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Mehr als nur Mahnungen schreiben

Die Spielwarenmesse International Toy Fair Nürnberg gilt nach wie vor mit Abstand als die weltweit führende Branchenveranstaltung. Aber ein Selbstläufer ist sie deshalb nicht. WiM fragte den seit zwei Jahren amtierenden Genossenschafts-Chef Ernst Kick nach seinen Strategien.

Stephan Jender, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU), Hamburg, rechnet für das Jahr 2004 mit einem leichten Rückgang der Unternehmensinsolvenzen auf insgesamt 37 800. Ob sich damit eine längerfristige Trendwende abzeichne, bleibe jedoch abzuwarten. „Erfahrungsgemäß sind die Unternehmenspleiten am Ende eines konjunkturellen Zyklus immer sehr hoch und sinken wieder, sobald sich der wirtschaftliche Aufwärtstrend stabilisiert hat. Und da sind wir jetzt offensichtlich angekommen“, so Jender.

Der derzeitige leichte Rückgang sei allerdings kein Grund zur Entwarnung, weil vor allem die Finanzierung kleiner und mittlerer Bau- und Handwerksbetriebe auf schwachen Füßen stehe. Die meisten Unternehmen hätten zu wenig Rücklagen, um konjunkturelle Schwankungen oder etwa Forderungsverluste wirtschaftlich ausgleichen zu können. Hinzu komme die Neuregelung der Bankenkredite durch Basel II. Schon jetzt würden die Institute restriktiver bei der Kreditvergabe. Gerade Not leidende eigenkapitalschwache Unternehmen müssten mehr Geld für Kredite bezahlen oder würden womöglich gar keine Kredite mehr erhalten. Das werde die Insolvenzanfälligkeit besonders der Handwerksbetriebe noch einmal verstärken.

Schlechte Zahlungsmoral
Nach Beobachtung des BDIU stabilisiert sich das Zahlungsverhalten derzeit auf einem sehr niedrigen Niveau. Besonders dem Baugewerbe mache es zu schaffen, dass Kunden fällige Rechnungen zu spät oder nur teilweise beziehungsweise immer öfter auch gar nicht bezahlen. Schlechte Auftragslage, ein momentaner Liquiditätsengpass und mangelnde Eigenkapitalausstattung sind laut Erhebungen des BDIU die häufigsten Gründe, warum gewerbliche Schuldner Rechnungen nicht begleichen. Bei privaten Verbrauchern sind Überschuldung und Arbeitslosigkeit die wichtigsten Ursachen. Viele Menschen kaufen Dinge, für die sie eigentlich kein Geld haben. Das fängt bei Kindern und Jugendlichen an, die für ein Handy bereits im Schulalter, später für die Gründung eines eigenen Haushaltes oder die Anschaffung eines Autos zum Teil beträchtliche Schulden aufnehmen. „Wir beobachten mit großer Sorge, dass hier eine neue Generation von Schuldnern heranwächst, die das Schuldenmachen von Kindesbeinen an regelrecht ,erlernt‘ hat“, so der Verbandspräsident.

Aber auch viele Erwachsene hätten Probleme beim verantwortungsvollen Umgang mit Geld: „Wir stellen fest, dass immer mehr Verbraucher den Dispositionskredit quasi in Daueranspruch nehmen.“ Wenn dann unvorhergesehene Ereignisse wie etwa Krankheit, Arbeitslosigkeit oder eine Ehescheidung eintreten, lassen sich schon bestehende finanzielle Verpflichtungen kaum mehr bedienen. „Dieser Trend zum Schuldenmachen hat unkalkulierbare Folgen, und zwar für die ganze Volkswirtschaft.“

Verbraucherinsolvenz
Das bereits schlechte Zahlungsverhalten hat sich nach Verbandsangaben durch die Verbraucherinsolvenz, die es seit fünf Jahren gibt und die überschuldeten Privatpersonen in mehreren Stufen einen finanziellen Neuanfang ermöglichen soll, nicht wesentlich weiter verschlechtert. Redliche Schuldner erhielten so die Möglichkeit, wieder am wirtschaftlichen Kreislauf teilzunehmen, und dies sei auch gut für die gewerbliche Wirtschaft. Für dieses Jahr rechnet der Inkasso-Verband mit deutlich über 40 000 Privatinsolvenzen, und dies bei 2,6 Mio. überschuldeten Privatpersonen in Deutschland.

Die Mitgliedschaft im Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen ist laut Jender ein Qualitätssiegel. Die Dienstleistungen der Mitglieder im Bereich Forderungsmanagement seien streng nach Gesetz und Rechtsprechung ausgerichtet. Durch „berufsrechtliche Richtlinien“ hätten die Verbandsmitglieder hohe Maßstäbe für den auftragsgebundenen, außergerichtlichen Forderungseinzug von Privatpersonen und Unternehmen gesetzt. Diese freiwillige Selbstkontrolle habe in den letzten Jahren zu einer nachhaltigen Imageverbesserung des Berufsstandes geführt. Außerdem seien profunde Sach- und Rechtskenntnisse für die Inkasso-Erlaubnis nachzuweisen.

Die Erlaubnis zur Ausübung der Inkassotätigkeit wird von den örtlich zuständigen Gerichtspräsidenten erteilt, die zugleich die Aufsicht über die Inkasso-Unternehmen ausüben. Der BDIU verpflichtet seine Mitglieder darüber hinaus zur ständigen beruflichen Weiterbildung, die mit einem umfangreichen Schulungsprogramm unterstützt wird.

„Das Einschalten eines Inkasso-Unternehmens ist eine eindeutige Botschaft an den Schuldner: Der Gläubiger macht klar, dass er – auch bei geringen Beträgen – nicht gewillt ist, auf seine berechtigten Forderungen zu verzichten“, so Jender. Oft genüge schon die Ankündigung der Maßnahme, um Schuldner zur sofortigen Zahlung zu bewegen. Ist der säumige Zahler dennoch uneinsichtig, treten Inkasso-Unternehmen mit individuell auf die Situation des jeweiligen Schuldners abgestimmten Maßnahmen in Aktion. Die Zahlungsaufforderungen sind so höflich wie möglich, aber auch so ernst wie nötig. Wenn das nichts fruchtet, wird der Betreffende per Telefon und gegebenenfalls im Wege der sensiblen, individuellen persönlichen Ansprache an seine Verpflichtungen erinnert. Der Zahlungsverweigerer merkt dadurch, dass die Forderung nachhaltig verfolgt wird. Nicht selten ist es angebracht, auf Grund der finanziellen Situation des Schuldners Ratenzahlungen auf die ausstehenden Forderungen zu gewähren.

Für das Outsourcing des Forderungsmanagements an externe Dienstleister spricht nach Ansicht Jenders eine Reihe von Gründen: Das Inkasso-Unternehmen suche das Gespräch mit dem säumigen Zahler, um Zahlungsvereinbarungen gemeinsam zu erarbeiten und durchzusetzen. Der Gläubiger vermeide so Gerichts-, Rechtsanwalts- und Gerichtsvollzieherkosten. Im vorgerichtlichen Inkasso erzielten Inkasso-Unternehmen je nach Forderungsart durchschnittlich in deutlich über 50 Prozent aller Fälle Zahlungen. Durch Bonitätsprüfungen bei Schuldnern würden in aussichtslosen Fällen zusätzliche Kosten für die Gläubiger vermieden – nach dem Motto: kein gutes Geld schlechtem hinterherwerfen.

Der Trend zum Outsourcing des Forderungsmanagements werde wegen des Wettbewerbs und Basel II noch zunehmen, weil die Unternehmen stärker auf ihre Liquidität achten müssten. Viele Inkasso-Unternehmen böten neben dem klassischen Forderungsmanagement weitere Dienstleistungen wie etwa den Kauf zahlungsgestörter Forderungen an. Inkasso sei mehr, als Mahnungen zu schreiben und säumigen Zahlern hinterher zu telefonieren. Inkasso-Unternehmen spielten zunehmend die Rolle von Beratern, die ihren Kunden helfen, ihre Liquidität zu sichern.

Im BDIU sind eigenen Angaben zufolge 508 der insgesamt etwa 650 in Deutschland tätigen Inkasso-Unternehmen organisiert.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2004, Seite 9

 
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