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Was Handel und Lieferanten beachten müssen

Das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts wird am 1. Januar 2002 in Kraft treten. Für Handel und Lieferanten ist es deshalb höchste Zeit, sich auf die bevorstehende Gesetzeslage einzustellen. Die wichtigsten Neuregelungen betreffen das Kaufrecht, genauer das so genannte Gewährleistungsrecht.

Gewährleistungsfrist verlängert
Die weitestreichende Neuerung ist die lange Gewährleistungsfrist, die mit 24 Monaten die zeitliche Haftung des Verkäufers im Vergleich zum geltenden Recht vervierfacht. Noch länger soll unter Umständen sogar der Baustoffhandel haften. Hier liegt die Verjährung bei fünf Jahren, wenn die Sache entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat.

Keine Haftung
für unbegrenzte Haltbarkeit

Keineswegs muss der Verkäufer aber befürchten, während der langen Gewährleistungsfrist für jeden Schaden oder jede Gebrauchsbeeinträchtigung an dem Kaufgegenstand einstehen zu müssen. Er haftet nicht für den unsachgemäßen Gebrauch oder die unbegrenzte Haltbarkeit der Sache. So versteht es sich von selbst, dass zum Beispiel auf Grund des Ablaufs des Haltbarkeitsdatums bei verdorbenen Lebensmitteln dem Käufer keine Rechte zustehen. Auch haftet der Verkäufer nicht für den natürlichen Verschleiß oder die Abnutzung der Kaufsache. Eine Einstandspflicht trifft den Verkäufer schließlich auch dann nicht, wenn der Käufer den Mangel bei Vertragsschluss kennt oder über den Mangel grob fahrlässig in Unkenntnis geblieben ist.

Haftung für Werbeaussagen und fehlerhafte Montageanleitungen
Gewährleistungsrechte stehen dem Kunden nur zu, wenn die Sache bei Gefahrübergang fehlerhaft ist. Wann ein Fehler vorliegt, definiert der Gesetzentwurf neu. Er folgt dabei vom Ansatz her dem geltenden Recht, sieht aber auch einige weitreichende Veränderungen vor. So ist vorgesehen, dass der Verkäufer nunmehr auch für öffentliche Äußerungen, insbesondere Werbeaussagen, haften kann. Bemerkenswert bei dieser Bestimmung ist, dass der Verkäufer sich auch falsche Werbeaussagen des Herstellers und seiner Gehilfen zurechnen lassen muss. Wirbt der Hersteller beispielsweise damit, dass ein bestimmtes Gerät am Tag eine Kilowattstunde benötigt, der Verbrauch aber bei zehn Kilowattstunden liegt, kann der Verkäufer in Anspruch genommen werden, obwohl die Sache qualitativ einwandfrei ist. Werbeaussagen sind aber irrelevant, wenn der Verkäufer sie nicht kannte oder kennen musste oder die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte.
Neu ist auch die Haftung für eine fehlerhafte Montageanleitung (so genannte „Ikea-Klausel“), infolge derer zum Beispiel ein Möbelstück falsch zusammengebaut wird. Hier gibt es eine Ausnahme: Der Verkäufer muss für einen Mangel der Montageanleitung nicht einstehen, wenn er sich nicht ausgewirkt hat, der Käufer also auf Grund eigener Sachkenntnisse die Montageanleitung nicht benötigt und die Sache trotzdem richtig montiert hat.

Käufer kann Nachbesserung
und Nachlieferung verlangen

Eine der wichtigsten Neuerungen des Entwurfs besteht darin, dass der Käufer bei Lieferung einer mangelhaften Sache grundsätzlich einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Nacherfüllung haben wird. Das heißt, der Käufer kann wählen, ober er zunächst die Nachbesserung der fehlerhaften Sache oder die Ersatzlieferung einer neuen Sache verlangt. Erst wenn die Nacherfüllung gescheitert ist, weil sie unmöglich oder unverhältnismäßig ist oder weil die dem Verkäufer zur Nacherfüllung gesetzte Frist erfolglos abgelaufen ist, kommen die bislang bekannten Ansprüche auf Wandlung (künftig Rücktritt genannt), Minderung und Schadensersatz (künftig schon bei leichter Fahrlässigkeit) in Betracht.

