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Der Trend zur Auslagerung hält unvermindert an

Die EU-Osterweiterung am 1. Mai 2004 bringt auch für die Dienstleistungsunternehmen in der Logistik Herausforderungen, Chancen und Risiken mit sich. Die Entwicklung des europäischen Marktes erfordert ein Entkoppeln der logistischen Strukturen von Ländergrenzen und Vertriebsstandorten. Die Industrie verlangt flächendeckende Verteilnetze mit kurzen Laufzeiten und Zustellgarantien. Je schneller ein Auftrag innerhalb Europas den Kunden erreicht, desto weniger Lagerstandorte sind notwendig, um den Markt zu versorgen. Unabhängig davon, ob es sich um Neuware oder um Ersatzteile handelt: Je weniger Lager ein Unternehmer unterhalten muss, desto geringer sind die Risiken der Veralterung, des Rücktransports, und desto niedriger sind auch die Bestandskosten. Die Direktbelieferungen von Kunden in ganz Europa führen jedoch zu einem Ansteigen der Einzelsendungen, ohne dass dadurch in der Summe mehr transportiert wird. Statt des Lagernachschubs in ein Regionallager mit mehreren Paletten erfolgt die Direktbelieferung in Paketgröße innerhalb von 24 Stunden. Von dieser Entwicklung haben insbesondere die KEP-Dienstleister (Kurier-, Express-, Paketdienste) profitiert. Darüber hinaus wächst die Bedeutung von flächendeckenden Stückgutorganisationen in Europa.

Diesem für die Dienstleistungsbranche grundsätzlich positiven Trend steht ein massiver Preisdruck in den Netzwerken entgegen. Verstärkt wird der Wettbewerbsprozess in Europa durch die Postorganisationen, die aggressiv expandieren und den Konsolidierungsdruck bei den Transportdienstleistern erhöhen.

Mittelständische Unternehmen im Logistikmarkt reagieren darauf mit Spezialisierung, Ausbau der Kundenbeziehungen und maßgeschneiderten Konzepten für Outsourcing entlang der gesamten logistischen Kette. Mit Schnelligkeit, hohen Qualitätsstandards und individueller Betreuung versuchen die Dienstleister, sich gegenüber komplexen Großorganisationen zu behaupten und Marktnischen zu besetzen.

Wirtschaftlich schwierige Jahre, insbesondere die letzten drei, haben die Bereitschaft der Industrie, Outsourcing-Projekte in der Logistik anzugehen, vergrößert. Dabei werden die Anforderungsprofile zunehmend komplexer, wobei auch eine höhere Spezialisierung verlangt wird. In Zukunft wird daher die Kombination aus fachlicher Spezialisierung, regionaler Stärke und branchenspezifischem Know-how ausschlaggebend für den Erfolg von Logistik-Dienstleistern sein.

In den Anfängen des Outsourcing von Fertigwarenlagern genügte den Kunden häufig die zuverlässige Verwaltung eines Palettenlagers. Wenn die eigenen Kapazitäten nicht ausreichten oder man an Standorten nicht mit eigenen Niederlassungen vertreten war, mietete man sich ein Speditionslager. Schrittweise wuchsen die Ansprüche der Industrie: Enge Anbindung über Online-Schnittstellen, Übertragung von Prüffunktionen im Wareneingang und von Verpackungsaufgaben sowie Auslagerung von Konfektionier- und Montagetätigkeiten sind einige Beispiele hierfür. Auch die Rücknahme gebrauchter oder demontierter Produkte (so genannte Reverse-Logistik) bringt eine erhebliche Ausweitung der traditionellen Funktionen eines Logistikdienstleisters mit sich. Damit verbunden sind Identifikation von Waren, Prüfung und Sortierung nach wiederverwendbaren Produkten und nicht verwendbaren Produkten, Neuverpackung, Vermarktung von Gebrauchtware in Drittmärkten bis hin zu technischen Reparaturleistungen.

Der Trend in der Industrie hält ungebrochen an, alle logistischen Aufgaben, die nicht unmittelbar zu den Kernkompetenzen zählen, abzugeben. Dabei findet sich entgegen vieler Annahmen und Behauptungen selten ein Partner, der europaweit Logistikdienstleistung und Transportleistung in gleicher Qualität anbieten kann. Häufig werden daher für die einzelnen Aufgaben Leistungen bei verschiedenen Partnern eingekauft. Die Chance für die Dienstleistungsunternehmen, insbesondere für den Mittelstand, besteht darin, branchen- und prozessspezifische Leistungen für die Industrie anzubieten und mit weiteren Partnern über sichere und standardisierte Schnittstellen zu kommunizieren.

So steht dem allgemeinen Kosten- und Konsolidierungsdruck die Chance der Expansion im Bereich Outsourcing gegenüber. Entscheidend für den Transportmarkt werden europäische Partnerschaften für flächendeckende Netze, entscheidend für den Erfolg im Outsourcing werden die hohe Spezialisierung und die Pflege der Kundenbeziehungen sein.

Dr. Johannes Söllner, Regionalgruppensprecher der Bundesvereinigung Logistik (BVL), Regionalgruppe Franken
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2003, Seite 14

 
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