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Räum- und Streupflicht

Rutschiges Terrain

Schneeräumpflicht © Thinkstock.com/SBSArtDept

Unternehmer sind im Winter verpflichtet, auf Gehwegen und auf dem Betriebsgelände für sicheren Tritt zu sorgen.

Wenn der erste Frost und die ersten Schneefälle einsetzen, müssen auch Unternehmer auf Gehwegen und auf Grundstücken, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind, der Räum- und Streupflicht nachkommen. Juristisch ausgedrückt unterliegen sie der Verkehrssicherungspflicht: Wer eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, muss dafür sorgen, dass niemand deswegen zu Schaden kommt. Bei Verstößen drohen hohe Schadensersatzforderungen und im schlimmsten Fall sogar eine Freiheitsstrafe.

Grundsätzlich obliegt es den Gemeinden, die Wege zu räumen und zu streuen. Die meisten Gemeinden haben aber per Satzung die Räum- und Streupflicht für die Straßen, Wege und Plätze den anliegenden Grundstückseigentümern auferlegt. So hat beispielsweise die Stadt Nürnberg in § 20 der Straßenreinigungsverordnung (StrRVO) bestimmt, dass der Gehweg bei Schnee und Glatteis von Schnee zu befreien, bei Glätte zu bestreuen und in sicherem Zustand zu erhalten ist. Die Satzungen treffen meist auch weitere Regelungen, etwa die Uhrzeiten betreffend. In Nürnberg gilt beispielweise, dass die Gehwege von 7 bis 20 Uhr geräumt und gestreut sein müssen. Die Sicherungsmaßnahmen müssen gemäß § 20 Abs. 1 StrRVO bis 20 Uhr so oft wiederholt werden, wie es zur Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz erforderlich ist.

Die Verkehrssicherungspflicht betrifft aber nicht nur die Gehwege, sondern erstreckt sich auch auf das Betriebsgelände, wenn dieses für die Öffentlichkeit frei zugänglich ist und dort öffentlicher Verkehr zugelassen und geduldet wird (z. B. auf einem Kundenparkplatz vor dem Geschäft). Zahlreiche Gerichte waren schon mit der Frage befasst, wie die Räum- und Streupflicht auf Betriebsgeländen zu handhaben ist. Nach Auffassung des Landgerichts (LG) Coburg reicht es aus, wenn das Gelände vor dem Arbeitsbeginn und bis zum Arbeitsende geräumt und gestreut ist (Urteil vom 19. April 2002, Aktenzeichen 32 S 19/02). Eine Streupflicht bestehe nur auf Gehwegen, jedoch nicht zwischen geparkten Fahrzeugen, wenn geräumte und gestreute Zugangswege vorhanden sind, so das LG Coburg in einem weiteren Urteil vom 30. November 2011 (Aktenzeichen 21 O 380/11). Sogar die Wahl des Streugutes wurde schon Gegenstand von Gerichtsurteilen: So befand das Oberlandesgericht (OLG) Hamm, dass Hobelspäne als Streumittel ungeeignet sein können (Urteil vom 24. November 2014, Aktenzeichen 6 U 92/12).

Folgen bei Verstößen

Wird bei Schnee oder Glätte nicht gestreut und kommt dadurch jemand zu Schaden, haftet in der Regel derjenige, den die Räum- und Streupflicht trifft. Das kann bei schweren Verletzungen leicht sechsstellige Beträge kosten. Bei Körperschäden steht auch der Verdacht der fahrlässigen Körperverletzung im Raum, die mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft werden kann. Dabei geraten bei kleineren Unternehmen die Geschäftsführer und bei größeren Unternehmen die Verantwortlichen für die Liegenschaftsverwaltung (Facility Management) ins Visier der Staatsanwaltschaft.

Ausnahmen von der Haftung kann es bei besonderen Umständen geben, die ein Streuen zwecklos machen. Das kann der Fall sein, wenn das Streuen wirkungslos wäre, etwa weil es ununterbrochen stark schneit. Allerdings muss der Streupflichtige nachweisen, dass solche besonderen Umstände vorlagen und diese bis kurz vor dem Unfall angedauert haben (Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 7. Juni 2005, Aktenzeichen VI ZR 219/04). Das Landgericht Hamburg hatte dagegen geurteilt, bei andauerndem gefrierendem Regen müsse dennoch gestreut werden. Dadurch werde die Rutschgefahr zwar nicht vollständig beseitigt, aber zumindest verringert (Urteil vom 13. Januar 1998, Aktenzeichen 309 S 234/97).

Beauftragung eines Winterdienstes

Wenn eine externe Firma mit dem Winterdienst beauftragt wird, die möglichst auch die Haftung übernehmen soll, ist Folgendes zu beachten: Es ist zunächst zu überprüfen, ob die Firma überhaupt die sachlichen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen erfüllt. Es muss sichergestellt werden, dass die Betriebsausstattung ausreichend ist, damit die erforderlichen Arbeiten ordnungsgemäß erfüllt werden können. Der externe Dienstleister muss auch auf unvorhersehbare Ausfälle von Maschinen und Personal vorbereitet sein und rechtzeitig auf ungewöhnliche Wetterlagen (z. B. Blitzeis) reagieren können. Zudem muss dessen Räum- und Streuarbeit regelmäßig überprüft werden. Verstößt dann das beauftragte Reinigungsunternehmen gegen die Räum- und Streupflichten und verletzt sich deshalb ein Fußgänger wegen eines ungeräumten Gehwegs, ist der Auftraggeber von der Haftung wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht befreit.

Dennoch bleibt für den Unternehmer folgendes Problem: Gegenüber Kunden und Arbeitnehmern kann auf ihn weiterhin die sogenannte schuldrechtliche Haftung zukommen. Denn er hat auf dem Betriebsgelände gegenüber seinen Kunden die Pflicht zur Rücksichtnahme und gegenüber seinen Arbeitnehmern die Pflicht zur Fürsorge. Hat der beauftragte Winterdienst schlecht gearbeitet und jemand kommt zu Schaden, muss sich der Unternehmer das im Rahmen der schuldrechtlichen Haftung voll zurechnen lassen. Der Unternehmer haftet dann für den Schaden, den der beauftragte Winterdienst verursacht hat.

Pflichten für Vermieter und Mieter

Grundstückseigentümer, die ihr Grundstück vermieten, können die Verkehrssicherungspflichten vertraglich auf den Mieter abwälzen. Die Verkehrssicherungspflicht des Vermieters verkürzt sich dann auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht. Der Mieter haftet dann also, wenn jemand zu Schaden kommt, so der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 22. Januar 2008 (Aktenzeichen VI ZR 126/07). Wichtig dabei: Rechtlich auf der sicheren Seite ist der Vermieter nur dann, wenn er die Verantwortung durch eine Vereinbarung im Mietvertrag auf den Mieter überträgt. Entsprechende Regelungen in der Hausordnung reichen nicht aus, so das Amtsgerichts Köln in einem Urteil vom 27. Januar 2011 (Aktenzeichen 210 C 107/10).

Autor/in: 

Ferdinand Mang ist Rechtsanwalt und Redakteur bei der anwalt.de Services AG in Nürnberg, die das Anwaltsverzeichnis anwalt.de betreibt (redaktion@anwalt.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2016, Seite 34

 
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