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Chocolatiers

Das süße Leben

In den Schokoladen-Markt kommt Bewegung: Kleine Betriebe wollen mit handwerklicher Fertigung und mit individuellem Genusserlebnis bei den Kunden punkten.

Die Deutschen sind Spitzenreiter, was den Appetit auf Schokolade angeht. Über elf Kilo nascht jeder Bundesbürger pro Jahr. Übertroffen werden sie lediglich von den Schweizern, die es auf einen Pro-Kopf-Konsum von zwölf Kilo bringen. Fünf Mrd. Euro werden jährlich in Deutschland mit Tafeln, Riegeln und Pralinen umgesetzt.

Schokoladen-Kunst in Handarbeit und neue Formen des süßen Genusses wollen Chocolatiers und Spezialgeschäfte vermitteln. Zahlreiche solcher Geschäfte haben in letzter Zeit in Mittelfranken eröffnet. Dazu gehören nicht nur größere Ketten wie Hussel,
Eilles, Most, Neuhaus oder der Schweizer Chocolatier Läderach, der gerade eine Filiale in der Breiten Gasse eröffnet hat. Es sind auch die vielen kleinen Familienbetriebe, die dem Chocolatier-Markt seine besondere Note geben.

Wer in Nürnberg in Sachen Schokolade und Pralinen auf Entdeckertour geht, stößt unweigerlich auf die „Lebkugeln“ von Wolfgang Marx (www.lebkugeln.de). Der gelernte Koch hat seinen Beruf an den Nagel gehängt und fertigt in Handarbeit ausgefallene Pralinen für verschiedene Geschäfte. Eine feine an Lebkuchen erinnernde Creme ist hauchdünn mit Schokolade überzogen. „Das ist mein besonderes Produkt, das mittlerweile sogar schon im Ausland ein sehr geschätzter, einzigartiger Trüffel ist.“

Der Trend zu neuen Variationen und Kreationen ist für den „Schokoladen-Missionar“ unübersehbar. „Schokolade bietet gigantische Kombinationsmöglichkeiten ohne Grenzen, die aber industriell nicht in der Breite herzustellen sind.“ Marx komponiert im Kopf und testet dann aus. Eine hauchdünne Pyramide mit Maracuja-Füllung oder Pralinen mit Dattelfüllung und arabischen Gewürzen. Mal nutzt er die Vielfalt des Olivenöls, mal sind es Bärlauch-Pralinen, oder er bietet weiße Schokolade mit süßem und mittelscharfem Senf und einem Hauch Lachs oder er verarbeitet Leberwurst mit Preiselbeeren.

Er vereinheitlicht die Rohstoffe und Zutaten nicht zu einer standardisierten Rezeptur, sondern sucht die Unterschiede. Er verkostet die Angebote aus den unterschiedlichen Ländern, die rund um den Äquator angebaut werden, um regionale Eigenheiten geschmacklich erlebbar zu machen. Sogar Jahrgangsschokolade von einer bestimmten Plantage aus Peru gibt es, bei der wie beim Wein jeder Jahrgang unterschiedlich schmeckt.

„Es gib ja generell bei Lebensmitteln einen Trend zu höherwertigen Rohstoffen“, weiß Josephine Remm, Filialleiterin der im vergangenen Herbst in der Nürnberger Königsstraße eröffneten Filiale der Goethe Schokoladentaler-Manufaktur. Es wird auf Konservierungsstoffe und Farbstoffe verzichtet, das Sortiment orientiert sich stärker an der Saison. Im Sommer wird es mit Brombeere oder Limette sehr fruchtig. Die Manufaktur begeistert die Laufkundschaft nicht nur mit ihrer Schauproduktion, bei der Chocolatiers Pralinen, Trüffel, Goethe-Schokoladentaler oder Schokoladentafeln fertigen. Auch die Seminare zum Selbermachen sind stark gefragt. Remm will auch das Firmenkundengeschäft ausbauen und Unternehmen mit speziellen Firmenevents auf den Schokoladengeschmack bringen (www.goethe-schokoladentaler.de).

Überhaupt scheint der Vormarsch der Schokolade an eine neue Erlebniskultur im Handel geknüpft zu sein. Das Chocolat in der Hutergasse, das mehrfach von einer Gourmet-Zeitschrift unter die besten „Schokoboutiquen“ Europas gewählt wurde, lädt zum schokoladigen „Göttertrank“ oder zur Degustation am Schokoladenfondue ein. Dort werden auch Schokobrunnen verliehen oder für ein besonderes Catering Etagere mit feinen Pralinen bestückt. Mit Seminaren wie „Wein & Schokolade“ oder „Von der Kakaobohne zur Edelschokolade“ will Laden-Chefin Sandra Calabrese die Geheimnise handgeschöpfter und hochwertiger Schokoladen verdeutlichen (www.chocolatnuernberg.de).

Die vor einem Jahr in Erlangen eröffnete Patisserie Macaron hat sich auf den Verkauf besonderer Kompositionen von französischen und belgischen Patissiers spezialisiert, die laut eigenem Anspruch „Ästhetik und Perfektion, handwerklichen Anspruch und Leichtigkeit“ vereinen. Täglich finden sich im wechselnden Angebot etwa sieben Törtchen sowie rund 20 bunte Mandelplätzchen, die namensgebenden Macarons (www.macaron-erlangen.de).

Schon seit sechs Jahren gibt es in Feucht den SchokoLaden von Barbara Schrott, die vor einem Jahr bereits ihr zweites Geschäft am Marktplatz in Altdorf eröffnete. „Wir sind über den Genuss zur Schokolade gekommen“, sagt Ehemann Werner, der eigentlich in der Kfz-Branche zu Hause ist, während seine Frau eine gelernte Pharmazeutisch-Technische Assistentin ist. In den Läden finden sich handgegossene Schokoladenkompositionen mit Lavendel und Waldfrucht oder eine weiße Schokolade mit Erdbeeren und Zwetschgen (www.der-schokoladen.com).

