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Basel II macht Factoring interessant

Die Spielwarenmesse International Toy Fair Nürnberg gilt nach wie vor mit Abstand als die weltweit führende Branchenveranstaltung. Aber ein Selbstläufer ist sie deshalb nicht. WiM fragte den seit zwei Jahren amtierenden Genossenschafts-Chef Ernst Kick nach seinen Strategien.

Wenn ein Unternehmen seine Forderungen aus einem Waren- oder Dienstleistungsgeschäft an ein Factoring-Institut verkauft, verfügt es sofort über eine verbesserte Liquidität, es leidet nicht mehr unter Forderungsausfällen und es reduziert so auch die Debitoren-Verwaltungskosten. Beim Factoring handelt es sich folglich um ein Absatzfinanzierungsinstrument.

Wenn ein Unternehmen Factoring zur Finanzierung nutzen will, sieht es sich mit der Tatsache konfrontiert, dass im Wirtschaftsverkehr Forderungen von Unternehmen ein begehrtes Sicherungsinstrument sind. Somit drohen Forderungen des Warenkäufers mehrfach unter den Gläubigern verteilt zu werden. Zum einen kann der Lieferant unter verlängertem Eigentumsvorbehalt liefern. Dadurch wird der Warenkäufer verpflichtet, die aus der Weiterveräußerung der Waren entstehenden Forderungen an den Lieferanten abzutreten. Zum anderen benötigen Banken Sicherheiten für die Gewährung von Krediten. Dafür lassen sie sich im Wege der Globalzession alle bestehenden und zukünftigen Forderungen des Kreditnehmers an den Warenkäufer abtreten.

Das Problem des Zugriffs auf denselben Forderungsbestand hat die Rechtsprechung differenziert gelöst. Im Verhältnis Bank zu Lieferant einer Ware gilt die so genannte „Vertragsbruchtheorie“. Wirkte die Globalzession der Bank tatsächlich, wäre der Warenkäufer gezwungen, die Verträge mit seinen Lieferanten zu brechen. Denn er könnte ja die Vereinbarungen des verlängerten Eigentumsvorbehalts überhaupt nicht einhalten. Die Rechtsprechung folgert daraus, dass derart weit reichende Globalzessionen sittenwidrig und damit nichtig sind, also Forderungen, die vom verlängerten Eigentumsvorbehalt erfasst sind, auszunehmen sind. Die Banken haben hierauf keinen Zugriff.

Im Verhältnis Factor zu Lieferant (echtes Factoring) gilt diese Vertragsbruchtheorie nicht. Muss auch nicht, denn der Warenkäufer wird durch seinen Lieferanten regelmäßig ermächtigt, mit den unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren Bargeschäfte zu tätigen. Soll er ja auch, denn es liegt auch im Interesse des Lieferanten. Die Rechtsprechung ergibt, dass diese Ermächtigung auch das echte Factoring umfasst: Dem Warenkäufer steht der Kaufpreis für die Forderung sofort zur Verfügung, und der Warenkäufer wird in der Regel auch zum Einzug der Forderung ermächtigt. Das echte Factoring stellt den Warenkäufer so, als hätte der Schuldner die abgetretene Forderung selbst beglichen. Und der Factor kann sich darauf verlassen, dass der Warenkäufer mit dem Forderungskaufpreis den Lieferanten befriedigt.

Die dem Unternehmen zufließende Barliquidität bringt Kostenvorteile durch bessere Konditionen sowie Skontonutzung im Einkauf. Das Unternehmen kann auf eine Warenkreditversicherung verzichten und es ergeben sich keine Selbstbehalte im Schadensfall. Der Aufwand im Kontokorrentzins verringert sich durch die im Factoring üblichen kürzeren Forderungslaufzeiten. Einsparungen ergeben sich im Mahnwesen, Inkasso und Rechtsverfolgungswesen. Sind die Einsparungen größer als die Kosten für Factoring-Gebühr, Prüfgebühren und die effektiven Finanzierungszinsen, entsteht der so genannte Factoring-Effekt mit positiver Wirkung auf Liquidität und Rentabilität des Unternehmens.

