Telefon: +49 911 1335-1335

Basel III

Liegt die Messlatte höher?

Die Banken müssen Unternehmenskredite nach den aktuellen Planungen künftig mit mehr Eigenkapital hinterlegen. Deshalb wird befürchtet, dass sich Kredite verteuern und die Finanzierung des Mittelstandes erschwert wird.

"Frontalangriff auf den deutschen Mittelstand“, "regulatorische Kreditklemme“, "Konjunkturgift“, „erhebliches Risiko für die zukünftige Finanzierungssituation von Unternehmen“: Diese Kommentare von Verbänden, Banken und Politikern zeigen, dass Basel III nicht mit Vorschusslorbeeren bedacht wird. In Teilen der deutschen Wirtschaft gibt es große Vorbehalte gegen das Maßnahmenpaket zur Stabilisierung der internationalen Finanzmärkte, mit dem die Lehren aus der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 gezogen werden sollten.

Damals griffen die Turbulenzen auf den Kapitalmärkten rund um den Globus auf die Realwirtschaft über und ließen das Bruttoinlandsprodukt der Europäischen Union 2009 um sechs Prozent einbrechen. Nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds bezifferten sich die krisenbedingten Verluste der europäischen Kreditinstitute zwischen 2007 und 2010 auf fast eine Billion Euro.

Angesichts dieser Schadensbilanz beauftragten die G20-Staats- und Regierungschefs den Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht mit der Ausarbeitung eines Regelwerks, das die Krisenresistenz der Kreditinstitute verbessern soll, indem die Eigenkapitalbasis gestärkt und Liquidität sichergestellt wird. Dieses als Basel III bezeichnete Paket, das auf Basel II aufsetzt, muss bis Ende 2012 in nationales Recht umgesetzt werden. Für die EU-Staaten hat die EU-Kommission im Juli 2011 einen Entwurf präsentiert (CRD IV – Capital Requirements Directive), der zum 1. Januar 2013 in Kraft treten soll.

Nicht zuletzt wegen seiner möglichen Auswirkungen auf den Mittelstand wird die CRD IV aktuell in Deutschland kontrovers diskutiert. Zwar richten sich die Basel III-Regulierungen ausschließlich an die über 8 300 Kreditinstitute in den EU-Staaten. Da aber deutsche Firmen etwa 70 Prozent ihres Fremdkapitalbedarfs über Bankkredite decken, ergibt sich sofort eine Verbindung zur Unternehmensfinanzierung. Es ergibt sich ein Spannungsfeld zwischen zwei Zielen: Systemstabilisierung auf der einen und Kreditversorgung der Wirtschaft auf der anderen Seite. Die Banken könnten die höheren Eigenkapitalquoten nämlich durch eine „Verringerung des Nenners“, also durch eine Kürzung der Bilanzaktiva, erzielen - was eine Schwächung des Kreditangebots zur Folge haben könnte. Die Deutsche Bundesbank vertritt in ihrem Basel III-Leitfaden die Auffassung, dass dieses Dilemma „über Vertrauensschutz und Übergangsregeln“ aufgelöst wird.

Diese Zuversicht wird nicht von allen geteilt. „Die Ungewissheit über die Auswirkungen von Basel III sorgt im Moment für Verunsicherung“, so beschreibt Dirk Helmbrecht, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Raiffeisenbank Nürnberg eG, das Stimmungsbild vieler Unternehmen. Dr. Udo Raab, Leiter des IHK-Geschäftsbereichs Standortpolitik und Unternehmensförderung, spürt bei den Firmen eine diffuse Angst, dass Basel III eine neue Kreditklemme auslöst. „Diese Gefahr wollen wir natürlich im Ansatz bekämpfen. Die Finanzierung des Mittelstands muss ohne Einschränkungen gewährleistet bleiben“, betont Raab. Die IHK Nürnberg für Mittelfranken und ihre Dachorganisation, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), treten mit anderen Spitzenverbänden der Wirtschaft dafür ein, dass beim derzeit laufenden Abstimmungsprozess des Kommissionsentwurfs diejenigen Punkte nachgebessert werden, die als besonders heikel für die Mittelstandsfinanzierung gelten.

