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Familienunternehmen

Geld oder Liebe?

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Nachfolge in Familienunternehmen: Wie kommuniziert man, wenn Konflikte aufbrechen?

Aus psychologischer Sicht sind sowohl Familien als auch Unternehmen soziale Systeme, in denen menschliche Beziehungen gepflegt werden. Doch diese funktionieren in den beiden Fällen nach unterschiedlichen Logiken. In Familienunternehmen (oder sind es eher Unternehmerfamilien?) überlappen sich diese beiden Bereiche, was es noch komplizierter macht und wodurch sich eine ganz eigene Dynamik entwickeln kann.

Das Miteinander in Familien und in Unternehmen weist Gemeinsamkeiten, aber auch große Unterschiede auf:

  • Menschen spielen eine wesentliche Rolle, wenn auch nicht dieselbe.
  • Es wird kommuniziert, allerdings mit anderen Zielen und Zwecken.
  • Es gibt soziale Beziehungen, jedoch mit unterschiedlich emotionalem Tiefgang.
  • Das Miteinander wird durch Normen und Werte geregelt, die sich allerdings in den beiden Systemen teilweise diametral gegenüberstehen können.
  • Es kommt fast unweigerlich zu Konflikten, die allerdings in Familienunternehmen ihre ganz eigene Qualität haben. So kann man eine rein berufliche Beziehung im schlimmsten Fall beenden. Aber familiäre Bindungen lassen sich nicht einfach auflösen – nicht einmal durch die Option einer Scheidung.

Was heute in vielen Familienunternehmen als Herausforderung erscheint, war bis zur Industrialisierung jahrhundertelang ganz normal: Familie und Arbeit waren in den allermeisten Betrieben traditionell eng miteinander verbunden – und das über Generationen hinweg. Die heutige Loslösung der Nachfolgegeneration, ein autonomes und autarkes Leben der Kinder an einem anderen Ort, freie Wahl des Berufs oder sogar Selbstverwirklichung und die Entwicklung einer eigenen Identität – all das stand früher nicht so hoch im Kurs. Und genau hier liegen heute oft die Konfliktfelder. Sollen die Konflikte gelöst werden – beispielsweise mit dem Ziel der Betriebsübergabe – dann lohnt es sich, genauer auf die menschlichen Gegebenheiten zu schauen und sich bewusst zu machen, welche Logiken sich hinter den Beziehungen verbergen.

Nachfolge: Verpflichtung oder freie Wahl?

"Du willst doch nicht wirklich bei null anfangen?", fragte der Vater. "Doch, das will ich!", antwortete die Tochter eines Industrieunternehmers als sie ihren Eltern offenbarte, dass sie ein naturwissenschaftliches Studium beginnen möchte, statt den elterlichen Betrieb zu übernehmen.

Natürlich ist auch den Unternehmerfamilien bewusst, dass es ein Recht auf freie Berufswahl gibt. Deren Kinder berichten aber dennoch oft von ihrem Gefühl, quasi durch die Geburt zum Unternehmertum verpflichtet worden zu sein. Dazu passen auch die Erfahrungsberichte von zahlreichen Kindern, wonach die Priorität eher auf dem Unternehmen als auf der Familie liege. Dies war auch der vorherrschende Eindruck bei der jungen Frau, die studieren wollte. Sie wollte ihre eigene Identität ausbilden und sich nicht ausschließlich mit der elterlichen Firma identifizieren. Je mehr sie den elterlichen Wunsch spürte, das Unternehmen weiterzuführen, desto oppositioneller wurde sie. Im Ergebnis führte der Konflikt die Familie in eine ernsthafte Schieflage, sodass am Ende nur eine Familientherapie alle wieder miteinander ins Gespräch gebracht hat.

In Familienunternehmen sind familiäre und unternehmerische Interessen ständig gegeneinander abzuwägen. Das gelingt einmal mehr und einmal weniger gut. Und dort, wo die Abwägung misslingt, zeigt sich dies – ähnlich wie bei einer Sollbruchstelle – am wahrscheinlichsten bei der Frage der Unternehmensnachfolge. Das Gros der mittelständischen Unternehmen schafft laut einer Studie des Bonner IFM zur Unternehmensnachfolge nicht die Übergabe an die erste Nachfolgegeneration. Hinzu kommt, dass jeder zweite Übergabeprozess im weiteren Verlauf scheitert. Eine Weitergabe bis in die dritte Generation schaffen nur noch sehr wenige Unternehmen. Je nach Studie variieren die Angaben von vier bis 13 Prozent.

Einstellungen und Prägungen führen zu Konflikten

Woran kann diese niedrige Quote liegen? Ein Grund dürfte sein, dass viele Einstellungen und Prägungen der Familie oft lange unbewusst und unerkannt geblieben sind und sich spätestens dann bemerkbar machen, wenn es um die Betriebsübergabe geht. Das kann dramatische Folgen für das Familiengefüge und für das Unternehmen haben. Hat vielleicht der Firmengründer die tiefe Überzeugung, dass sein Unternehmen ausschließlich durch Fleiß, Anstrengung und Entbehrungen erfolgreich geworden ist, so wird es ihm schwerfallen, wenn die Nachfolgegeneration andere Prioritäten setzt und das Unternehmen beispielsweise stärker mittels Innovation vorantreiben will. Ein anderes Beispiel: Ist die Seniorchefin der Auffassung, dass die Angestellten sich unterzuordnen haben, wird sie möglicherweise stutzen, wenn ihre Tochter einen eher partnerschaftlichen Führungsstil pflegt. Tiefsitzende Überzeugungen dieser Art werden oft erst im Kontrast zur jüngeren Generation deutlich, doch dann ist es meist schon zu spät, um dem Konflikt noch vorzubeugen.