Wann ist ein Unternehmen zum Factoring geeignet:
? gute Produktpalette, im Markt eingeführt
? Wachstums- oder Expansionsphase bzw. entsprechendes Potenzial
? zufriedenstellende Bilanz- und Ertragssituation
? mindestens 250 000 Euro Umsatz netto pro Jahr, besser mindestens eine Mio. Euro Umsatz
? wiederkehrende Belieferung gewerblicher Kunden
? ein hoher Wareneinsatz
? gewährte Zahlungsziele bis 90 Tage
? durchschnittliche Rechnungshöhe 200 Euro, besser 250 Euro
? voll erbrachte Leistungen liegen den Forderungen zu Grunde

Factoring-Kosten und Factoring-Arten
Beim Factoring gibt es mehrere Kostenfaktoren. Zunächst einmal die reine so genannte Factoring-Gebühr. Die Höhe bestimmt sich nach der Frage, ob sich ein Unternehmen für ein komplettes Factoring entscheidet oder zum Beispiel den Verwaltungsbereich ausklammert. Die Factoring-Gebühr liegt in der Regel zwischen 0,5 und zwei Prozent vom Umsatz. Ein anderer Faktor ist der Wettbewerb. Factoring-Institute können unterschiedliche Factoring-Gebühren haben. Weiter gibt es Prüfungsgebühren, die je nach Institut zwischen Null und 700 Euro liegen können. Schließlich ist noch als eigentlich neutraler Kostenfaktor der Finanzierungszins für die angekauften Forderungen zu sehen, der wie der Kontokorrentzins vom Kapitalmarkt abhängt und mit den Factoring-Instituten verhandelbar ist.

Neben dem Full-Service-Factoring, auch Standard-Factoring genannt, gibt es noch Spielarten und Unterbezeichnungen. Beim Online-Factoring werden in der Abwicklung Datenverarbeitungstechniken verwendet. Beim Bulk-Factoring (auch Inhouse-Factoring oder Eigenservice-Factorung genannt) verzichtet der Factoringkunde auf Dienstleistungen, er führt die Debitorenbuchhaltung treuhänderisch für den Factor selbst durch. Beim Fälligkeits-Factoring nutzt der Kunde die Risikoabsicherung und die Entlastung beim Debitorenmanagement, verzichtet aber auf die sofortige Regulierung des Kaufpreises. Beim Echten Factoring übernimmt der Factor das Ausfallrisiko, dies ist in Deutschland überwiegend üblich. Beim Offenen Factoring wird der Debitor über den Forderungskauf informiert (ebenfalls in Deutschland überwiegend praktiziert; Gegensatz: Stilles Factoring). Beim Export-Factoring nehmen inländische Unternehmen (Exporteure) Leistungen des Factors in Deutschland für grenzüberschreitende Geschäfte in Anspruch. Dagegen das Import-Factoring: Ausländische Unternehmen nehmen für Importgeschäfte Leistungen des Factors in Deutschland in Anspruch.

Interessant wird Factoring nicht zuletzt wegen „Basel II“: Beim Factoring ergibt sich durch den Verkauf von Forderungen eine höhere Eigenkapitalquote. Wenn kein Wertberichtigungs- und Abschreibungsbedarf bei verkauften Forderungen vorliegt, bedeutet dies höhere Rendite und damit eine verbesserte Bonitätsbeurteilung (Rating) bei Banken und Partnern der Kunden. Die verkauften Forderungen scheiden aus der Bilanz aus und werden durch den vom Factor zur Verfügung gestellten Kaufpreis ersetzt. Wenn dieser Kaufpreis zur Begleichung von Lieferantenverbindlichkeiten verwendet wird, verbessert das Factoring die Bilanzstruktur.

Alexander Kulik
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2004, Seite 12

 
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