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Wie sieht es in Mittelfranken mit dem Nachwuchs aus?

Die Region Nürnberg bringt vergleichsweise viele Abiturienten hervor. Sorgen macht jedoch der hohe Anteil von Jugendlichen ohne jeden Schulabschluss.

In einer schrumpfenden und alternden Gesellschaft ist es eine besondere bildungspolitische Herausforderung, die Bildungs- und Begabungsreserven junger Menschen vollständig auszuschöpfen. Deutschland wird es sich auf Dauer nicht leisten können, einen großen Teil der Jugendlichen ohne formalen Schulabschluss oder ohne berufliche Ausbildung in eine Arbeitswelt zu entlassen, die für Ungelernte immer weniger und schlecht bezahlte Arbeitsplätze bietet. Die Unternehmen und Betriebe melden verstärkt Bedarf sowohl an hoch qualifizierten Hochschulabsolventen als auch an gut ausgebildetem Facharbeiternachwuchs. Ob den Unternehmen in Mittelfranken künftig geeignete Bewerber zur Verfügung stehen werden, zeigt der Blick auf Schulabschlüsse und Bildungskarrieren von Schülern und Jugendlichen.

Bayernweit machte im Schuljahr 2004/ 05 ein gutes Drittel der Schüler einen Hauptschulabschluss, 37 Prozent hatten einen mittleren Schulabschluss und jeder Fünfte die Fachhochschul- oder Hochschulreife. Mittelfranken lag dabei weitgehend im Trend, fiel allerdings durch eine überdurchschnittlich hohe Quote von Schulabgängern ohne Hauptschulabschluss auf. Durchschnittlich jeder Zehnte verließ die Schule ohne Hauptschulabschluss. Besonders viele waren es in Fürth (16 Prozent) und Nürnberg (13 Prozent). Diese problematisch hohe Quote weist nicht nur auf eine Verschwendung von Ressourcen während der Schulzeit hin. Sie birgt auch weitere Probleme für eine Gesellschaft, in der schon heute chancenlos bleibt, wer die Schulen und Ausbildungseinrichtungen ohne Abschluss verlässt.

Hauptschule in ländlichen Regionen mit hoher Akzeptanz
Mit Hauptschulabschluss oder Quali verließen immerhin ein gutes Drittel die Schulen. Es fällt auf, dass diese Quote in den Landkreisen teilweise deutlich über dem Durchschnitt lag. Spitzenreiter sind die Landkreise Roth mit 43 Prozent, Fürth mit 40 Prozent und Weißenburg-Gunzenhausen mit 39 Prozent der Hauptschulabsolventen. Dies zeigt, dass die Hauptschule hier eine breit akzeptierte Schulform ist. Ihre vollständige Abschaffung – wie sie gelegentlich diskutiert wird – wäre nicht unproblematisch. Viel wichtiger ist es, die Schulabgänger mit entsprechenden praxistauglichen Kenntnissen in die Arbeitswelt zu entlassen und ihnen so eine anschließende Berufsausbildung zu ermöglichen.

Unternehmen, die bei der Nachwuchsrekrutierung lieber nach Abiturienten Ausschau halten, stoßen auf wenig Probleme. Mittelfranken hat im Vergleich zu Bayern eine überdurchschnittliche Abiturientenquote: 23 Prozent gegenüber 21 Prozent. Besonders hoch war sie in der Universitätsstadt Erlangen (37 Prozent), in Ansbach (34 Prozent) und in Erlangen-Höchstadt (31 Prozent), wo sich zweifellos die Nähe zur Forschungs- und Wissenschaftsstadt Erlangen auswirkt. Generell lagen die mittelfränkischen Ballungsräume Nürnberg, Fürth, Erlangen und Schwabach im oder sogar über dem Durchschnitt, während die Landkreise meist deutlich darunter blieben. In den Landkreisen Roth, Ansbach und Weißenburg-Gunzenhausen hatten 2005 nur zwischen zwölf und 16 Prozent der Absolventen Abitur oder Fachabitur.

