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E-Bilanz

Stau in der Datenleitung

Bilanzdaten elektronisch an das Finanzamt übermitteln und damit Zeit und Kosten sparen. Diese Ziele der E-Bilanz werden in der Praxis verfehlt. Von Monika Hofmann; Illustration: Anton Atzenhofer

Mit der E-Bilanz will das Bundesfinanzministerium die administrativen Kosten in den Unternehmen spürbar senken. Künftig sollen deshalb alle bilanzierenden Betriebe dem Finanzamt neben ihrer Steuererklärung auch Daten aus ihrer Bilanz und ihrer Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) elektronisch übermitteln. Das Ziel ist die papierlose Kommunikation mit dem Staat.

„Grundsätzlich begrüßen wir solche Schritte in Richtung Digitalisierung“, kommentiert Georg Geberth. „Vorausgesetzt, dadurch werden die Prozesse tatsächlich einfacher und schneller.“ Der Direktor für Steuerpolitik bei der Siemens AG bezweifelt jedoch, dass dies mit dem E-Bilanz-Verfahren, wie es jetzt geplant ist, erreicht werden kann. Denn das Bundesfinanzministerium sieht vor, von den Firmen nicht einfach nur eins zu eins die steuerrelevanten Daten aus Bilanz und GuV auf elektronischem Weg übermitteln zu lassen, sondern es will mehr: Diese dort enthaltenen Informationen sollen teilweise bis ins kleinste Detail aufgegliedert werden. „Das Finanzministerium schlägt eine Taxonomie, also eine Art Kontenrahmen für die Übermittlung vor, der sehr tief aufgeschlüsselt ist“, erläutert Geberth. Neben den üblichen Konten gibt es noch vielfältige Unter- und Unterunterkonten. Für die Siemens AG heißt das, dass sie erwägen müsste, neben der Bilanzierung nach dem internationalen Rechnungslegungsstandard IFRS und nach Handelsgesetzbuch (HGB) einen dritten Buchungskreis einzuführen. „Denn es soll künftig eben nicht mehr reichen, die Daten aus der Handelsbilanz, die Überleitungsrechnung und die GuV zu übermitteln, sondern die Forderungen des Fiskus gehen sehr viel weiter ins Detail“, gibt Geberth zu bedenken.

Anpassungen im Rechnungswesen

Genau hier liegt das Problem. „Bleibt es bei dieser Gliederungstiefe, müssen Unternehmen nicht nur ihre Informationstechnologie technisch anpassen, sondern auch ihr Rechnungswesen organisatorisch modifizieren.“ Daher rechnet Geberth mit einem deutlich höheren Aufwand, als das Finanzministerium veranschlagt. „Während man dort von nur 500 000 Euro für alle betroffenen Firmen ausgeht, dürften die Umstellungskosten in der Praxis eher bei mindestens 5 000 Euro pro Unternehmen liegen, also insgesamt mehrere Milliarden Euro betragen.“

Was die Umstellung auf die E-Bilanz weiter erschwert, ist der Zeitdruck. Siemens gehört zu den Unternehmen, die an der Pilotphase teilnehmen. Sie läuft im ersten Halbjahr 2011, anschließend wird das Verfahren gegebenenfalls nochmals angepasst. Ab 2012 soll die E-Bilanz dann für alle Firmen reibungslos funktionieren. „Dieser Zeitrahmen ist ohnehin knapp bemessen, daher wäre eine weitere Verschiebung um ein Jahr sinnvoll“, ist Geberth überzeugt. Zudem plädiert er dafür, die Gliederungstiefe zumindest ein Stück weit zurückzunehmen. „Nur so wird die E-Bilanz für die Unternehmen umsetzbar.“

Diese Einschätzung teilt auch der Rechts- und Steuerausschuss der IHK Nürnberg für Mittelfranken. Das eigentliche Ziel der E-Bilanz ist, dass die in Papierform abgegebene Bilanz zukünftig einfach elektronisch abgegeben werden soll. Dies wurde bisher von der Wirtschaft unterstützt. „Anderseits darf das neue Verfahren aber nicht zum Einfallstor für zusätzlichen Aufwand werden“, unterstreicht Oliver Baumbach, Leiter des Geschäftsbereiches Recht/Steuern der Nürnberger IHK, mit Nachdruck. Würde jedoch wie geplant die E-Bilanz mit der Gliederung kommen, würde diese Befürchtung wahr. „Damit würde ein Informationssystem draufgesattelt, das allein den Finanzbehörden hilft, den Unternehmen dagegen nur weitere Belastungen beschert“, befürchtet Baumbach. Kleinere Kapitalgesellschaften mit bis zu 50 Beschäftigten, die bisher in ihrer Bilanz 23 Pflichtfelder auszufüllen haben, müssten künftig 178 Felder berücksichtigen. Größere Firmen hätten fast mit einer Verdreifachung der Pflichtfelder zu rechnen. Das ursprüngliche Ziel, das Verfahren zu vereinfachen und so die Firmen zu entlasten, würde mit einer solchen Gliederungstiefe durchkreuzt.

