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Photovoltaik

Mehr Sonne im Betrieb!

SPEC_Mehr-Sonne-im-Betrieb-WiM-09-22-Illu-Anton-Atzenhofer © Anton Atzenhofer

IHK-Fachforum: Wie können Unternehmen Solarstrom im eigenen Betrieb erzeugen und nutzen?

Der massive Ausbau der erneuerbaren Energien ist ein zentraler Baustein, um die aktuelle Energiekrise zu lösen. Beim Fachforum "Photovoltaik – Chancen für Kommunen und Unternehmen" im Fürther Ronhof informierte die IHK Nürnberg für Mittelfranken über die betriebliche Nutzung der Solarenergie. Dr.-Ing. Robert Schmidt, Leiter des IHK-Geschäftsbereichs Innovation | Umwelt, erklärte, der Bedarf sei groß, aber die Umsetzung kein Selbstläufer. Der Freistaat Bayern wolle den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion bis 2025 auf gut 70 Prozent steigern, wobei die Photovoltaik (PV) eine Schlüsselrolle spiele. Um die deutschen Klimaziele zu erreichen, sei allerdings eine weitaus höhere Geschwindigkeit notwendig. "Das Ausbautempo muss sich um den Faktor 3 bis 4 beschleunigen. Aktuell sind wir viel zu langsam", unterstrich Schmidt. Durch die drastisch steigenden Energiepreise und die Unsicherheit bei der Versorgung werde die Eigenversorgung mit Solarstrom für Unternehmen und Kommunen zunehmend interessant.

Für den Albrecht Dürer Airport Nürnberg spielt die Solarenergie auf dem Weg zur Klimaneutralität eine zentrale Rolle. Zusammen mit der neuen, vierten PV-Anlage auf dem Parkhaus 4 könne im Sommer insgesamt eine Leistung von rund 2,3 Mio. Kilowattstunden (kWh) erreicht werden, erklärte Klaus Dotzauer, Leiter Finanzen und Controlling bei der Flughafen Nürnberg GmbH. Um die Klimaziele bis 2045 zu erreichen, hat eine Machbarkeitsstudie die westlichen Erweiterungsflächen als zusätzlichen Solarstandort identifiziert. Die Grundstücke befinden sich im Eigentum des Flughafens, werden aber derzeit landwirtschaftlich genutzt. Dotzauer kann sich vorstellen, dass auf den dortigen 4,5 Hektar trotz des Flächendrucks im Knoblauchsland Freiflächenanlagen installiert werden. Das wäre dann die erste Anlage dieser Art in Nürnberg. Würde das Projekt realisiert, könnte der Airport mit den knapp 4,8 Mio. kWh zwischen März bis September seinen Tagesbedarf an Strom decken. Bei guter Sonnenleistung könnte die nicht verbrauchte Energie gespeichert werden oder in eine Wasserstoffproduktion gehen. Ergänzend werden aktuell die Wärmenetze Ost und West verbunden und auf Fernwärme aus Hackschnitzel umgestellt. Weitere Maßnahmen sind unter anderem der Wechsel auf LED-Beleuchtung, die Erneuerung der Klimatechnik und eine energetische Gebäudesanierung.

Auf dem Fachforum beschrieb Frank Bernlochner, Vertriebsleiter für Industrie- und Gewerbekunden bei der Nürnberger Greenovative GmbH, den aktuellen politischen Rückenwind für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Das Energiesofortmaßnahmenpaket (sogenanntes "Osterpaket") schreibt den Vorrang nichtfossiler Energiequellen vor. Unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges in der Ukraine werden die Ausbauziele noch einmal erhöht beziehungsweise zeitlich vorgezogen, um eine größere Unabhängigkeit von Öl- und Gaslieferungen aus Russland zu erlangen. Deshalb sollen nun auf Dächern und Freiflächen Jahr für Jahr Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von 20 Gigawatt entstehen.

