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Stellenabbau konkret: Härten, Möglichkeiten, Alternativen

Das Deutsche Netzwerk Wirtschaftsethik, das Institut Persönlichkeit + Ethik sowie die Consors Discount-Broker AG hatten zur zweiten Veranstaltung der Reihe „Unternehmensethischer Salon“ eingeladen. Diese Reihe nimmt sich verschiedener Themen an, die für Unternehmen von Interesse sind und die die gesellschaftliche Diskussion bewegen. Man wolle damit, so Moderator Dr. Andreas Grabenstein vom Erlanger Institut Persönlichkeit + Ethik, einen „intimen Denk- und Bildungsraum für Führungskräfte“ bieten, bei dem Profis aus ihrer Rolle heraus treten können und die Möglichkeit zu Gedankenaustausch und Querdenken haben. Gäste der Podiumsdiskussion waren Arno Heid, Leiter des Personal- und Sozialwesens der Schwanhäußer Industrie-Holding aus Heroldsberg, Prof. Dr. Karl-Albrecht Schachtschneider, Lehrstuhlinhaber für öffentliches Recht an der Universität Erlangen-Nürnberg, und Klaus Wonneberger, Leiter des Wirtschaftsressorts bei den Nürnberger Nachrichten.

Grabenstein stellte einleitend die Thesen zur Diskussion, ob Unternehmen zu sehr als „Gewinnmaximierungs-Maschinen“ konzipiert seien, Stellenabbau in Krisenzeiten der Königsweg sei und ob sich daher Ethik und Erfolg ausschlössen. Wonneberger verwies in seiner Einschätzung auf das „fragwürdige Privileg“ ferner Konzernzentralen gerade bei Personalentscheidungen und nannte als positive Gegenbeispiele die kleineren und mittelständischen Unternehmen, die in der Region ihre Verankerung hätten. Jedoch habe sich dies schlagartig geändert, es fehle an einzelnen Unternehmerpersönlichkeiten vom Schlage eines Grundig oder Schickedanz. „Die Entscheider-Distanz hat das Klima kälter gemacht“, so Wonneberger. Er stelle seit einiger Zeit fest, dass zunehmend Entscheidungsbefugnisse aus dieser Region abgezogen würden, was er sehr bedauere, denn Betroffenheit und Nähe hingen zusammen.

Eine ähnliche Auffassung vertrat Arno Heid, der jedoch auch die betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten für den Gesamterfolg eines Unternehmens berücksichtigt wissen wollte. Allerdings falle die Ausgestaltung von Stellenabbau, wenn sie denn unumgänglich sei, in inhabergeführten, regional verankerten Unternehmen nach seiner Überzeugung individueller und menschlicher aus, als dies bei Großkonzernen überhaupt möglich sei.

Prof. Schachtschneider verwies in seinen Ausführungen darauf, dass der Arbeitsmarkt nicht nur ein Markt, sondern ein politisches Problem sei und daher der Staat in der Pflicht stehe. Er könne die Aussage, wonach Stellenabbau die Produktivität erhöhe, nicht teilen, denn durch die Freisetzungen und deren Alimentierung steige die gesellschaftliche Soziallast. „Die Kosten bleiben gesellschaftlich gleich“, sie würden nur von der Privatwirtschaft in die Sphäre des Öffentlichen, der Allgemeinheit verlagert. Weiterhin plädierte Schachtschneider für ein Recht auf Arbeit als Menschenrecht. Er leite dies aus der Menschenrechtscharta ab, die ein Recht auf Eigentum kenne. Wenn Eigentum nur durch Arbeit zu erlangen sei, dann gehöre das Recht auf Arbeit auch zu den Menschenrechten, da sonst Eigentumsrechte nicht zu verwirklichen seien, so Schachtschneider. Seiner Auffassung nach laufe die Internationalisierung der Wirtschaft den Sozialpflichten der Nationalstaaten zuwider. „Die Wirtschaftshoheit der Völker ist verloren gegangen!“ Die globale Kapitalverkehrsfreiheit ließe das Geld über die Freiheitsrechte der Bürger dominieren und dieser Verlust an Nähe berge Zwänge, die schwer beherrschbar seien. Er forderte eine Festschreibung des Sozialprinzips in der Weltwirtschaftsordnung, damit das Recht als hohes Gut nicht zur Ware im Wettbewerb würde.

Wonneberger sah die Phase der so genannten New Economy als Beleg dafür, dass eine Wirtschaft ohne Moral dringend der Regulierung bedürfe. „Wirtschaften braucht Rahmenbedingungen politischer Natur!“ Dies, so Wonneberger weiter, habe sich gerade durch die Deregulierungen offenbart. Heid betonte, dass auch in Fragen der Führung die persönliche Bindung und das sichtbare Vorhandensein von Menschen eine große Rolle spiele. Es sei daher auch Teil einer globalen Wirtschaftsethik, die Arbeitsplätze in den verschiedenen Ländern nicht gegeneinander auszuspielen. Prof. Dr. Hans-Günter Ulrich vom Institut für Sozialethik der FAU warf die Frage auf, was die Erwartung an eine Ethik sei, die mehr als „die Watte im Sarg“ sein solle. Schachtschneider beantwortete dies klar mit der Auffassung, der Einzelstaat und sein Gebiet sei das Territorium staatlicher Verantwortung. Gerade die sehe er aber zunehmend ausgehöhlt, da Unternehmensübernahmen meist zu Entscheidungsferne führen und damit die einzelstaatliche Verantwortung schmälern würden: „Unternehmensinteresse ist Gewinn, Gewinn ist Vermögen und Vermögen verpflichtet.“ Schachtschneider kritisierte die de facto fehlende Konjunkturpolitik des Staates durch die zu starre Fixierung der Staatsausgaben auf die Maastricht-Kriterien. Eine über Schulden finanzierte Konjunkturpolitik sei das kleinere Übel, da gesellschaftliche Stabilität langfristig mit stabilen Verdienst- und damit Beschäftigungsverhältnissen zusammenhänge. „Die Kapitalvernichtung über Staatskredite wird irgendwann Notwendigkeit werden, könnte jedoch helfen, Menschen in Arbeit zu bringen“, so Prof. Schachtschneider. Es sei völlig naiv zu glauben, diese Kredite könnten jemals zurückgezahlt werden, doch sehe er die größere Gefahr, „dass uns der Staat verloren geht“ in einer Ohnmacht vor einer Wirtschaft, die das Problem der Verteilung nicht kleiner gemacht und bisher nicht befriedigend gelöst habe.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2003, Seite 33

 
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