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Unternehmensfinanzierung

Mittelstand als Anlageobjekt

Anleihen und Genussscheine werden bei kleinen und mittleren Unternehmen immer beliebter. Was ist bei der Ausgabe zu beachten?

Was haben die Wiener Feinbäcker Heberer GmbH, der Hemden-Hersteller Seidensticker und der Biogas-Anlagenbauer MT-Energie gemeinsam? Alle drei Firmen setzen bei der Finanzierung ihrer Expansionspläne auf die Mittelstandsanleihe. Dieses Instrument gewinnt immer mehr an Bedeutung: Das Gesamtvolumen der Anleihen deutscher Unternehmen hat sich in den vergangenen drei Jahren nahezu verdreifacht. Zwar spielt der Bankkredit in Deutschland unangefochten die Hauptrolle bei der Unternehmensfinanzierung, aber gerade Mittelständler suchen zunehmend nach anderen Wegen bei der Fremdkapitalversorgung und sind bereit, das Neuland Kapitalmarkt zu betreten.

Prüfung erforderlich

Die Emission einer Anleihe ist dabei häufig der erste Schritt: Unter diesen Sammelbegriff werden Wertpapiere mit Verzinsung und einer vertraglich festgelegten Rückzahlung des Kapitals gefasst. Anleihen können von Unternehmen jeder Rechtsform begeben werden. Es gibt keine Mindestanforderungen an das Stammkapital oder Eigenkapital. Um eine Anleihe zu platzieren, muss der Emittent einen Wertpapierprospekt veröffentlichen und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zur Prüfung vorlegen.

Ein Indikator für die wachsende Bedeutung der Mittelstandsanleihen sind die Aktivitäten an den deutschen Börsenplätzen. Es sind spezielle Segmente für den Handel mit Mittelstandsanleihen entstanden, etwa bondM an der Börse Stuttgart, m:access in München oder der Entry Standard in Frankfurt. Obligatorisch für die Zulassung einer Anleihe zum Börsenhandel ist, dass die Emission von Kapitalmarktprofis begleitet wird, üblicherweise werden damit Banken, Rechtsanwälte oder andere Spezialisten für Corporate Finance betraut.

Von Februar 2011 bis März 2012 wurden nach Angaben der Informationsplattform anleihen-finder.de, 54 Anleihen mit einem Gesamtvolumen von 2291 Mio. Euro begeben. Im Durchschnitt lag das Emissionsvolumen bei 42,4 Mio. Euro. Diese Größenordnung zeigt, dass das Instrument der Anleihe vor allem für große mittelständische Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 50 und 500 Mio. Euro infrage kommt.

Aber auch kleine und mittlere Unternehmen weit unterhalb dieser Umsatzklasse beschreiten bei der Finanzierung innovative Wege, wie das Beispiel der Metzgerei Weckerlein zeigt. Die GmbH begibt seit Januer 2012 Genussscheine, um den Ausbau des Filialnetzes voranzutreiben, das bereits elf Geschäfte im Großraum Nürnberg umspannt. Ganz aus eigenen Mitteln kann Geschäftsführer und Inhaber Jörg Weckerlein die Expansion nicht stemmen. Die Kreditkonditionen seiner Hausbank haben ihn aber so wenig überzeugt, dass er intensiv über Alternativen nachdachte. Der 44-jährige Metzgermeister und Finanzwirt setzt nun auf Genussrechte.

Für die Ausgestaltung von Genussrechten, die als Genussscheine verbrieft werden, gibt es keine gesetzlichen Vorschriften: Zinssatz, Laufzeit, Kapitalrückzahlung, Stückelung und Gesamtbetrag legen die Emittenten in den Genussrechtsbedingungen fest. Für deren Formulierung holen sie sich in der Regel Unterstützung, Jörg Weckerlein ließ sich beispielsweise von einem Fachanwalt für Kapitalanlagerecht beraten. Anders als Mittelstandsanleihen, die an den Börsen gehandelt werden sollen, können Genussrechte ohne Intermediär begeben werden.

So wählte Jörg Weckerlein einen unorthodoxen Weg, um seine Genussscheine publik zu machen: Er packte seiner Kundschaft einen Flyer in die Einkaufstüte. Im Angebot waren nicht Schnitzel oder Schinken, sondern eine „Wurstaktie“. Ab einer Mindestbeteiligung von 100 Euro verspricht der Metzgermeister den Inhabern der Genussrechte einen Zinssatz von sieben Prozent bei einer Mindestlaufzeit von drei Jahren. Wer Genussscheine mit einem Nennwert von 1 000 Euro erwirbt, soll zehn Prozent bekommen. Das Gesamtvolumen der Emission liegt bei 90 000 Euro; über die Hälfte davon hat Jörg Weckerlein bereits platziert. Offensichtlich entspricht das Angebot der Metzgerei Weckerlein und anderer mittelständischer Betriebe dem Bedürfnis von Anlegern, denen die Komplexität und Anonymität der globalen Kapitalmärkte nicht mehr geheuer sind.

Risiken beachten

Als Wertpapiere sind Genussscheine ein Zwitter zwischen Aktien und Anleihe. Der Inhaber von Genussrechten ist Gläubiger, aber kein Gesellschafter; er hat also keinerlei Mitspracherecht bei unternehmerischen Entscheidungen. Aber er trägt deren Folgen, weil er am Gewinn und Verlust beteiligt ist. Genussrechte gehören zu den Mezzanine-Finanzierungen, weil sie eine Mischform zwischen Eigen- und Fremdkapital darstellen. Dieses Changieren macht Genussrechte zu einer riskanten Anlageform: De facto sind Genussrechte ungesicherte Kredite an ein Unternehmen, wobei die Ansprüche der Kreditgeber grundsätzlich nachrangig behandelt werden. Im Worst-Case-Szenario ist das investierte Kapital also verloren. Auch die Zinszahlungen sind nicht garantiert; laufen die Geschäfte schlecht, können sie ausfallen. Als Kompensation für diese Risiken winken den Inhabern allerdings Zinssätze, die deutlich über dem Niveau weniger riskanter Anlagen liegen.

Die Inhaber der Weckerlein-Genussrechte müssen sich allerdings um die Verzinsung ihrer „Wurstaktie“ keine Sorgen machen: Sie erfolgt nämlich in Form von Warengutscheinen. Die Auszahlung in Naturalien macht für den Metzgermeister den hohen Zinssatz verkraftbar, denn die Differenz zwischen Produktionskosten und Ladenpreis schont seine Liquidität. „Außerdem wäre ein Kontokorrentkredit fast genauso teuer“, ergänzt Jörg Weckerlein.

Autor/in: 
aw.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2012, Seite 33

 
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