Gespräche über mögliche Konfliktfelder sollten also frühzeitig geführt werden und nicht erst dann, wenn die Nachfolgefrage ansteht. In offenen Gesprächen sollte geklärt werden, was der abgebenden und was der übernehmenden Generation wichtig ist, sodass das Konfliktpotenzial reduziert wird. Impulsfragen, die das Verborgene und Unbewusste offenlegen und einen guten Austausch ermöglichen, lauten beispielsweise:

  • Was möchte ich dir für das Unternehmen unbedingt mit auf den Weg geben und wie mache ich das?
  • Welche Werte halte ich als Unternehmerin und Unternehmer so hoch, dass ich bereit bin, für sie zu kämpfen?
  • Wenn mein Führungsstil eine Überschrift hätte, wie würde diese lauten?
  • Worin unterscheidet sich meine Art der Unternehmensführung von deiner?
  • Welche Erfahrungen, die ich selber gemacht habe, möchte ich dir ersparen?
  • Wo grenze ich mich mit meiner Art, das Unternehmen zu führen, ganz bewusst von deiner Art ab?

Konflikte in der Familie verlaufen anders

Herausfordernd sind nicht unbedingt die einzelnen Konflikte selbst, sondern die verschiedenen Arten, mit denen sie ausgetragen werden, und die unterschiedlichen Lösungen, die dafür jeweils gefunden werden müssen. Deswegen lassen sich Konflikte in der Unternehmenswelt auf der einen Seite und Konflikte in Familien auf der anderen Seite nur mit ihren jeweils eigenen Regeln lösen. Wie kann also so gestritten werden, dass am Ende ein harmonisches und erfolgreiches Miteinander steht – beruflich und privat?

Zunächst braucht es einen Blick auf die Unterschiede der beiden "Systeme" Familie und Unternehmen: Familien sind weit überwiegend menschen- und beziehungsorientiert. In ihnen wird kommuniziert, um sich einander zu vergewissern, Beziehungen zu stabilisieren und Zugehörigkeit spürbar zu machen. Werte wie Liebe, Nähe, Zärtlichkeit, Intimität, Zuwendung, Gleichheit und Gerechtigkeit sind in einer gesunden Familie quasi unveräußerlich. Wer die Beziehung zum Kind oder zu den Eltern "verzwecklicht" und auf ihren reinen Nutzen reduziert, bekommt meist schnell eine entsprechende Rückmeldung.

In Unternehmen sollte dagegen eine ausgeprägte Ziel- und Sachorientierung vorherrschen, denn ein sehr wichtiger Wert ist Geld. Das führt in den meisten Unternehmen zu einer Logik der Ungleichheit, zu Wettbewerb und zu Über- und Unterordnungsverhältnissen zwischen den Beteiligten.

Was also in einer Familie als wertvolle Ressource gilt, kann in einem Unternehmen geradezu in den Untergang führen – und umgekehrt. Das auszubalancieren, erfordert eine besonders achtsame Kommunikation und die sorgsame Trennung zwischen den Personen und ihrem Handeln.

Die Lösung liegt in guter Kommunikation

Wenn es bei der Kommunikation sowohl in der Familie als auch im Unternehmen gelingt, zwischen den Menschen und ihrem Handeln zu unterscheiden, dann ist schon eine wesentliche Grundlage für das gegenseitige Verständnis gelegt. Alle Beteiligten müssen sich klar machen, dass Menschen weit mehr sind als das, was sie tun. Sie können sich falsch verhalten oder eine falsche Entscheidung treffen, aber sie sind dadurch nicht selbst falsch. Wer Konflikte schon einmal beobachtet hat, weiß, dass sie oft auf der Sachebene beginnen und auf der persönlichen Ebene enden. Deswegen sollten Rückmeldungen immer auf ein ganz konkretes Verhalten zielen und nicht auf einen Charakterzug. Die Aussage "Du hast letzte Woche beim Vertragsabschluss einen zu hohen Preis beim Lieferanten gezahlt" wird viel eher angenommen als "Du bist verschwenderisch!". "Du hast in der Kalkulation einen Fehler gemacht“ kränkt weniger als "Du bist unaufmerksam!".

Wer es schafft, Kritik am konkreten Verhalten zu üben und zugleich eine "Liebeserklärung" an den Menschen auszusprechen, ist fast immer auf der richtigen Seite. Ankommen sollte diese Botschaft – unabhängig davon, wie sie im konkreten Fall formuliert wird: "Als Mensch bist du mir wichtig und wertvoll, aber mir gefällt nicht immer, was du tust." Auch ohne Kenntnis der Systemtheorie gilt in Familienunternehmen das, was fast immer gilt, wenn Menschen aufeinandertreffen: Miteinander verständnisvoll reden hilft!

Autor/in: 

Dr. Melanie Wolters

Die Familien- und Paartherapeutin Dr. Melanie Wolters unterstützt mit ihrer „Familienmanufaktur“ in Nürnberg und Seubersdorf auch Unternehmerfamilien bei der Konfliktlösung (www.familienmanufaktur.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2022, Seite 24

 
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