechnik oder Pharmazie. Deutschland und Japan stehen auch vor ähnlichen Herausforderungen wie etwa eine alternde Gesellschaft oder die Abhängigkeit von Rohstoffimporten.

Enge Verbindungen zur Region

Rund 430 Unternehmen aus der Region Nürnberg unterhalten Kontakte zu japanischen Geschäftspartnern. Von ihnen sind rund 150 mit dauerhaften Engagements in Japan vertreten, also mit Produktionsstätten, Niederlassungen oder Joint-Ventures.

Zu den Unternehmen mit langjährigem Japan-Engagement zählen das Kerntechnik-Unternehmen Areva NP in Erlangen und die Siemens AG. Beide setzen sich mit Hilfsaktionen für die Menschen im Katastrophengebiet ein: Areva hat zusammen mit anderen Unternehmen und Institutionen der Kerntechnikbranche Hilfslieferungen auf den Weg gebracht, die insbesondere kerntechnische Schutzausrüstung beinhalten. Die Siemens AG leistet vor Ort Soforthilfe und stellte u.a. Ausrüstungen für Laboruntersuchungen und mobile Wasseraufbereitungsanlagen im Wert von insgesamt zwei Mio. Euro zur Verfügung. Außerdem wurden alle Siemens-Mitarbeiter weltweit zu Spenden aufgerufen.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2011, Seite 14

 
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