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Hehre Grundsätze

Redaktion und Werbung müssen getrennt sein. Doch in der Praxis weichen die Grenzen auf.

An Sportübertragungen aus „Arenen“, die den Namen von Versicherungsgiganten oder Großbrauereien tragen, hat sich der Medienkonsument mittlerweile gewöhnt. Dass nicht nur Agent 007 im Film, sondern auch öffentlich-rechtliche TV-Kommissare stets den neuesten Nobelmarkentyp bei ihren inszenierten Verbrecherjagden dezent auffällig ins Bild stellen, ist ebenfalls gängige Praxis. So genannte „Infomercials“ drängen auf die Kanäle und beherrschen zunehmend die Sonderseiten. Bleiben wir konsequent, dann redigiert und verliest bald in der täglichen Haupt-Nachrichtensendung der CEO eines Energieunternehmens kompetent die News über Chancen und Risiken des Strompreiswettbewerbs.

Nimmt man die absolut werbefreien Rundfunksender Deutschlandfunk (DLR) und das dazugehörige DeutschlandRadio Kultur Berlin (ehemals Rias) sowie das Fernsehen der Deutschen Welle einmal aus, kann kein Print- oder elektronisches Medium mehr ein striktes Werbe- und Sponsoring-Verbot für seine Glaubwürdigkeit ins (Werbe)Feld führen. DLR-Intendant Ernst Elitz wird zum Kronzeugen aktueller Gefahr, wenn er betont, „die Kommerzialisierung von Inhalten gehe einher mit dem Verlust an Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit, die nach bisher gültigem gesellschaftlichem Konsens eine Kernqualität der Medien ausmachten“. Dabei wäre es grundfalsch, die Trennung von Werbung und redaktionellem Inhalt nur den öffentlich-rechtlichen Sendern ans Revers zu heften. Elitz fordert zu Recht: „Qualitätsstandards müssen für alle auf dem Medienmarkt gelten wie die Straßenverkehrsordnung oder die zehn Gebote!“.

Diesen Ethos zu garantieren, haben sich Sender wie Printmedien über die vom Gesetzgeber vorgegebenen Regelungen hinaus selbst ins Stammbuch geschrieben. Das bedeutet konsequente Trennung von Werbung und Programm, von Product Placement und redaktionell verantwortetem Text. Das wirft in der Praxis aber Fragen auf: Soll die Lokalredaktion den Bericht darüber ablehnen, dass der örtliche Bäckermeister zwei Lehrlinge mehr eingestellt hat als früher, nur weil dieser ein treuer Anzeigenkunde ist?

Das Problem könnte sich schon zum Jahresende erledigt haben, und zwar dann, wenn sich die britische EU-Medienkommissarin Viviane Reding durchsetzt. Dann können die Gegner von (kostenlosem) Product Placement (Schleichwerbung) EU-weit einpacken. Zwar sollen nicht alle Barrieren für die Platzierung von Werbung eingerissen werden. Bei der Beseitigung der „Grauzone“ will die EU aber den Sendern große Flexibilität einräumen. Dabei soll auch bezahltes Product Placement zugelassen werden – ausgenommen in Nachrichtensendungen, politischen Informations- und Kindersendungen. Bei allen Programmen und Filmen soll – etwa im Abspann – der Hinweis zulässig sein, dass Produkte gegen Geld ins Programm eingebaut wurden. Aber wer achtet schon auf den Abspann?

Mahnung an ein „Trennungsgebot“
Der Wandel des Zusammenspiels zwischen Journalismus, PR und Werbung werde jedem Zeitungsleser offenbar, befindet auch der Deutsche Presserat. Er mobilisiert deshalb „unabhängigen und glaubwürdigen Journalismus, der Abgrenzung braucht“ und spricht sich gegen eine Aufweichung des Trennungsgebots aus. Auch die Printmedien werden aufgefordert, auf strikte Trennung von redaktionellem Inhalt und Werbung zu achten.

Da nimmt es sich ausgesprochen ehrenwert aus, wenn das jüngst von Journalisten gegründete „netzwerk recherche“ angesichts „neuer Technologien und zunehmendem ökonomischen Drucks“ in seinem Medienkodex formuliert: „Journalisten machen keine PR“, denn Qualität und Unabhängigkeit des Journalismus müssten gewahrt bleiben.

Sergej Lochthofen, Chefredakteur der „Thüringer Allgemeinen“, prognostiziert, die wachsende Beliebtheit von Serviceseiten und die zunehmende Kreativität der Anzeigenabteilungen führe zur weiteren Aufweichung der Grenze zwischen redaktionellen und werblichen Inhalten. Werde die Mischform aus Journalismus und PR in Tageszeitungen noch recht auffällig sichtbar, so verwische sie schon auf den Seiten von Hochglanz-Frauenzeitschriften vollends. In den „schnellen“ elektronischen Medien „versendet“ sich sekundenschnell auch die letzte Trennungslinie zwischen klassischer Berichterstattung und Werbung.

„Alles was ihr von anderen erwartet, das tut auch für sie!“, hat der Trierer katholische Bischof Reinhard Marks das Matthäuswort (7,12) jungen Journalisten mitgegeben. Will sagen: Die Journalisten müssen bewusst umgehen mit den Methoden der Recherche, der Aufmachung, ihrer eigenen Auffassung gegenüber dem konsumierenden Publikum und den Folgen ihres medialen Tuns. Zu diesem Problemfeld zählen auch mögliche Abhängigkeiten der Journalisten von den Politikern. „Amigo“-Beziehungen kommen in der Wirtschaftspublizistik ebenso vor wie in der Sport-, Lokal- oder Kulturberichterstattung.

Aufgabe der Medien ist es, praktische Hilfen zur Orientierung in der Nachrichtenwelt anzubieten. Damit dieser Transmissionsprozess funktionieren kann, gilt es an journalistische Berufsausbildung und an die Berufsethik einen gestiegenen Anspruch zu formulieren. Die Akteure dieses Berufszweiges müssen die Rolle des Mittlers und „Übersetzers“ spielen. Abhängigkeiten können da nur schaden.

Autor/in: 
Albrecht Schnee
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2006, Seite 42

 
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