Dieses Szenario ändert sich in Zukunft nicht grundlegend, wie die Übertrittsquoten an die weiterführenden Schulen aus dem Jahr 2002/03 zeigen. Während in Erlangen über die Hälfte der Viertklässler den Sprung ans Gymnasium schaffte, war es in Weißenburg-Gunzenhausen nur gut jeder Vierte. Erlangen und Schwabach können seit 1989/90 sogar leichte Anstiege verzeichnen, während die Anteile in den meisten Landkreisen, mit Ausnahme von Nürnberger Land, stagnieren. Auch die Übertrittsquoten an die Realschulen weisen seit der Einführung der sechsstufigen Realschule1991/92 kaum auf einen möglichen Boom an Absolventen in den nächsten Jahren hin. Allenfalls leichte Zuwächse gab es in den Landkreisen Ansbach, Erlangen-Höchstadt und Fürth. Nach wie vor hoch ist mit über 50 Prozent dagegen der Anteil der Übertritte an die Hauptschulen in Fürth und Nürnberg, wo die Quote seit 1989/90 sogar gestiegen ist.

Die breiteste und wichtigste Basis für den betrieblichen Nachwuchs mittelfränkischer Unternehmen bieten die beruflichen Schulen. Hier lag die durchschnittliche Erfolgsquote 2004/05 bei rund 71 Prozent. Allerdings schwankten die Anteile der erfolgreichen Absolventen in den Städten zwischen weit überdurchschnittlichen 82 Prozent in Schwabach und 67 Prozent in Fürth. In den mittelfränkischen Landkreisen waren zwischen 74 Prozent (in Ansbach) und 60 Prozent (in Roth) erfolgreich. Erfolglos und ohne Abschluss mussten in Mittelfranken nur fünf Prozent die beruflichen Schulen verlassen. Das lag unter dem bayerischen Durchschnitt von sieben Prozent.

Auch hier gab es aber deutliche Diskrepanzen zwischen Städten (drei Prozent in Erlangen und Schwabach) und Landkreisen (neun Prozent im Nürnberger Land). Immerhin noch jeder vierte Berufsschüler brach in Mittelfranken 2004/05 die Schule ab; besonders viele waren es in den Landkreisen Roth und Weißenburg-Gunzenhausen (ca. 36 Prozent). Dies weist auf deutliche Probleme gerade in dieser Region hin und verdient ungeachtet eines generell positiven Befundes bei den Berufsschulabschlüssen besondere Beachtung. Unsere Gesellschaft wird es sich auf Dauer nicht leisten können, die Bildungskarrieren von Jugendlichen in eine Sackgasse münden zu lassen. Hier ist frühzeitiges Eingreifen schon während der Schulzeit, spätestens aber berufsschulbegleitend in Form von Intensivierungs- oder Tutorenangeboten gefordert.

Insgesamt beenden in Mittelfranken zu viele Jugendliche ihre Schullaufbahn ohne die Mindestqualifikation des Hauptschulabschlusses, auch die Abbrecherquoten an den Berufsschulen verheißen wenig Gutes. Bei gleichbleibenden schulischen Strukturen und sinkenden Schülerzahlen werden die Unternehmen noch stärker um die gut Qualifizierten konkurrieren. Boomende Regionen müssen sich wenig Gedanken über den Nachwuchs und hohe Abiturientenquoten machen.

Der besonderen Aufmerksamkeit bedürfen jedoch Städte und Landkreise in strukturschwachen Gebieten, die vor allem auf Facharbeiternachwuchs angewiesen sind. Um hier Schulversagen und -abbruch zu vermeiden, sollte gerade die Ausbildungsfähigkeit der Hauptschüler durch Zusatzstunden und praktische Berufsvorbereitung, im Idealfall in Form einer Ganztagesschule, verbessert werden. Ähnliches muss für abbruchgefährdete Berufsschüler gelten. Es ist für Betriebe und Gesellschaft zweifellos eine teure Alternative, Schulabgänger in zusätzlichen und keineswegs immer Erfolg versprechenden Maßnahmen erst ausbildungs- und arbeitsmarktfähig zu machen. Die Finanzierung einer effizienten ersten Schul- und Berufsschulausbildung verspricht hier den größeren Erfolg und lässt die Probleme, die später nur durch sozialstaatliche Maßnahmen behoben werden können, gar nicht erst entstehen.

Externer Kontakt: Dr. Juliane List, Redokan Consulting, Nürnberg, juliane.list@t-online.de
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2007, Seite 18

 
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