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„Was sich rechnet, bedienen wir auch“

„Revolutionäre Schritte“ wurden nach Aussage von Dr. Jürgen Weber, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa AG, seit den 70er Jahren unternommen, um den internationalen Luftverkehr zu liberalisieren. Diese Bemühungen, so Weber beim 114. „Kammergespräch“ in der IHK, hätten zu einem immensen Wachstum des Luftverkehrs geführt und eine wesentliche Grundlage für die internationale Vernetzung geschaffen: „Ich übertreibe nicht, wenn ich sage: Luftverkehr ist heute gemeinsam mit der Telekommunikation ein kräftiger Motor der Weltwirtschaft und der internationalen Zusammenarbeit.“

Die Luftverkehrsbranche wurde in den letzten Jahrzehnten schrittweise ihrer hoheitlichen Funktion entkleidet, die Flaggen tragenden nationalen Luftverkehrsgesellschaften („flag carrier“) und die abgeschotteten Märkte mit starren Tarifen gehören der Vergangenheit an. So darf jede EU-Airline in einem anderen EU-Land auch Inlandsverkehr betreiben, und jeder hat im Binnenmarkt freien Marktzugang. Eine Folge der Liberalisierung war laut Weber u.a., dass Fliegen „überaus erschwinglich“ geworden ist. Durch die Marktöffnung hat sich die Zahl der jährlichen Fluggäste seit 1978 weltweit auf 1,6 Mrd. mehr als verdoppelt. Etwa 40 Prozent der weltweiten Exporte werden mit dem Flugzeug befördert. Im Exportland Deutschland hängen 700 000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt vom Luftverkehr ab. Einer Daumenregel zufolge wächst der Luftverkehr doppelt so schnell wie das jeweilige Bruttoinlandsprodukt der Staaten. Weber verwies auch auf politische Ziele der Liberalisierung: So sei die Europäische Union durch den Reiseverkehr enger zusammengewachsen („Integration durch Reisen“), die Aufnahme der polnischen Gesellschaft LOT in die Luftfahrt-Kooperation „Star Alliance“ Mitte 2003 werde auch die Integration des neuen EU-Mitgliedslandes Polen beschleunigen.

Verärgert zeigte sich Weber bei seinem Besuch in Nürnberg darüber, dass sich die Lufthansa durch eine nachhaltige Umstrukturierung fit für den Wettbewerb gemacht habe, jedoch durch noch vorhandene Wettbewerbsverzerrungen benachteiligt werde. So seien in den vergangenen zwölf Jahren in Europa schlecht geführte oder nicht mehr überlebensfähige Fluggesellschaften mit Subventionen in Höhe von 15 Mrd. Euro am Leben erhalten worden. Als Beispiele nannte der Lufthansa-Chef die schweizerische Swiss und die belgische Sabena. Weitere begrenzende Faktoren seien die „sträfliche“ Vernachlässigung der Infrastruktur, eine weiterhin hohe Regelungsdichte mit über 3 000 bilateralen Luftverkehrsabkommen sowie die Tatsache, dass zwar die Airlines in die Liberalisierung entlassen worden seien, jedoch nicht die Flugsicherung und die Flughäfen.

„Die ärgerlichsten Verzerrungen sind jene, die wir uns selbst zufügen“, meinte Weber mit Blick auf die Steuerbeschlüsse der Bundesregierung. So wären die Einführung der Mehrwertsteuer auf alle grenzüberschreitenden Flüge und die vorgesehene volle Besteuerung des Prämienprogramms „Miles & More“ deutsche Sonderwege, die die Lufthansa international stark belasten würden. Die Lufthansa denkt deshalb schon konkret darüber nach, das Unternehmen Miles & More mit 600 Mitarbeitern ins Ausland zu verlagern.