Zu den Einzelmaßnahmen des "Osterpakets" gehören unter anderem eine erhöhte Grenze für Ausschreibungsanlagen auf ein Megawatt sowie eine höhere Förderung von Volleinspeisungsanlagen. Der Anspruch auf eine Marktprämie für Anlagen mit einer Leistung von 300 bis 750 kWh wird erhöht. Das sei insbesondere für Betreiber mit weniger Eigenbedarf interessant. Im nächsten Jahr kommt dem Paket zufolge der Anspruch auf eine Marktprämie ohne Leistungsbegrenzung. Außerdem können künftig auch Moorflächen für Solaranlagen genutzt werden.

Betreibermodelle für PV-Anlagen

Für Unternehmen sieht Bernlochner vier unterschiedliche Betreibermodelle, um in diesem Segment aktiv zu werden: Dachflächenpacht, Sale and Lease Back, Contracting und Eigenverbrauch. Aus seiner Erfahrung ist die Dachflächenpacht der "Klassiker": Hierbei wird das Engineering für eine PV-Anlage (beispielsweise auf dem Dach einer Werkshalle) outgesourct, der Unternehmer erhält hierfür langfristig sichere Einnahmen. Immer interessanter werde das Sale and Lease Back, bei dem der Dacheigentümer selbst in eine PV-Anlage investiert und sie dann vermietet. PV-Anlagen für den Eigenverbrauch werden in der Regel von externen Spezialisten realisiert, das auftraggebende Unternehmen betreibt sie dann in eigener Regie und nutzt die erzeugte Energie. Beim Contracting übernimmt dagegen ein externer Partner in Eigenregie die Installation und den Betrieb der Anlage auf dem Gelände des Unternehmens, der davon in Form von geringeren Energiekosten und einem niedrigeren CO2-Ausstoß profitiert.

Greenovative begleitet solche PV-Projekte von der Planung und Finanzierung über die Genehmigung bis hin zur Umsetzung. In Mittelfranken hat der Energiedienstleister beispielsweise die Anlagen im Nürnberger Südwestpark und im Dietenhofener Werk von Playmobil realisiert. Das Unternehmen ist allerdings nicht nur Komplett-
anbieter von schlüsselfertigen Anlagen auf Gewerbedächern oder auf Freiflächen. Über eigene Betreibergesellschaften agiert es auch selbst als Betreiber von Solarparks.

Kommunen als PV-Betreiber

Die Kommunen seien einer der Schlüssel für die Energiewende, hätten hier allerdings noch Nachholbedarf, sagte Markus Buortesch, Mitgründer und Geschäftsführer von Greenovative. So hätten nur knapp 30 Prozent der bayerischen Gemeinden einen Solarpark. Eine Rivalität zwischen Landwirtschaft und PV-Freiflächenanlagen sieht er nur bedingt, denn die Energieausbeute von einem Quadratmeter Solarfläche liege 31-fach höher als die Energie aus einem Quadratmeter Energiemais. Zudem steigere eine PV-Freiflächenanlage die Artenvielfalt und erlaube eine extensive Beweidung mit Schafen. Die Finanzierung lasse sich beispielsweise durch eine Bürgerbeteiligung – eine Art Schwarmfinanzierung – bewältigen. Finanziell interessant sind die Anlagen auch in punkto Gewerbesteuer, denn seit vergangenem Jahr verbleiben 90 Prozent der Einnahmen des Solarparks in der Gemeinde – unabhängig vom Sitz der Betreibergesellschaft.

Der Ertrag einer Solaranlage mit einer Fläche ab drei Hektar liegt laut Buortesch erfahrungsgemäß je nach Sonneneinstrahlung bei einem Spitzenpeak von drei bis vier MWh. Die Lebensdauer der Komponenten liege mittlerweile bei 30 bis 40 Jahren. In der Praxis dauert das Bauleitplanverfahren wie beim Hausbau ungefähr zwölf bis 24 Monate. Für die eigentliche Bauphase seien zwei bis sechs Monate anzusetzen. 20 Prozent der belegten Modulfläche seien als Ausgleichsfläche bereitzustellen, so der grobe Richtwert.

