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Ein Wunsch fürs Neue Jahr

Von Nikolaus Piper, Süddeutsche Zeitung, Ressortleiter Wirtschaft

Zum Jahreswechsel mehren sich die guten Nachrichten für die deutsche Wirtschaft. Alle Experten sind sich einig: 2006 werden wir einen Aufschwung erleben. Als letztes der großen Forschungsinstitute hat das Ifo-Institut München in der Woche vor Weihnachten seine Wachstumsprognose nach oben gesetzt: Um 1,7 Prozent soll die Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik demnach zunehmen – im internationalen Vergleich immer noch mager, für deutsche Verhältnisse nach Jahren der Stagnation aber eine durchaus erfreuliche Zahl. Die Bundesregierung wird im Januar eine optimistische Prognose für ihren Jahreswirtschaftsbericht abgeben können, einige Bankvolkswirte rechnen bereits mit zwei Prozent Wachstum oder mehr.

Erfreulich sind besonders zwei Aspekte an den neuen Prognosen. Offenbar können die deutschen Unternehmen weiter vom Boom des Welthandels profitieren, obwohl die Konjunktur in den Vereinigten Staaten im Jahr 2006 etwas abkühlen dürfte. Der etwas günstigere Euro-Kurs könnte die deutschen Exporteure unterstützen, der weiterhin hohe Ölpreis wird ihnen jedenfalls nicht schaden. Möglicherweise schafft es jetzt die Konjunktur auf dem europäischen Kontinent, sich von der amerikanischen abzukoppeln. Noch wichtiger ist, dass jetzt auch die Binnenkonjunktur anzieht – wenn schon nicht der private Konsum, so doch die privaten Investitionen. Nach der Prognose des Ifo-Instituts werden die Ausrüstungsinvestitionen 2006 um 6,0 Prozent steigen, sogar am Bau geht es nach Jahren des Niedergangs bei den Investitionen zum ersten Mal um 0,4 Prozent nach oben. Vermutlich hat zu den guten Zahlen auch beigetragen, dass Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag verbesserte Abschreibungsregeln versprochen haben.

Das sind gute Aussichten auch für die neue Bundesregierung. Reformen jeder Art lassen sich in einem guten makroökonomischen Umfeld besser umsetzen. Damit erhebt sich aber auch die Frage: Was wird die Regierung Merkel/Müntefering genau tun? Der Reformteil des Regierungsprogramms ist sehr enttäuschend ausgefallen. Vor allem auf dem deutschen Arbeitsmarkt wird sich wenig bewegen, nachdem Union und SPD dessen Regulierung zum Tabu erklärt haben. Stattdessen konzentrieren sich alle Kräfte auf die Sanierung des Bundeshaushalts. Das entscheidende Datum ist dabei der 1. Januar 2007. An diesem Tag will die Koalition die Mehrwertsteuer um nicht weniger als drei Prozentpunkte erhöhen. Von den Regierenden, besonders in der Union, ist diese Steuererhöhung immer als eine Art Befreiungsschlag gedacht gewesen, als Mittel, um sich für einige Zeit Luft bei dem Versuch zu verschaffen, den Haushalt mit dem Grundgesetz und den Regeln des Stabilitätspakts in Einklang zu bringen. Aus ökonomischer Sicht handelt es sich dabei jedoch um das größte denkbare Risiko für die Konjunktur für die mittlere Zukunft.

Im Grunde hat die Regierung eine gefährliche Wette abgeschlossen: Alle wissen, dass eine so massive Belastung des privaten Verbrauchs mehrere Zehntelprozent Wachstum kosten wird. Daher setzt man in Berlin darauf, dass der Aufschwung 2006 so stark wird, dass ihm die Delle 2007 nichts mehr anhaben kann. Dazu könnte auch beitragen, dass Verbraucher in Erwartung der höheren Mehrwertsteuer ihre Einkäufe vorziehen und so einen Sondereffekt auslösen. Die Wette kann aufgehen – oder auch nicht. Im guten Falle würde der Aufschwung etwas gedämpft weitergehen, im schlechten hätte die Koalition 2006 bloß ein Strohfeuer ausgelöst, dem 2007 weitere Stagnation folgen würde. Die deutsche Wirtschaft würde zurückgeworfen, und auch bei der Haushaltskonsolidierung stünde die Regierung wieder dort, wo sie angefangen hat. Dass es genau so kommen kann, zeigt die Erfahrung in Japan, wo 1997 durch eine Mehrwertsteuererhöhung ein gerade beginnender Aufschwung abgewürgt wurde.

Man kann nur hoffen, dass die Regierung von dieser riskanten Wette ablässt. Stattdessen sei Merkel, Steinbrück, Glos und Müntefering eine andere Wette empfohlen: Wie wäre es, wenn die Berliner Mannschaft im nächsten Jahr alles auf Wachstum setzen würde und die konjunkturbedingt steigenden Steuereinnahmen nutzt, um mit Aplomb auf die geplante Steuererhöhung zu verzichten – oder sie wenigstens auf einen Prozentpunkt herabzusetzen. Das wäre ein einfaches Mittel, um Zuversicht in der Wirtschaft zu schaffen. Und die Wette läge darin, zu testen, ob diese Zuversicht und die zusätzliche Nachfrage von Verbrauchern und Unternehmen ausreichen, um das Ziel der Haushaltssanierung mit Reformen und ohne Steuererhöhungen zu erreichen. Aus heutiger Sicht spricht alles dafür.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2006, Seite 14

 
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