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Eine zweite Chance für über 6 500 Menschen

Viele, die das Berufsförderungswerk (BFW) Nürnberg besuchen, sehen die hier gebotene Ausbildung als ihre letzte Chance. Alle, die hierher kommen, um eine neue Ausbildung zu erhalten, können ihren alten Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben und starten hochmotiviert in einen neuen Beruf. Das BFW, eine außerbetriebliche Bildungseinrichtung zur beruflichen Rehabilitation, hat Plätze für 630 Menschen, die es in staatlich anerkannten Berufen ausbildet und in den Arbeitsmarkt integriert. Rund 260 Mitarbeiter sind bei der Einrichtung beschäftigt.

Eine große Gruppe der Ausbildungsteilnehmer kommt aus dem Baugewerbe. Probleme im Stütz- und Bewegungsapparat sind häufig der Grund dafür, dass die Menschen nicht mehr in ihrem früheren Beruf arbeiten können. In letzter Zeit nehmen vor allem psychische Behinderungen, wie beispielsweise die Krankenschwester mit dem Burn-Out-Syndrom, zu. Im Idealfall soll der Mensch seine Erfahrung aus dem früheren Beruf in den neuen mit einbringen können, was jedoch nicht immer möglich ist. Generell steht am Anfang des Aufenthalts die Bewältigung der Behinderung. Dann schaut man zusammen, was die Person gerne machen möchte und wofür sie sich eignet. Erst danach beginnt die eigentliche Qualifizierung.

Bei Betriebsbeginn 1977 konnten behinderte Menschen am BFW unter zwei Ausbildungsberufen wählen. Heute sind es 26 Berufe aus den Bereichen Wirtschaft und Verwaltung, Elektrotechnik und Elektronik, Informations- und Telekommunikationstechnik, Maschinenbau, Bautechnik und Zeichnerische Berufe, Garten- und Landschaftsbau sowie Umweltberufe. In der stationären Ausbildung in Nürnberg bietet das BFW 630 Plätze an, 450 Personen können in den beiden angeschlossenen Internaten untergebracht werden. Das Lernen erfolgt im Rahmen der Handlungsorientierten Ausbildung (wenig Frontalunterricht und viel Teamarbeit) in modern ausgestatteten Arbeitsräumen, in Übungsfirmen, Werkstätten und Labors. Ein betriebliches Praktikum gehört zu jeder Qualifizierung.

Ärztlicher, psychologischer und sozialer Dienst sorgen für eine umfassende Betreuung. Da die eigentliche medizinische Rehabilitation bereits abgeschlossen ist, wenn die Menschen ins BFW kommen, sind arbeitsmedizinische Eignungsuntersuchungen und Begutachtungen eine Schwerpunktaufgabe des ärztlichen Dienstes, dem eine große Bäder- und Massageabteilung angeschlossen ist. Der psychologische Dienst führt Eignungsuntersuchungen und umfassende Beratung bei der Berufsfindung und Arbeitserprobung durch, leistet Hilfestellung bei psychischen Problemen und interveniert im akuten Krisenfall. Der soziale Dienst unterstützt die Teilnehmer bei persönlichen und familiären Problemen. Außerdem berichtet er an die Reha-Träger.

1996 hat das BFW den Einstieg in die wohnortnahe, ambulante Rehabilitation gewagt. In zehn Geschäftsstellen in Nordbayern werden spezielle Maßnahmen in Kooperation mit Betreiben und Berufsschulen sowie Integrationsmaßnahmen zum Beispiel für ältere oder allein erziehende Menschen mit Behinderung angeboten. Künftig will sich das BFW verstärkt dem Erhalt bestehender Arbeitsverhältnisse und damit der Prävention widmen. Außerdem will sich die Einrichtung noch stärker auch um Menschen mit psychischer oder neurologischer Behinderung kümmern. Seit dem letzten Jahr bietet sie als nach eigenen Angaben bundesweit einziges Berufsförderungswerk eine Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation von Menschen an, die an Aphasie, einer Sprachstörung wie sie beispielsweise nach einem Schlaganfall auftreten kann, leiden. Interdisziplinärer Austausch in Netzwerken und eine noch engere Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Forschung sind weitere Ziele.

In seinem über 25-jährigen Bestehen ist es dem BFW gelungen, über 6 500 Menschen neu zu qualifizieren und in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Statistik zeigt, wie erfolgreich das Konzept ist: Auch sechs bis zehn Jahre nach Abschluss der Ausbildung am BFW sind rund 85 Prozent der Absolventen berufstätig. Das herausragende Integrationsergebnis führt Geschäftsführer Reiner Eggerer u.a. auf die gute Zusammenarbeit mit den Trägern der Rehabilitation (Bundesanstalt für Arbeit, Rentenversicherungsträger, Berufsgenossenschaften), mit Wirtschaft, Kammern, Berufsschulen und Universitäten zurück. In letzter Zeit ist auf Grund der angespannten wirtschaftlichen Situation die Vermittlungsquote jedoch deutlich gesunken. Momentan beträgt sie beim BFW wie auch bei anderen Rehabilitationseinrichtungen nur noch 60 Prozent.

Mitte Oktober hat das BFW in Zusammenarbeit mit fünf weiteren Reha-Einrichtungen (Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte, Berufsbildungswerk Wichernhaus Rummelsberg, Berufsbildungswerk Nürnberg für Hör- und Sprachgeschädigte, Berufsbildungswerk Mittelfranken und SOS-Berufsausbildungszentrum Nürnberg) einen Aktionstag unter dem Motto „Ein Gewinn für alle Partner – Integration von Menschen mit Behinderungen in Wirtschaft und Gesellschaft“ veranstaltet. Arbeitgeber und Personalentscheider, aber auch andere Interessierte waren u.a. zu Fachvorträgen über Prävention, technische Hilfsmittel am Arbeitsplatz und Berufliche Reha in Betrieben der mittelfränkischen Wirtschaft eingeladen. Außerdem haben die Umschüler ihre Einrichtungen vorgestellt. Ein Ziel des Aktionstages war es, Unternehmen stärker auf die Arbeit der Einrichtungen und ihre Teilnehmer aufmerksam zu machen, um die Zusammenarbeit weiter zu stärken.

wb.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2003, Seite 32

 
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