Zeitplan unklar

Doch nicht nur im Hinblick auf den Datenumfang, sondern auch auf die zeitliche Planung holpert die Umsetzung der E-Bilanz. Ursprünglich sollte das neue Verfahren schon für Geschäftsjahre ab 2011 starten. Allerdings hatte das Finanzministerium erst Ende August 2010 in einem 321-seitigen Papier veröffentlicht, welche konkreten Daten die Firmen aus ihrer Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung künftig an die Steuerbehörden übermitteln sollen. Im Steuerbürokratieabbaugesetz heißt es zu diesem Punkt, das Ministerium könne in Eigenregie den Mindestumfang dieser Daten vorgeben. „Über dieses Ziel schießt es aber deutlich hinaus“, mahnt der IHK-Rechts- und Steuerausschuss. Angesichts der komplexen Anforderungen brauchen die Firmen zumindest mehr Zeit, um die technischen und organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen. Daher haben IHKs und Wirtschaftsverbände in einem gemeinsamen Papier gefordert, die E-Bilanz um mindestens ein Jahr zu verschieben – und dies inzwischen auch durchgesetzt.

„Bestätigen sich nun in der laufenden Pilotphase unsere Befürchtungen, sollte das Finanzministerium seine Vorgaben erheblich zurückschrauben“, verlangt Baumbach. „Letztlich geht es darum, die Digitalisierung so umzusetzen, dass Unternehmen und Finanzverwaltung gleichermaßen von Bürokratie entlastet werden.“

Wenn die E-Bilanz mit der jetzt geplanten Gliederungstiefe tatsächlich kommt, müssen Unternehmer ihre Buchhaltung anpassen und auch ausbauen. „Denn mit der E-Bilanz verlagern sich die Schwerpunkte weg von der Steuererklärung zur Buchhaltung, das heißt die geforderten Informationen gehen zum einen deutlich weiter ins Detail, als es für die Handelsbilanz nötig ist“, erläutert Steuerberater Prof. Dr. Christian Schmidt, Partner und Niederlassungsleiter für die Region Nordbayern bei der Deloitte & Touche GmbH, Nürnberg. „Zum anderen ist ein erheblicher Schulungsaufwand nötig sowie eine Anpassung der IT-Systeme, die vielfach unterschätzt wird.“ Angela Strigl, Steuerberaterin und Director International Tax Outbound bei Deloitte kann eine Entlastung der Unternehmen durch die E-Bilanz, wie von der Finanzverwaltung behauptet, nicht erkennen. „Im Gegenteil, der bürokratische Aufwand nimmt mit der E-Bilanz erst einmal drastisch zu und pendelt sich später auf höherem Niveau ein.“

Bei den Experten verfestigt sich der Eindruck, dass die E-Bilanz in erster Linie dazu dienen soll, den Finanzbehörden die Betriebsprüfung zu erleichtern. Denn mit Hilfe von Prüfroutinen werden die Daten gleich bei der Übermittlung geprüft, um Unplausibilitäten genau unter die Lupe nehmen zu können. Geplant ist zudem, dass die Datenübermittlung als fehlgeschlagen gilt, wenn solche Unstimmigkeiten auftauchen. „Dies kann dazu führen, dass die gesamte Steuererklärung als nicht abgegeben gilt und dass die Unternehmen mit Säumniszuschlägen rechnen müssten“, betont Angela Strigl. Klar ist jetzt schon, dass der zusätzliche Aufwand nicht nur von der Implementierung neuer oder angepasster Software verursacht wird. Die Unternehmer müssen ferner mit Kosten für die Änderungen der Buchungsprozesse und mit dem immer wieder anfallenden Aufwand für die Schulung der Mitarbeiter rechnen. Wer auch immer buchungsrelevante Prozesse anstößt oder dokumentiert, sei es im Einkauf, Vertrieb oder Rechnungswesen, sollte sich gezielt mit diesen Neuerungen befassen, rät Angela Strigl. Was die Situation weiter verschärft: Mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) gelten ohnehin neue Regeln für die Geschäftsjahre ab 2010. Viele Firmenchefs müssen bereits aus diesem Grund mit Zusatzaufwand rechnen, und jetzt kommt noch die E-Bilanz noch dazu. 

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2011, Seite 21

 
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