Rechtliche Fragen

Aus juristischer Sicht ist der Einstieg in eine PV-Anlage allerdings alles andere als trivial. Das machte vor den Teilnehmern des Fachforums Rechtsanwalt Dr. Alexander Theusner, Associate Partner der Nürnberger Kanzlei Rödl & Partner, deutlich. Er veranschaulichte die zahlreichen Stationen einer Vertragsgestaltung, die bei einer Ausschreibung bis zur Inbetriebnahme möglich sind. Grundsätzlicher Rückenwind komme auch in juristischer Hinsicht vom "Osterpaket" der Bundesregierung: Der Ausbau der erneuerbaren Energien sei demnach nun "im überragenden öffentlichen Interesse" und diene der nationalen, öffentlichen Sicherheit. Für Theusner ist die sich daraus ergebene Abwägung der Schutzgüter rechtlich interessant, denn um das Ziel der Treibhausgas-Neutralität zu erreichen, sei eine Vorrangregel eingebaut worden – eine "Trumpfkarte im Konflikt mit dem Arten- und Naturschutz".

Unter den vielen Gesetzen, die im Zuge des Energiesofortmaßnahmenpaketes angepasst wurden, ist auch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Zur Jahresmitte ist die EEG-Umlage auf der Stromrechnung weggefallen. Theusner wies allerdings auf einen feinen juristischen Unterschied hin: Die Umlage sei nicht abgeschafft, sondern nur auf null gesetzt worden. Sie könnte also auch wieder hochgefahren werden. Als "enorme Vereinfachung" sieht er die neuen Regelungen für den Eigenverbrauch des Solarstroms: Künftig fallen keine Umlagen mehr auf Eigenverbräuche und Direktbelieferungen hinter dem Netzverknüpfungspunkt an. Bislang führte es immer wieder zu Streitigkeiten, wie etwa der Stromverbrauch externer Reinigungsdienste oder Handwerker oder das Kaffeekochen durch Mitarbeiter zu behandeln sind.

Neu geregelt sind auch die Stromkaufvereinbarungen (PPAs = Power Purchase Agreements) als neues Instrument der Strombeschaffung und Stromvermarktung. Dabei handelt es sich um oftmals langfristige Stromlieferverträge zwischen einem Großerzeuger und einem Großabnehmer. Hier können Verträge gestaltet werden, die eine Lieferung entweder über eine Direktleitung ("on-site") oder über das öffentliche Netz der allgemeinen Versorgung ("off-site") festlegen. Die PPA-Verträge können in juristischer Hinsicht eine physische Strombelieferung beinhalten, aber auch eine virtuelle Belieferung festlegen. Ein weiterer Aspekt der Vertragsgestaltung ist beispielsweise der Umfang der Belieferung, also etwa Leistungs- und Liefermengen, Fahrplan-Management oder auch Drittverkaufsoptionen des Anlagenbetreibers. Hinzu kommen auch die Festschreibung von Verfügbarkeit und Preisen sowie der Messestellenbetrieb und die Abrechnung. Immer wichtiger wird auch der Herkunftsnachweis für grünen Strom.

Herausforderung Netzstabilität

Über Herausforderungen beim Netzausbau und bei der Netzstabilität informierte Marcus Steurer, Geschäftsführer der Energieversorgers Infra Fürth GmbH. Derzeit zeichne sich das 20kV-/400V-Netz im Fürther Stadtgebiet durch seine hohe Versorgungssicherheit aus. Die geringe Versorgungsunterbrechung liege um zwei Drittel unter dem Bundesdurchschnitt. Allerdings stelle der massive Zubau von zusätzlichen Stromerzeugungsanlagen alle Netzbetreiber vor große Herausforderungen. Während im innerstädtischen Bereich mit seinem dichten Netz an Umspannwerken neue PV-Dachanlagen gut integriert werden könnten, sehe es im Nordwesten des Stadtgebietes problematisch aus: "Dort ist ohne Netzausbau nur ein Teil an Solaranlagen realisierbar."

