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Die Hasen sind weg – was bleibt?

Finanzkrise der Stadt Nürnberg auf der einen Seite, wegweisende kulturpolitische Initiativen auf der anderen Seite. „WiM“ befragte Nürnbergs Kulturreferentin Prof. Dr. Julia Lehner, wie dieser Spagat gelingen und wie Nürnberg als Kultur- und Dürerstadt profiliert werden kann.

WiM: Welchen Stellenwert hat Kulturpolitik in Zeiten leerer Kassen?
Mit leicht ironischem Unterton ließe sich die Frage sehr schnell beantworten: natürlich einen sehr hohen Stellenwert! Denn in Zeiten leerer öffentlicher Kassen meinen manche, über Sparen an der Kultur ließen sich viele Finanzprobleme lösen und auf diesen „Luxus – Kultur“ könnte doch auch verzichtet werden. Eine falsche und fatale Geisteshaltung, die glücklicherweise in Nürnberg nur (noch) sehr selten anzutreffen ist. Denn wie könnte überhaupt die Kultur, die mit insgesamt 3,75 Prozent am städtischen Gesamthaushalt beteiligt ist, selbigen sanieren? Das geht schlichtweg nicht!

Bei einer rein ökonomischen Betrachtungsweise wird zudem allzu oft vergessen, welch hohe Umwegrentabilität gerade die Kultur für die kleine und mittelständische Wirtschaft erbringt: Drei Tage Bardentreffen mit über 200 000 Besuchern schaffen nicht nur in der Innenstadt den gastronomischen Betrieben hohe Umsatzzahlen, sondern bedeuten auch – um nur einige Beispiele zu nennen – für Gerüstfirmen oder Elektrofirmen, Druckereien etc. zusätzliche Aufträge. Der so genannte „weiche“ Standortfaktor „Kultur“ ist eben ein „harter“ für den Standort.

Zudem hat sich das Kulturreferat in den letzten Wochen – durchaus erfolgreich, wie ich meine - bemüht, den städtischen Haushalt auch dauerhaft zu entlasten. Durch die Zusage der Bayerischen Staatsregierung, das Theater Nürnberg in ein Staatstheater umzuwandeln und künftig die Förderung auf 50 Prozent zu erhöhen, und den Beschluss, die Hochschule für Musik in eine staatliche Musikhochschule zu überführen, werden der Stadt zukünftig Ausgaben in Millionenhöhe „erspart“ bleiben. Darüber hinaus erfährt der Kulturstandort Nürnberg zugleich eine nicht geringe Aufwertung.

Spricht man über Kultur, sollten allerdings nicht nur Finanzaspekte eine Rolle spielen. Ohne Kulturangebote – ob große oder kleine – wäre eine Stadt nur eine Agglomeration von Häusern. Stadt wird erst zur Stadt, wenn sie ein vielfältiges Kulturleben aufweist. Das Lebensgefühl, die Stimmung in einer Stadt, das Bewusstsein ihrer Bewohner, all das wird ganz wesentlich von der Kultur geprägt. Kultur kann Menschen bewegen – im mentalen, aber auch im sprichwörtlichen Sinne, wie Bardentreffen oder Blaue Nacht deutlich zeigen, wenn jeweils mehr als 100 000 Menschen auf dem Wege zur Kultur sind.

WiM: Auf welche Kernbegriffe lässt sich ihr kulturpolitisches Credo bringen?
Das Kulturangebot einer Großstadt kann bildlich gesprochen mit einem Flussdelta verglichen werden. Da gibt es ein Netz von Haupt- und Nebenströmen, von Flüssen und Nebenflüssen, von Bächen und Rinnsalen, die aber alle in die gleiche Richtung fließen. Und die Richtung – das Meer – sind die Menschen in unserer Stadt. Dieses Delta der Kulturen muss grundversorgt werden, damit es lebendig bleibt, damit es wächst und gedeiht, und damit auch „neue Arten“ entstehen können. Wir brauchen die so genannte „große“ Kultur wie auch die so genannte „kleine“ Kultur. Und gerade in Zeiten chronisch leerer öffentlicher Kassen besteht der kulturpolitische Spagat darin, die Austrocknung zu verhindern und gleichzeitig junge Pflanzen zum Blühen zu bringen. Wie jede(r) Gärtner(in) weiß, kein leichtes Unternehmen...

WiM: Die Stadt Nürnberg ist dabei, Albrecht Dürer als Markenzeichen zu entwickeln. Welche Ziele verfolgt sie damit?
Das Ziel ist leicht zu beschreiben, aber durchaus schwierig zu erreichen: Nürnberg als Dürer-Stadt auch in der Außenwahrnehmung zu positionieren. Im Vergleich mit anderen Städten besitzt Nürnberg mit Albrecht Dürer einen
kulturpolitischen Schatz, um den uns sicherlich viele beneiden. Daneben ist es auch eine kulturpolitische Verpflichtung, dass sich die Stadt auf vielfältige Weise mit dem Leben und dem Werk dieses Weltkünstlers auseinandersetzt. Dürer hat weit über sein bekanntes bildnerisches Werk gewirkt. Mit Dürer als kulturellem „Leuchtturm“ kann ein idealer Brückenschlag zwischen der innovativen Zeit der Renaissance und heute gemacht werden. Gerade von diesem Thema kann eine Menge an Profil ausgehen!

WiM: „Das große Hasenstück“ von Prof. Hörl hat hohe Wellen geschlagen. Wie lautet ihre Bilanz?
Die Großskulptur von Prof. Ottmar Hörl hat auf geradezu idealtypische Weise gezeigt, was Kunst und Kultur heute auszeichnen kann. Mit seiner seriellen Plastik nimmt der Künstler zeitgenössische (Kunst)-Prinzipien auf und wendet sie auf den nur im ersten Moment vielleicht nicht zeitgemäß erscheinenden Albrecht Dürer an. Entstanden ist eine Arbeit im öffentlichen Raum, die natürlich unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen hat. Allein der Austausch über die aufgeworfenen Fragen, „Kann so mit Albrecht Dürer umgegangen werden?“, „Ist dies tatsächlich ein zeitgemäßer Umgang?“ oder „Ist das überhaupt noch Kunst?“, hat vielleicht mehr bewirkt, als so manche in engen Zirkeln geführte Auseinandersetzung. Neben der Qualität der Arbeit selbst, der hohen Besucherresonanz, die sie von der Nürnberger Bevölkerung erfahren hat, bin ich gerade über die angesprochenen Sekundäreffekte sehr froh.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2003, Seite 17

 
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