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Corporate Citizenship

Engagement ohne Hintergedanken?

Engagement ohne Hintergedanken?

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Zukunft Live“ des Siemens-Forums in Erlangen diskutierten hochrangige Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Staat mit dem Vorsitzenden der Siemens AG, Dr. Heinrich von Pierer, über das Thema „Corporate Citizenship: Welchen Mehrwert schafft gesellschaftliches Engagement?“. Das Stichwort Corporate Citizenship umfasst zahlreiche Aspekte. Man versteht darunter z.B. die Unterstützung sozialer Organisationen, die Förderung von Jugendlichen, Lösungen für lebenswerte Städte und das Engagement für Kultur, Sport und Freizeit.
Das Übernehmen gesellschaftlicher Verantwortung gilt vielen Unternehmen inzwischen als Erfolgs- aber auch als Marketingfaktor. Immer mehr Firmen nehmen ihre soziale Verantwortung ernst und engagieren sich auf vielfältige Weise für die Gesellschaft. Dabei stellt sich auch die Frage nach einer Gegenleistung und danach, wie viel Engagement sich Unternehmen überhaupt leisten können, wollen und müssen.
Prof. Dr. Meinhard Miegel vom Institut für Wirtschaft und Gesellschaft in Bonn, eröffnete die Diskussionsrunde mit der Feststellung, dass es sich bei Corporate Citizenship um einen amerikanischen Re-Import handele. Dieses Konzept repräsentiere eine lange alteuropäische Tradition, die ein Bestandteil der vieldiskutierten Zivilgesellschaft sei: „Es geht um die Frage, wie man freien Bürgern Aufgaben des Staates zurückgibt, die dieser ohnehin nicht mehr bewältigen kann.“ Er verwies auf den engen Zusammenhang von Wirtschaft und Gesellschaft, die man in der theoretischen Auseinandersetzung nicht auseinander dividieren sollte: „Wirtschaft ist eine gesellschaftliche Veranstaltung und das hat eine lange Tradition.“ Hätten sich die Gilden und Zünfte des Spätmittelalters nicht aktiv eingebracht und eingemischt, so Miegel, sähen unsere Innenstädte – auch Nürnberg – anders aus. Die bayerische Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Christa Stewens, stimmte dieser Einschätzung zu und sprach sich gegen die zunehmende Regelungsdichte durch den Staat aus. Der Staat müsse sich in vielen Bereichen zurücknehmen, aber die Bürger müssten die hinzugewonnenen Freiheitsräume auch mit Verantwortung besetzen, mahnte die Ministerin.
Siemens-Chef von Pierer betonte, dass seines Erachtens Corporate Citizenship nicht zwingend mit Geld zu tun habe. Ein Unternehmen müsse neben den in Geld zu bewertenden Leistungen für die Gesellschaft auch bereit sein, seinen Mitarbeitern zu ermöglichen, sich selbst für das Gemeinwohl zu engagieren. Dies könne als Elternbeirat einer Schule ebenso geschehen wie in einem kommunalpolitischen Ehrenamt.
Im Gegensatz zu Dieter Kempf, dem Vorstandsvorsitzenden der Datev eG, der dem Konzept des Corporate Citizenship auch eine PR-Funktion zubilligte, wollte von Pierer eine klare Grenze zwischen Werbung, Sponsoring und Corporate Citizenship gezogen wissen: „ Bei Werbung geht es um Geld“, so Pierer, um kalkulierbare und mehr oder weniger messbare Erfolge.“ Bei gesellschaftlichem Engagement hingegen könne man kein buchhalterisches Aufrechnen der Gegenleistung vornehmen. Vom Staat etwas direkt zurückzufordern wäre in seinen Augen der falsche Weg. Er wandte sich auch entschieden dagegen, dass Löcher in öffentlichen Haushalten durch Unternehmen geschlossen werden. Dies könne nicht die Aufgabe der Wirtschaft sein, die ja über die Gewerbesteuer ohnehin erhebliche Beiträge zum Volksvermögen leiste. Prof. Miegel ergänzte, dass in Deutschland das Geld an sich kein Problem darstelle, es komme vielmehr auf die Verteilung des Erwirtschafteten an. Selbst in einem als schlecht geltenden Jahr wie 2001 erhöhe sich die Menge des gesellschaftlich zur Verfügung stehenden Geldes um 28 Mrd. DM, in guten Jahren seien es über 100 Mrd. DM. Entscheidend sei vielmehr die Tatsache, dass Deutschland seit Mitte der 50er Jahre ein Land ist, bei dem 50 Prozent des Bruttoinlandprodukts vom Staat verteilt werde. „Wenn Corporate Citizenship erfolgreich praktiziert werden soll, muss Einfluss auf diese Verteilungsquote zu Lasten des Staates genommen werden, sonst werden keine Gelder frei.“ Er sehe, so Miegel weiter, einen schwierigen nationalökonomischen Rahmen, was die Umsetzung solcher neuer Konzepte der Verantwortungs-Balance angehe. Die Bundesrepublik sei kein Musterland bürgerschaftlichen Verhaltens.
Alle Diskussionsteilnehmer waren sich darüber einig, dass es einer Reform des Stiftungsrechts bedarf, um sich den vorbildhaften Verhältnissen in den USA, wo Mäzenatentum Bestandteil der Lebens- und Wirtschaftskultur geworden ist, anzunähern. Alle, die in der Lage seien, sich zu engagieren, sollten dies auch tun. Dieser Appell richte sich in besonderem Maße an Eliten, und die seien – Humankapital im besten Sinn des Wortes – gerade in Unternehmen anzutreffen.
Oliver Dehn
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2002, Seite 20

 
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