Dazu gehören vor allem die Auswirkungen der verschärften Liquiditätsvorschriften und das Vorhalten zusätzlicher Eigenkapitalpuffer. Basel III führt erstmals international einheitliche Liquiditätsstandards ein, die durch zwei Kennzahlen abgebildet werden: die Liquidity Coverage Ratio (LCR - Monatliche Liquiditätskennziffer) und die Net Stable Funding Ratio (NSFR - Stabile Finanzierungskennziffer), die das Verhältnis zwischen den vorhandenen und den benötigten Finanzierungsmitteln bezogen auf den Zeitraum eines Jahres ausdrückt. Skeptiker befürchten, dass diese starren Liquiditätskennzahlen die Fristentransformation erheblich erschweren - was wiederum Auswirkungen auf die Laufzeiten von gewerblichen Krediten hat: „In Deutschland haben wir eine Tradition der langfristigen Unternehmensfinanzierung, die den Kreditnehmern Planungssicherheit bietet“, erklärt Helmbrecht. Basel III könnte zur unfreiwilligen Abkehr von dieser Finanzierungskultur beitragen.

Kenngröße „Risikogewicht“

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Ausgestaltung der Eigenkapitalvorschriften: Das Basel III-Regelwerk sieht bis 2019 eine schrittweise Erhöhung der Eigenkapitalquote von acht auf 10,5 Prozent vor. Daran muss das harte Kernkapital (Core Tier 1) - darunter fallen bei einer Aktiengesellschaft Grundkapital und Rücklagen, bei Sparkassen die Sicherheitsrücklage - einen Anteil von sieben Prozent an den risikogewichteten Anlagen haben (heute: zwei Prozent). Eine Schlüsselrolle spielt in diesem Kontext das Risikogewicht einzelner Bilanzpositionen. Je höher das Risikogewicht, desto höher der Anteil des Kernkapitals, das gemäß Basel III zusätzlich aufgebaut werden muss: Bei einem Risikogewicht von 100 Prozent muss die Bank einen Unternehmenskredit nach dem Standardansatz künftig mit 10,5 Prozent Eigenkapital hinterlegen. Weil sie mit einem Risikogewicht von 100 bzw. 75 Prozent versehen sind, könnte Basel III besonders stark auf die gewerblichen Kredite durchschlagen.

„Das setzt völlig falsche Anreize, denn die Mittelstandskredite waren weder Auslöser noch Verstärker der Krise“, kritisiert Helmbrecht. Der Wertpapierhandel werde gegenüber den Krediten bevorzugt, was die tatsächliche Risikoverteilung nicht adäquat abbilde: So haben während der Finanzkrise 90 Prozent der Banken im Kreditgeschäft maximal 24 Prozent des hinterlegten Eigenkapitals verloren. Dagegen haben 90 Prozent der Banken durch Handelsverluste bis zu 255 Prozent des hinterlegten Eigenkapitals eingebüßt.

Vor diesem Hintergrund kämpft die Arbeitsgemeinschaft Mittelstand, der auch der DIHK angehört, in Brüssel und im EU-Parlament dafür, die Risikogewichte für Mittelstandskredite zu senken. Unabhängig vom Ergebnis müssen Unternehmen jedoch gewappnet sein, dass die Banken die Messlatte für die Beurteilung potenzieller Kreditnehmer tendenziell höher legen werden. Dabei gilt auch unter Basel III die Regel von Basel II: je geringer die Ausfallwahrscheinlichkeit von Krediten, desto besser die Konditionen. Deshalb spielt das Rating, also die Einschätzung der Bonität, eine Schlüsselrolle. Hier zählen nicht nur harte Faktoren, vor allem Eigenkapitalquote und Sicherheiten, sondern auch die Einschätzung der zukünftigen Ertragslage und der Managementqualität - dies lässt den Stellenwert der Finanzkommunikation steigen. Auch deshalb gehört dieses „Fach“ bereits länger zum Curriculum des Gründertrainings ebenso wie und zu den Coaching- und Finanzierungsgesprächen, die die IHK Nürnberg anbietet. „Unternehmer müssen voller Überzeugungskraft ins Bankgespräch gehen“, betont Dr. Udo Raab.

Autor/in: 
Andrea Wiedemann
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2012, Seite 28

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick