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Elternzeit

Auszeit für den Nachwuchs

In ganz Deutschland steigt allmählich die Zahl der Väter, die nach der Geburt ihrer Kinder eine Zeitlang zuhause bleiben.

In Umfragen sind die neuen Väter bereits länger kein Randphänomen mehr. Schon seit einigen Jahren bevorzugen über 70 Prozent der Männer mit kleineren Kindern das Vaterschaftsmodell des Erziehers gegenüber dem des Ernährers – allerdings nur theoretisch. In der Praxis nahmen 2001 erst 1,5 Prozent der Väter Elternzeit, 2006 betrug der Anteil rund drei Prozent.

Mit dem Elterngeldgesetz, das im Regelfall eine Lohnersatzleistung von bis zu zwei Dritteln vorsieht (bei gering verdienenden Eltern sogar bis zu 100 Prozent), sind die Zahlen nun deutlich gestiegen. Mitte 2008 beantragten über 18 Prozent der Väter Elterngeld. Doch dabei zeigen sich, so eine aktuelle wissenschaftliche Studie des Berliner Instituts für sozialwissenschaftlichen Transfer (SowiTra), deutliche Unterschiede: „Elterngeld-Väter“ sind häufig in Großbetrieben beschäftigt und leben meist in Großstädten. Sie arbeiten vorrangig in der öffentlichen Verwaltung oder bei Dienstleistern, haben mehrheitlich einen Hochschulabschluss und sind vor allem als qualifizierte Angestellte tätig. Sie sind im Durchschnitt 37 Jahre alt, ihre Partnerin ist ebenfalls erwerbstätig.

Allerdings nehmen bisher zwei Drittel der Väter nur eine kurze Auszeit bis zu zwei Monaten. Den mutigen Schritt zur Nutzung von neun bis zwölf Elterngeldmonaten wagen bisher nur fünf Prozent der Väter. In den meisten Fällen haben sie bereits Erfahrungen mit der Elternzeit für ein früheres Kind sammeln können – und sie kombinieren die Elterngeldzeit dann noch mit zusätzlicher, unbezahlter Elternzeit. Für diese Väter, in der Untersuchung „familienzentriert“ genannt, ist es wichtiger als für alle anderen, schon frühzeitig viel Zeit mit dem Kind zu verbringen.

In zahlreichen Großunternehmen der Region spielt das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine immer wichtigere Rolle. So sind oder waren 2009 beispielsweise bei der Nürnberger Versicherungsgruppe 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Elternzeit, davon immerhin 24 Männer. „Insgesamt ist festzustellen“, so sagt Pressesprecher Roland Schulz, „dass mit Einführung der Vätermonate in der Elternzeit die Quote der Männer in Elternzeit gestiegen ist.“

Auch Christian Marthol, Rechtsanwalt bei Rödl & Partner, wollte sich die Chance nicht entgehen lassen, seine neu geborene Tochter Marlene besser kennenzulernen und gleichzeitig seiner Lebenspartnerin zu signalisieren, dass seine Aussagen zur Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht nur leeres Gerede waren. Ganz einfach war die Umsetzung in die Praxis für Marthol dann doch nicht, aber Vorgesetzte und Kollegen spielten mit. Zweimal je einen Monat verabschiedete sich der 36-jährige Rechtsanwalt von Team und Mandanten – und kümmerte sich begeistert um Wickeln und Füttern seiner Tochter. Im ersten seiner Vater-Monate verschwand er mit Partnerin und Tochter nach Griechenland, aber erreichbar für Notfälle blieb er dank Blackberry ohnehin. Nach seiner Rückkehr an den Arbeitsplatz konnte er feststellen: „Schlimmste Befürchtungen waren nicht eingetreten.“ Bei Rödl & Partner Nürnberg haben seit 2008 nach Angaben von Michael Rödl elf Männer jeweils für zwei Monate eine Vater-Auszeit genommen. „Alle haben vorher in Ruhe ihre eigene Vertretung geklärt“, sagt Rödl, der aus zahlreichen Personalgesprächen weiß, dass gerade junge Spezialisten zwischen 30 und 35, bei ihrer Job-Wahl auch Wert auf Familienfreundlichkeit legen. Inzwischen unterhält das Unternehmen, gemeinsam mit dem Bayerischen Roten Kreuz, sogar eine eigene Kinderkrippe, in der rund 15 Kinder betreut werden.

Schwierige Personalplanung
Bei der Brodos AG in Baiersdorf wird das staatliche Elterngeld von männlichen Mitarbeitern gern genutzt. Kerstin Lehmann, Leiterin Human Resources, sagt: „Rund 75 Prozent unserer frisch gebackenen Väter greifen darauf zurück.“ Länger als zwei Monate bleiben die Jung-Väter der Arbeit bei Brodos in der Regel nicht fern. Personalmanagerin Lehmann dazu: „Für uns als mittelständisches Unternehmen ist der Ausfall schmerzhaft, da wir den Mitarbeiter nicht einfach ersetzen können. Bei der oft nur kurzen Elternzeit der Väter lohnt es sich zudem nicht, einen anderen Mitarbeiter interimsweise einzulernen.“ Auch bei der Areva NP GmbH in Erlangen kommt die Elternzeit bei den Mitarbeitern gut an. Sprecherin Cordula Ressing: „Da die Termine schon langfristig vorher geplant werden können, lässt sich die Zeit fast wie ein verlängerter Urlaub planen.“

Autor/in: 
hpw.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2010, Seite 36

 
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