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Software mieten statt kaufen

Obwohl der Begriff des Application Service Providing (ASP) bereits seit mehreren Jahren in Fachkreisen und der wissenschaftlichen Theorie bekannt ist, genießt er in weiten Teilen der Wirtschaft bisher kaum Aufmerksamkeit. Wie so viele andere moderne Konzepte stammt auch das ASP aus den Vereinigten Staaten. So definiert das amerikanische ASP Industry Consortium den Begriff wie folgt: Ein Provider stellt zentral standardisierte Anwendungen zur Verfügung, die von vielen Kunden gleichermaßen genutzt werden können. Der Provider ist dabei rechtlicher Eigentümer der Software-Lizenzen und vermietet diese. Er alleine ist für die Fehlerbeseitigung und die Durchführung von Updates zuständig. Der Zugriff durch die Nutzer kann von beliebigen Standorten weltweit über das Internet oder andere (private) Verbindungen vorgenommen werden.

Kunden der Application Service Provider nutzen somit Software-Lösungen, die auf dem zentralen Server der Provider (Database-Server) gespeichert sind, über Internet ISDN-Standleitungen, DSL-Technologien oder moderne kabellose Übertragungstechniken.

Abgrenzung zum klassischen IT-Outsourcing
Beim klassischen Outsourcing, bei dem der Service-Provider Rechner, Software und Personaldienstleistungen zur Verfügung stellt, findet ein kunden-individueller Betrieb von Systemen und Anwendungen statt. Dagegen erfolgt bei ASP die Bereitstellung zentral, standardisiert und für viele Kunden gleichzeitig. Dies hat zur Folge, dass anders als beim klassischen Outsourcing der Kunde bei ASP nur für die tatsächlich in Anspruch genommene Software zahlt. Auch muss der Provider nicht mehr wie beim One-to-One-Prinzip des traditionellen Outsourcing für jeden Kunden exklusiv Hard- und Software zur Verfügung stellen. Eigentümer ist dabei in der Regel der Kunde, der auf die Software exklusiven Zugang hat. Bei ASP erstellt oder erwirbt der Provider Software für eine Vielzahl von Nutzern und stellt diese gegen eine Mietgebühr zur Verfügung. Dieses One-to-Many-Prinzip setzt allerdings die Mandantenfähigkeit der angebotenen Software voraus.

Ein weiterer Unterschied liegt im Zugang zu den Anwendungen begründet. Im Rahmen des klassischen Outsourcing erfolgt der Zugang nur von definierten Standorten des Kunden in der Regel über Standleitungen oder WAN (Wide Area Network). Demgegenüber kann das Angebot mit ASP von beliebigen Standorten weltweit über das Internet genutzt werden.

Chancen und Risiken
Die Anbieter von ASP führen als Vorteile folgende Kernpunkte an:
? Eine Verkürzung von Projektlaufzeiten mit der Folge einer höheren Konzentration der Unternehmen auf ihr Kerngeschäft.
? Nutzer von ASP haben außerdem nicht die Sorge, geeignete IT-Fachkräfte am Markt zu akquirieren bzw. vorhandenes hauseigenes Personal zu schulen.
? Größere Transparenz der IT-Kosten für die Kunden und gegenüber dem hauseigenen EDV- Betrieb auch eine spürbare Kostenreduktion. Die Ausgaben für neue Software werden damit zuverlässig planbar. Dies dürfte für viele Unternehmen ein sehr interessantes Argument darstellen, da sich die kompletten IT- Kosten (incl. Ausgaben für Service-Level) in der Vergangenheit nur schwer quantifizieren ließen und oftmals die Planungen deutlich überschritten.
? Die geringere Kapitalbindung, ein damit verbundenes niedrigeres Investitionsrisiko und die daraus resultierende, für andere Investitionen freibleibende Liquidität sind besonders in wirtschaftlich schwächeren Zeiten attraktive Gesichtspunkte.
? Abschließend wird die, trotz einer weniger intensiven IT-Administration mögliche, schnelle Einführung neuer Software-Anwendungen angeführt.

Allerdings dürfen auch mögliche Risiken dieser innovativen Software-Distribution nicht verschwiegen werden. So haben zum Beispiel die üblicherweise langfristigen Verträge eine gewisse Abhängigkeit der Kunden von ihren Providern zur Folge, was durchaus ein wirtschaftliches Risiko in sich birgt. Mit der Auslagerung der Administration und Entwicklung von IT-Lösungen an den Application Service Provider geht weiterhin notwendigerweise ein gewisser Know-how-Verlust im Unternehmen des ASP-Kunden einher. Auch kann ASP sogar zu einer enormen Kostensteigerung beim User führen, zum Beispiel für den Fall, dass überdimensionierte Lösungen oder überhöhte Servicelevel vereinbart wurden.

Zu bedenken sind in der Praxis zudem das höhere Risiko des Datenmissbrauchs infolge des Auslagerns von Unternehmensdaten bzw. generelle datenschutzrechtliche Bedenken. In engem Zusammenhang damit steht auch das Kapazitäts- und Sicherheitsproblem bei der Übertragung der Daten über das Internet.

Datenschutz
Mit dem Vorliegen personenbezogener Daten stellt sich immer die Frage nach dem Datenschutz. Gesetzlich geregelt wird der Sachverhalt im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und im Gesetz über den Datenschutz bei Telediensten (TDDSG). Das im Datenschutzrecht grundsätzlich einschlägige BDSG wird durch das speziellere TDDSG allerdings verdrängt und findet nur für den Fall Anwendung, dass das BDSG keine Regelung enthält (z. B. bei der Definition „personenbezogene Daten“ in § 3 1 BDSG).

Mit der Anwendbarkeit des TDDSG ist der Provider, als Anbieter von Telediensten, an die im TDDSG formulierten Pflichten gebunden. So hat er insbesondere den ASP-Nutzer vor einer Erhebung personenbezogener Daten über Art, Umfang, Ort und die Zwecke der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung dieser Daten zu informieren. Die Kenntnisnahme diese Information muss dem Nutzer zu jeder Zeit und unentgeltlich möglich sein, diese Auskunft ist auf Verlangen des Kunden auch elektronisch zu erteilen. Ein rechtskräftiger Verzicht auf diese Auskunft seitens des Kunden setzt die Schriftform voraus. Weiterhin hat der Provider gemäß TDDSG den ASP-Dienst so anzubieten, dass dessen Nutzung und Bezahlung entweder vollständig anonym oder unter Verwendung eines Pseudonyms möglich ist. Über diese Möglichkeit ist der Nutzer zu informieren. Vollumfänglich ist gemäß TDDSG dafür Sorge zu tragen, dass der Kunde das ASP nutzen kann, ohne dass dies gegenüber Dritten Personen publik wird. Ferner ist die Erstellung eines Nutzungsprofils nach TDDSG nur unter Verwendung eines Pseudonyms zulässig. Die Verbindung zum Server des Providers muss vom Kunden jederzeit unterbrochen werden können und personenbezogene Daten über die Nutzung sind zu löschen, wenn sie nicht für die Abrechnung benötigt werden. Die Verarbeitung und Nutzung der vorgenannten Bestandsdaten des Kunden, also von Daten, die für die Begründung, Ausgestaltung oder Änderung des ASP-Vertrages nötig sind, zu Werbe- bzw. Marktforschungszwecken ist laut TDDSG nur nach ausdrücklicher Genehmigung des ASP-Kunden möglich. Eine explizite Regelung über die Erhebung, Verarbeitung, Nutzung und Löschung von Nutzungs- und Abrechnungsdaten des ASP-Kunden findet sich ebenfalls im TDDSG.

Das Einverständnis des Kunden vorausgesetzt, dürfen personenbezogene Daten auch über die Datenschutzbestimmungen hinaus erhoben, verarbeitet, genutzt und für andere Zwecke verwendet werden. Diese Einwilligung kann auch elektronisch erteilt werden.

Anwendungsbereiche von ASP
Grundsätzlich unterscheidet man bei ASP vier Geschäftsmodelle:

Die einfachste Form, das Messaging ASP, umfasst Funktionen wie e-mail, Unified Messaging und Office Suites. Im funktionalen Bereich unterscheidet man Business Process ASP, hierunter werden Gehalts- und Reisekostenabrechnungen sowie Selfservive-Anwendungen für Mitarbeiter zusammengefasst, und e-commerce-ASP, das Leistungen wie z.B. Website Hosting, Shops und Content Management Systeme bietet.

Die komplexesten Anwendungen werden mit dem so genannten ERP / CRM ASP angeboten. Hier sind z.B. Softwarelösungen aus den Bereichen standardisierte ERP-Anwendungen (Enterprise Resource Planning) z.B. mit SAP R/3, oder standardisierte CRM-Anwendungen (Customer Relationship Management) angesiedelt. Vor allem dieser Bereich ist in Europa auch auf dem Vormarsch: Einer Untersuchung der Meta Group zufolge setzen zwölf Prozent der Anwenderunternehmen bereits ein CRM-System ein, zum Teil ist auch eine Ausweitung geplant. 29 Prozent sind mit der Implementierung beschäftigt oder stehen kurz davor. Bei der Nutzung wurde die Einführung von Tools zur Kundenanalyse mit 46 Prozent der rund 2 500 Befragten am häufigsten genannt, jeweils 42 Prozent setzen auf Sales-Force-Automation- oder e-commerce-Lösungen. Outsourcing ist dabei gerade in Krisenzeiten angesagt. Die Marktforscher von IDC haben ihre ursprünglichen Prognosen zwar um zwölf Prozent nach unten revidiert. Nach ihren neuen Schätzungen wird der Markt für ASP in den kommenden Jahren jedoch noch enorm wachsen. So sollen die Ausgaben in Westeuropa von 258 Mio. im Jahr 2001 auf 6,5 Mrd. Dollar im Jahr 2006 steigen. Das entspräche einem jährlichen Wachstum von 91 Prozent.

Die Voraussetzungen für sinnvolle ASP Anwendungen sind durch die immanenten Eigenschaften jedoch klar abgegrenzt. So nimmt mit einer steigenden Prozessflexibilität bei gleichzeitig zunehmender Prozesskomplexität die Leistungsfähigkeit der ASP-Anwendungen ab. Daher bleibt abschließend festzuhalten, dass ASP in Bereichen mit hohem Standardisierungs- und Automatisierungsgrad durchaus seine Berechtigung hat und der Einsatz zu einer deutlichen Reduktion der IT-Kosten führen kann. Ein Ersatz für komplette IT-Abteilungen, ob Inhouse oder als eigenständige Firma ausgelagert, kann ASP jedoch nicht sein.

Jens Richter
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2003, Seite 10

 
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