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Europäische Union weckt Wachstumsvisionen

Dieter Rampl, Vorstandsvorsitzender der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG

Eine Lanze für Europa und für den Standort Deutschland brach Dieter Rampl, Vorstandssprecher der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG (HVB), München, beim 120. „Kammergespräch“. Seinen Vortrag stellte er unter das Motto „Europas Traum – Wachstumsvisionen für Wirtschaft und Mittelstand“. Mit diesem Titel nahm Rampl Bezug zu einem aktuellen Buch des US-Autors Jeremy Rifkin: Dieser sieht Europa als „leise Supermacht“, die weltweite Vorbildfunktion für Friedenssicherung, Nachhaltigkeit und Lebensqualität habe

Diese Einschätzung griff Rampl auf und wandte sich damit gegen weit verbreitete Skepsis: „Europa braucht nicht ängstlich in die Zukunft zu schauen, sondern kann sehr selbstbewusst die Zukunft gestalten.“ Die HVB-Gruppe handle dementsprechend und sehe Europa als „Heimatmarkt“ mit großem Wachstumspotenzial. Dies gelte vor allem für die neuen EU-Mitgliedsstaaten in Mittelost- und Osteuropa. Die HVB Group sei die zweitgrößte börsennotierte Großbank in Deutschland. „Im Herzen Europas“ – also in den Kernmärkten Deutschland, Österreich sowie Zentral- und Osteuropa – sei man die Nummer 1 mit rund 60 000 Mitarbeitern, über 2 000 Filialen und 9,8 Mio. Kunden. Mit der Bank Austria Creditanstalt sei die Gruppe „unangefochtener Marktführer“ in Österreich.

Trotz der internationalen Geschäfte sei die HypoVereinsbank-Gruppe aber eng mit den Geschäftsregionen verflochten. Das gelte auch für die Region Nürnberg, wo rund 1 700 Mitarbeiter in 48 Filialen tätig sind und 320 000 Kunden betreuen. Rampl bekräftigte gegenüber den Medien, dass die Bank dieses Engagement auf jeden Fall beibehalten werde: „Wir sind in der Region, wir bleiben in der Region und wir werden uns sicher nicht mit Filialen aus dieser Region zurückziehen.“ IHK-Präsident Hans-Peter Schmidt dankte für die enge Verbundenheit der HVB mit dem Wirtschaftsraum Nürnberg: Diese werde u.a. durch die Ausbildung von derzeit 81 jungen Leuten und durch die Unterstützung der regionalen Kultur deutlich.

Rampl kündigte an, dass die Bank ihre Aktivitäten auf den Auslandsmärkten weiter forcieren und dabei ein besonderes Augenmerk auf Europa legen wird. Dabei lasse man sich nicht von den üblichen Klagen leiten. Sicher gebe es Probleme wie Wachstumsschwäche, hohe Arbeitslosigkeit, überforderte Sozialsysteme und teilweise überzogene EU-Bürokratie. Allerdings überwögen die Chancen bei weitem. Die erweiterte EU sei hinsichtlich Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft die größte Wirtschaftsunion der Welt, wenngleich sich Europa in den letzten Jahren schlechter entwickelt habe als die USA. Bei der Produktivität liege man aber in etwa gleichauf.

Es gebe zahlreiche weitere Beispiele wie den Airbus und die europäischen Raumfahrtprojekte, dass die Europäer allen Vorurteilen zum Trotz „zu erstaunlichen Leistungen fähig“ seien. Länder wie Irland, Großbritannien und Spanien könnten im internationalen Vergleich der Wachstumsraten mithalten, die meisten Länder lägen bei Wohlstand und Wirtschaftskraft ebenfalls in der Spitzengruppe.

Viele Reformen wurden bereits angepackt
Optimistisch äußerte sich Rampl über den Reformprozess in Deutschland, dessen Wachstumsschwäche zu einem beträchtlichen Teil auf die Lasten der Wiedervereinigung zurückgehe. Bei aller Kritik im Detail und bei allen Aufgaben, die bisher noch nicht angepackt worden sind, dürfe man den Reformprozess nicht klein reden. „Wann hat es in den letzten Jahrzehnten bei uns jemals eine Zeit gegeben, in der so viel angepackt und verändert wurde wie heute? Arbeitsmarktreformen, Umbau der Krankenversicherung und des Rentensystems, Streichung von Subventionen, Steuersenkungen, Zuwanderungsgesetz, Ladenschluss, Verbesserungen des Bildungssystems“, so der HVB-Chef. Diese Reformanstrengungen würden im Ausland viel positiver gesehen als hierzulande. Deutschland sei mit seinem Reformeifer in Europa keine Ausnahmeerscheinung. Praktisch alle europäischen Volkswirtschaften arbeiteten derzeit mehr oder weniger intensiv an einer Modernisierung ihrer Arbeitsmarkt- und Sozialsysteme mit dem Ziel, besser auf die Herausforderungen der Globalisierung vorbereitet zu sein.

Stolz sein könnten die Europäer auf den friedlichen Wandel 1989 und auf die Reintegration der vormals sozialistischen Staaten in die europäische Wertegemeinschaft. Auch bei der EU-Osterweiterung seien die Chancen – trotz aller Herausforderungen – weit größer als die Risiken: Die hoch entwickelten Länder profitieren nach Worten Rampls von neuen Absatzchancen direkt vor ihrer Haustür, sie können neue Kooperationspartner finden und nicht zuletzt dem enormen Kostendruck in einigen Produktionsbereichen durch neue Standorte ausweichen. Heilsam sei der „frische Ostwind“, der von der Osterweiterung ausgehe und den Anpassungsdruck in den bisherigen EU-Mitgliedsstaaten erhöhe.

Die Reformen tragen nach Meinung Rampls auch dazu bei, die westeuropäischen Wirtschaften gegenüber den aufstrebenden osteuropäischen Partnern wettbewerbsfähig zu machen. Das gelte beispielsweise für die Arbeitskosten: „Wer nur wegen der Lohnkosten in die neuen Mitgliedsländer geht, baut sein Haus auf Sand.“ Denn von 1995 bis 2001 seien die Lohnstückkosten in den neuen Mitgliedsländern um bis zu 13 Prozent gestiegen, diese Entwicklung werde sich fortsetzten. Das Lohn-Argument allein werde deshalb als Motiv für eine Produktionsverlagerung gen Osten bald nicht mehr ausreichen.

Autor/in: 

bec.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2004, Seite 18

 
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