Vor einer weiteren Deregulierung, die Weber beim „Kammergespräch“ dringend anmahnte, ist der Lufthansa nicht bange: „Lufthansa hat in den zurückliegenden zwölf Jahren zu einer Marktorientierung gefunden, die uns offene Marktverhältnisse nicht scheuen lässt. Wir haben aus der großen Luftfahrtkrise vor zehn Jahren die richtigen Schlüsse gezogen.“ Weber, der seit 1991 Vorstandsvorsitzender der Lufthansa ist und für seine Leistungen bei der Privatisierung und Umstrukturierung der Airline u.a. als „Bester Manager des Jahres 2002“ ausgezeichnet wurde, zeigte sich stolz über die Rahmendaten seines Unternehmens: Während die gesamte Branche 2002 weltweit Verluste von zwölf Mrd. US-Dollar gemacht habe, weise die Lufthansa vorläufigen Zahlen zufolge ein operatives Ergebnis von 700 bis 750 Mio. Euro aus, habe konzernweit 1 000 Arbeitsplätze geschaffen und werde wohl wieder eine Dividende auszahlen. Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Kostenmanagement hätten die Lufthansa vor tieferen Einbrüchen bewahrt. Auch die Konkurrenz der neuen Billiggesellschaften (so genannte „No Frills“), die den Service rigoros einschränken, sieht Weber gelassen. Die Lufthansa setzt dagegen auf „Full Frills“ mit umfassenden Dienstleistungen, hohem Komfort, höchster Sicherheit und einem globalen Flugplan mit 800 Flughäfen, die gemeinsam mit den Partnern der Star Alliance angeflogen werden.

Die Lufthansa geht davon aus, dass 2003 ein schwieriges Jahr mit zahlreichen Unwägbarkeiten (v.a. drohender Irak-Krieg) werden wird, dass die Konjunktur und damit die Luftfahrtbranche ab 2004 aber wieder an gewohnte Wachstumsraten anknüpfen kann. Im Vertrauen darauf investiert die Lufthansa weiter große Summen in den Ausbau der Flotte (u.a. Bestellung von zehn neuen Langstrecken-Airbussen A330, Beginn der Auslieferung von zehn Airbussen A340-600 in diesem Jahr), in die Infrastruktur (u.a. eigenes Terminal 2 am Flughafen München) und in neue Dienstleistungen (z.B. Breitband-Technik für Internet an Bord).

Deutsche Lufthansa in der Region Nürnberg
IHK-Präsident Hans-Peter Schmidt wies darauf hin, dass die Lufthansa in der Region Nürnberg prominent vertreten ist: In vier Konzern-Bereichen sind 360 Mitarbeiter beschäftigt, am Linienverkehr ab Nürnberg ist die Lufthansa mit rund 50 Prozent beteiligt, auf den Lufthansa-Partner Eurowings entfallen weitere 20 Prozent. Im Jahr 2002 flogen 424 000 Passagiere mit Lufthansa bzw. mit Kooperationsflügen von Lufthansa und Eurowings vom Flughafen Nürnberg ab. Weber bestätigte, dass die Region Nürnberg „ein wichtiger Markt“ für die Lufthansa sei. Dies habe man durch die Beteiligung an Eurowings unterstrichen, außerdem sei mit Siemens der größte Lufthansa-Kunde hier ansässig. Positiv registrierte Weber, dass IHK, Flughafen Nürnberg, Lufthansa und bedeutende Unternehmen der Region in Workshops Anregungen für eine Verbesserung des Flugverkehrs ab Nürnberg erarbeiten.

Weber sagte bei seinem Besuch in Nürnberg aber auch glasklar, dass die Rentabilität von Flugverbindungen die wichtigste Messlatte ist: „An einem dezentralen Flughafen wie Nürnberg gibt die Einbindung in ein globales Luftverkehrsnetz die praktikablere, weil tragbarere Variante einer Luftverkehrsanbindung ab.“ Dies sei dem Versuch vorzuziehen, unrentable Direktverbindungen aufrecht zu erhalten und damit nach kurzer Zeit wieder zu scheitern. Ausgeschlossen sind damit aber neue Direktverbindungen von und nach Nürnberg nicht: „Was sich rechnet, bedienen wir auch.“
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2003, Seite 16

 
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