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Bekommt der Staat mehr Einfluss?

Die Reform der Unfallversicherung nimmt Formen an. Wahrscheinlich wird es nur noch neun Berufsgenossenschaften geben.

Das Bundesarbeitsministerium hält daran fest, eine neue und einheitliche Spitzenkörperschaft für die gewerblichen Berufsgenossenschaften und die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand zu schaffen. Und dies trotz des geplanten (freiwilligen) Zusammenschlusses des Hauptverbands der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) und des Bundesverbands der Unfallkassen (BUK) zum 1. Juli 2007 zu einem gemeinsamen Spitzenverband in Form eines eingetragenen Vereins.

Eingeführt wird ein neuer Lastenausgleich innerhalb der gewerblichen Unfallversicherung. Alte Lasten, die nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zur aktuellen Wirtschafts- und Risikostruktur einzelner Berufsgenossenschaften stehen, werden künftig von allen Berufsgenossenschaften solidarisch getragen. Entscheidend ist dabei insbesondere die Verteilung überproportionaler Altlasten (so genannter „Überaltlasten“) auf die verschiedenen Wirtschaftszweige. Hier geht der Entwurf von einer hälftigen Verteilung nach Entgelten und nach Neurenten aus. Verzichtet wird auf eine Regelung, die im Eckpunktepapier noch vorgesehen gewesen war: Eine gesetzliche Festlegung, dass Beitragsspreizungen zwischen den Berufsgenossenschaften von derzeit fünf auf höchstens zwei Beitragssatzpunkte reduziert werden sollen, wird es nicht geben.

Im Eckpunktepapier war noch geplant, die Zahl der gewerblichen Berufsgenossenschaften auf sechs zu reduzieren. Im Gesetzentwurf wird nun ein Beschluss der Mitgliederversammlung des HBVG aufgegriffen und eine Reduzierung der Zahl der Berufsgenossenschaften auf neun in Aussicht gestellt.

Zwischen den Trägern wird ein Wirtschaftlichkeitswettbewerb (Benchmarking) eingeführt. Das Ziel, Verwaltungs- und Verfahrenskosten bis 2014 um 20 Prozent zu senken, wird explizit im Gesetz verankert.

Nach Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) ist zu begrüßen, dass im Vergleich zum Eckpunktepapier einige richtige Änderungen vorgenommen wurden. Aus Sicht der Wirtschaft sinnvoll sind die Reduzierung auf dann neun Berufsgenossenschaften sowie die Regelungen zum Überlastausgleich. Wichtig wäre aber, die Umstellung vom gegenwärtigen auf das neue Lastenausgleichsverfahren mit einer mindestens dreijährigen Übergangsphase vorzunehmen, um mehr belastete Unternehmen nicht zu sehr zu strapazieren. Gut sei in jedem Fall, dass nun doch keine quantitativen Vorgaben für künftige Beitragssatzspreizungen im Gesetz verankert werden sollen.

Die Einrichtung einer gemeinsamen Spitzenkörperschaft sieht der DIHK nach wie vor mit Skepsis: Man befürchte, dass damit der Einfluss der Selbstverwaltung der Wirtschaft - zu Gunsten des Staates - geschwächt wird. Dies gelte insbesondere wegen der geplanten Stimmverteilung nach der Versichertenzahl, denn dabei dürften die Länder eine Sperrminorität erhalten. Bei der Finanzierung der neuen Spitzenkörperschaft, die sich am Anteil an den Gesamtausgaben der Unfallversicherung orientiert, wird indes die Wirtschaft gut 90 Prozent der Kosten tragen müssen, was aus DIHK-Sicht ebenfalls inakzeptabel ist. Positiv sei zumindest, dass das Bundesarbeitsministerium nur eine Rechts- und nicht etwa eine Fachaufsicht bekommen solle.

Mit dem geplanten Benchmarking und dem Ziel, Verwaltungskosten zu senken, kommt die Politik zwar Forderungen der IHK-Organisation nach. Doch ist es laut DIHK wichtig, sich nicht allzu sehr in Fragen der Organisationsreform zu ergehen. Gerade kleine und mittlere Unternehmen stoßen sich weniger an der Organisation der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern vielmehr an der oftmals hohen Bürokratie und der zu geringen Kundenorientierung der Berufsgenossenschaften. Der DIHK wird sich daher auch weiterhin beim Gesetzgeber bzw. bei den Berufsgenossenschaften für eine wirtschaftsnähere Ausgestaltung der gesetzlichen Unfallversicherung einsetzen: Eine flexibilisierte Schadensregulierung sowie der Einsatz unabhängiger Ombudsleute, die im Streitfall außergerichtlich zwischen Betrieb und Berufsgenossenschaft vermitteln, sollten dabei auf der Agenda ganz oben stehen.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2007, Seite 39

 
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