Der wachsende Appetit auf Schokolade wird auch von den Branchenverbänden flankiert. Sie propagieren den Genuss von Süßigkeiten als Teil einer ausgeprägten Genusskultur im Alltag, loben Schokolade – natürlich in Maßen genossen – bzw. den Eiweißbaustein Tryptophan aus der Kakaobohne, der durchaus zu einer besseren Stimmung verhelfen kann.

Ob die Stadt Fürth diesen Aspekt im Blick gehabt hat, ist nicht überliefert. Fest steht aber, dass die Kleeblattstadt vor zwei Jahren ihre eigene Schokolade, die „Fürther Schokoträume“ vorgestellt hat. Hinter der süßen Versuchung steckt die Sorte „Schoko-Biene“ des österreichischen Herstellers Josef Zotter. Er bezieht Rohstoffe wie Kakao und Rohrzucker seit Jahren in Bio-Qualität über fairen Handel, um einerseits die Lebensbedingungen von Kleinbauern in Entwicklungsländern zu verbessern. Andererseits kauft er so auch höhere Qualitäten an Kakaobohnen. „Konventionelle Monokulturen im Anbau machen den Pflanzen mehr Stress und verbrauchen mehr Wasser und Dünger“, erzählt Zotter (www.zotter.at).

Erstmals ist Zotter auf der vom Nürnberger Laden „Fenster zur Welt“ initiierten Schokoladenwerkstatt auf dem Erfahrungsfeld der Sinne auf der Wöhrder Wiese präsent. Dort kann man mit einer Passiermühle eine „Urschokolade“ herstellen, so wie in der Frühzeit der Schokolade. Dazu gibt es reichliche Informationen über die Entstehung der Kakaobohne und die Arbeit auf dem Feld. Ein 30 Kilogramm schwerer Jutesack vermittelt einen Eindruck davon, was Kinder auf den Plantagen im afrikanischen Ghana schleppen müssen.

Auch das Dinkelsbühler Haus der Geschichte lockt noch bis Anfang Juni mit der „Mitnasch-Ausstellung Kakao & Schokolade“. Große und kleine Besucher können selbst geröstete Kakaobohnen zerreiben und Schokolade herstellen. Die Ausstellung wurde von Michaela Karg miteröffnet. Die gelernte Köchin und Konditorin aus Feuchtwangen war bei dem Wettbewerb „World Chocolate Master 2009“ im Pariser Salon du Chocolat nicht nur die erste Frau überhaupt, die es auf das Siegertreppchen geschafft hat, sondern erstmals kam ein deutscher Chocolatier unter die Top 3. „Mit diesem Titel könnte man überall auf der Welt einen Laden erfolgreich aufmachen, aber ich fühle mich in Feuchtwangen wohl“, sagt Karg. Sie ist nach zehn Lehrjahren in der ganzen Welt nun dabei, das väterliche Café am Kreuzgang zu übernehmen (www.cafeamkreuzgang.de).

Auch für sie ist der Trend zu hochwertiger Schokolade unübersehbar, persönlich hält sie aber nicht soviel von „verrückten Sachen mit Bier oder so“. Trotzdem lässt sie sich auch zu hauchdünnen Schokoladenblättchen mit französischem Meersalz oder rotem Pfeffer hinreißen. Zu Ostern hat sie historische Blechformen genutzt, um formschöne Osterhasen zu gießen.

Maître Chocolatière darf sich Anna Kaerlein aus Burgbernheim nennen, Inhaberin des Geschäftes Chocolaterie & Patisserie Grand Cru. Mit der Bezeichnung Grand Cru („Großes Gewächs“), das eigentlich Spitzenweine aus bester Weinbergslage betitelt, möchte Kaerlein ihren Anspruch auf Produkte von höchster Qualität unterstreichen. Sie ist Gewinnerin der Goldmedaille in der Patisserie bei den „Culinary Olympics 2008“ in Erfurt und möchte als Mitglied der deutschen Nationalmannschaft der Köche eine neue, moderne Art der Herstellung, Verarbeitung und Präsentation der süßen Kunst weitergeben. Kaerlein produziert nicht nur auf Anfrage die Lieblingssorten von Kunden, sondern bietet auch ein monatliches Pralinenabonnement (www.chocolateriegrandcru.de).

Selbst die Schokoladen-Liebhaber, die Mittelfranken nur auf der Autobahn durchkreuzen, kommen auf ihre Kosten. Einen Steinwurf von der A3 entfernt lockt in Burghaslach die mkm – Manufaktur für Geniesser mit dem Fabrikverkauf der Marke momami. Das 2006 gegründete Unternehmen beschäftigt saisonal rund 70 Mitarbeiter und verkauft bislang weltweit in 20 Ländern (www.einfach-nur-geniessen.de).

An der A9 Richtung München hat Schocolat im Hilpoltsteiner Gewerbegebiet eröffnet. Dort kann man nicht nur Pralinen, Tafelschokoladen, Torten und individuelle Schokoladenkunstwerken kaufen, sondern auch einen Blick in die gläserne Produktion werfen (www.schocolat.de).

Schokoladengenuss ganz anderer Art bietet der Nürnberger Noris Chocoservice. Das Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, mit Lebensmittelfarben fast jegliche Art von Grafik auf Schokolade zu bringen. Digitale Fotos, Zeichnungen und andere Vorlagen kommen in Fotoqualität auf die Schokolade (www.chocoleum.eu).

Autor/in: 
Thomas Tjiang
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2011, Seite 38

 
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