Regenerative Energieanlagen erzeugen ihren Strom nicht abhängig vom Bedarf, sondern je nach Sonne oder Wind. Mit zunehmender dezentraler Einspeisung schwankt die Spannung stärker. Da Strom aber nicht wie Gas pufferbar ist, müsste er eigentlich exakt dann produziert werden, wenn er gebraucht wird. Bei einem massiven Zubau der geplanten PV-Stromerzeugung kann es daher zu Engpasssituationen im Netz des Energieversorgers oder im vorgelagerten Netz kommen. Die Folge: Obwohl nur neun Prozent der Jahresverbrauchsmenge aus alternativen Energiequellen erzeugt werden, muss das Netz der Infra für kurzzeitige Leistungsspitzen von über 50 Prozent des momentanen Lastmaximums ausgebaut werden.

Vor diesem Hintergrund sieht Steurer derzeit mehr Herausforderungen als Lösungen. Der starken Nachfrage nach neuen Netzverknüpfungspunkten stehen substanzielle Engpässe auf den Netzebenen 20 kV und 110 kV gegenüber. Dies sei kein isoliertes Fürther Phänomen, sondern betreffe den gesamten süddeutschen Raum. Daher müssten die bisherigen Netzplanungen entsprechend dem Bedarf der Energiewende aktualisiert werden. In der Praxis sind für den Infra-Chef substanzielle Ressourcen-Engpässe bei Planung, Genehmigung, Umsetzung und Betrieb vorprogrammiert. Die notwendige Ausbaudauer wird derzeit auf mindestens eine Dekade geschätzt. "Wir brauchen Unterstützung auf allen Ebenen, dann schaffen wir es", sagte Steurer.

In der anschließenden Podiumsdiskussion rund um den zu zündenden Solar-Turbo berichtete Fürths Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung über seine Erfahrungen mit dem vor 18 Jahren begonnenen Solarpark. Bedenken gab es damals, dass das Projekt auf einem Müllberg bei Regen abrutschen könnte. Die benachbarten Golfspieler sorgten sich, dass verschlagene Golfbälle die Solarpaneele beschädigen. Und die staatliche Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung befürchtete, dass Kapitäne auf dem daneben vorbeilaufenden Main-Donau-Kanal geblendet werden könnten. "Deutschland ist Bedenkenträgerland", so Jungs Eindruck. Das führe bei allen Vorhaben zu langen Verfahrensdauern. "Das können wir uns jetzt nicht mehr leisten."

Wilhelm Graf, Geschäftsführender Gesellschafter der Fürther Feser-Graf & Co. Automobil Holding GmbH, ist mittlerweile vom Solar-Skeptiker zum Solar-Fan mutiert. Das erste Projekt auf einer Lkw-Halle hat ihn 2010 so überzeugt, dass er den Ausbau vorangetrieben hat und ihm mittlerweile die Dächer für weitere Projekte ausgehen. Aktuell betreibt der Firmenverbund schon 15 PV-Anlagen.

Laut Bernd Fuchs, Co-Geschäftsführer bei Greenovative, wird die Photovoltaik immer attraktiver. Jahr für Jahr steige der Wirkungsgrad der Module um einen Prozentpunkt. Er sieht aber zwei große Hemmschuhe für den Ausbau der erneuerbaren Energien: zum einen die langen Genehmigungsverfahren (bei PV-Freiflächenanlagen etwa zwei Jahre) und zum anderen den Fachkräftemangel im Handwerk, der die Realisierung genehmigter Projekte erschwere und oft zu weiteren Verzögerungen führe.

Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber outete sich als E-Mobilist seit 2013. Er sieht sich in der Pflicht, bei der Energiewende die Gesellschaft besser an die Hand zu nehmen: "Dieser Faktor wird unterschätzt." Die rechtlichen Hemmnisse und Widerstände in der Gesellschaft sorgten dafür, dass es etwa bei Windkraftanlagen fünf bis sieben Jahre bis zur Genehmigung dauere – wenn es keine Klagen gebe. Das Ziel müssten aber drei bis dreieinhalb Jahre sein. Dafür stellt er sich eine spezielle Klagekammer für erneuerbare Energien an den Gerichten vor, die dann für beschleunigte Verfahren sorgen könnte.

Autor/in: 

(tt.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2022, Seite 34

 
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