Wertersatz für Gebrauchsvorteil
Erhält der Kunde im Zuge der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache oder tritt der Käufer vom Vertrag zurück, muss er die mangelhafte Sache herausgeben. Zugleich muss er Wertersatz für den Gebrauchsvorteil leisten. Der Käufer beispielsweise, der nach einem Jahr wegen eines Mangels des gekauften Pkw vom Kaufvertrag zurücktritt, hat dem Verkäufer demnach die Vorteile herauszugeben, die er durch die Benutzung des Wagens gezogen hat. Dasselbe gilt für den Käufer, der infolge der Nachlieferung einen neuen Pkw erhält und seinen mangelhaften zurückzugeben hat.

Vertraglicher Haftungsausschluss
Kauft ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache, ist dies ein Verbrauchsgüterkauf. Die gravierendste Besonderheit des Verbrauchsgüterkaufs liegt in der weitestgehenden Aufhebung der Vertragsfreiheit zugunsten zwingender Normen, so dass ein vertraglicher Haftungsausschluss nicht vereinbart werden kann. Eine gewisse Lockerung sieht der Entwurf nur für gebrauchte Waren vor. Der Verkäufer soll hier die Gewährleistungsfrist auf ein Jahr reduzieren dürfen. Auch für den Gebrauchtwarenhandel ändert sich die Rechtslage damit erheblich, weil ein Ausschluss jeglicher Gewährleistung – so wie bislang üblich - künftig nicht mehr möglich sein wird.
Für Kaufverträge außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs bestehen vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten in weit größerem Umfang. Beschränkungen ergeben sich auch hier aus dem Recht zur Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ein vollständiger Haftungsausschluss durch AGB ist danach unzulässig. Möglich wird es aber sein, die zweijährige Gewährleistungsfrist auf ein Jahr zu verkürzen. Eine wichtige Ausnahme stellt aber die fünfjährige Frist für Baumaterialien des § 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB-RE dar. Sie soll „AGB-fest“ und damit nicht abdingbar sein.

Kein Haftungsausschluss
bei unerheblichen Mängeln

Nach bisherigem Recht waren Gewährleistungsrechte bei unerheblichen Mängeln ausgeschlossen. Dies hat die Rechtsprechung beispielsweise zum Anlass genommen, dem Käufer beim Kauf eines Kraftfahrzeugs, das einen geringfügig höheren Benzinverbrauch hatte als angegeben, Gewährleistungsansprüche zu verweigern. In diesen Fällen wird der Käufer künftig lediglich auf sein Rücktrittsrecht verzichten müssen.

Beweislast
Grundsätzlich muss der Käufer beweisen, dass die Sache bei Gefahrübergang mit einem Fehler behaftet war. Eine Ausnahme gilt beim Verbrauchsgüterkauf. Hier wird gesetzlich vermutet, dass ein Mangel, der im Laufe der ersten sechs Monate seit Gefahrübergang (meist Übergabe der Kaufsache) aufgetreten ist, bereits zu diesem Zeitpunkt vorgelegen hat. Dies gilt auch für gebrauchte Sachen.

Unternehmerrückgriff
Oftmals hat den Mangel der Sache nicht der Letztverkäufer zu vertreten, sondern er ist auf einen Fehler im Herstellungsprozess zurückzuführen. Dem „Rückgriff“ des Letztverkäufers dienen dann in erster Linie seine eigenen kaufrechtlichen Rechte und Ansprüche.
Besonderheiten gelten, soweit ein Verbrauchsgüterkauf zwischen letztverkaufendem Unternehmer und Verbraucher vorliegt. Der Entwurf sieht für diesen Fall vor, dass der Verkäufer Ersatz der Aufwendungen verlangen kann, die er zur Nacherfüllung machen musste. Zu ersetzen sind damit Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten. Weiter erleichtert der Entwurf in gewissem Umfang die Geltendmachung der Gewährleistungsansprüche des Letztverkäufers: Das sonst übliche Nacherfüllungsbegehren entfällt, die oben erwähnte Beweislastumkehr gilt entsprechend und die Verjährung unterliegt einer so genannten Ablaufhemmung, der zufolge die Verjährung frühestens zwei Monate nach dem Zeitpunkt eintritt, in dem der Unternehmer die Ansprüche des Verbrauchers erfüllt hat (spätestens aber nach fünf Jahren).
Die Stellung des Verkäufers hat sich im Vergleich zum geltenden Recht erheblich verschlechtert. Um das Haftungsrisiko zu reduzieren, ergibt sich für Unternehmen die Notwendigkeit, sich möglichst bald auf die bevorstehenden Änderungen einzustellen sowie Verträge und Allgemeine Geschäftsbedingungen dem neuen Recht anzupassen. Christian Groß (DIHK)
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2001, Seite 8

 
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